Das Department «Gender and Women's Studies» der Universität Wisconsin-Madison hat im Jahr 1988 seinen Studentinnen eine leicht verstörende Liste an die Hand gegeben. Was soll die heterosexuelle Frau sagen, tun und lassen, wenn sie einer lesbischen Frau begegnet? Ein Handlungskatalog der eher speziellen Sorte. Aber wie ist dieser zu bewerten?
Zugegebenermassen grase ich ein bisschen verloren auf dieser grossen saftigen Gender-Wiese herum, weshalb ich jetzt mal meine liebe Arbeitskollegin Simone Meier konsultiere. Sie ist nämlich ein Ass auf diesem Gebiet. Und sie wird – obwohl sie eigentlich keine Zeit hat – ihre Kommentare unter diese Regeln schreiben. Danke Simone!
Was impliziert diese sonderbare Regel? Zeigen Sie nicht, dass Sie sich vor lebischen Frauen fürchten? Versuchen Sie, Ihrer Homophobie Herr zu werden? Hmm. Es gibt ja Menschen, die leiden an nicht weniger absurden Ängsten. Dazu eine klitzekleine Auswahl:
Simone Meier meint:
Eine grossartige Regel. Wer sich mit Lesben in der Kulturgeschichte ein wenig auskennt, ist da auch schon öfter der lesbischen Vampirin begegnet. Und wie es bei Vampiren so üblich ist, sollte man sie nicht durch impulsives Fluchtverhalten reizen, das erhöht nämlich ihre Lust, zuzubeissen. Neben der ganz normalen Unanständigkeit, dem ganz normalen Affront, den es für eine Lesbe bedeutet, wenn sie von andern Mitgliedern der Gesellschaft als Aussätzige behandelt wird, zeugt diese Regel also von einer überlebensnotwendigen Vorsicht. Es könnte sich ja tatsächlich um eine lesbische Vampirin handeln.
Aber bitte nicht so extrem diskret, dass der Abgang in ein Schleichen ausartet.
Simone Meier meint:
Sehr schön, dass diese Regel mit Ballettschuhen illustriert wird. Das erinnert mich an «Black Swan» mit Natalie Portman und Mila Kunis und an ihre schöne gemeinsame Sexszene. Obwohl diese ja vielleicht nur eingebildet war. Aber immerhin. Welches weibliche (und gewiss auch männliche) Wesen könnte sich nicht Sex mit den beiden vorstellen? Zudem ist es gerade im Ballett, diesem ästhetischen und vorwiegend weiblichen Mannschaftssport (oder Frauschaftssport?), ja naheliegend, dass es da zu besonders vielen lesbischen Kontakten kommen könnte. Theoretisch ist das jedenfalls sehr gut vorstellbar.
Simone Meier meint:
Und wenn doch?
Fazit: Glauben Sie am besten gar nichts.
Oder was meint Simone Meier?
Siehe oben.
Wer kann schon von sich behaupten, sich wirklich zu kennen? Die Postmoderne spricht uns DIE Identität sowieso ab. Heute bestehen wir aus zusammengewürfelten Teilidentitäten. Wir erfinden uns jeden Tag neu, feilen an unserer Individualität und drücken sie in einem aufregenden Hobby, einem trendigen Look, einer politischen Einstellung, einer Stammbeiz, einer ausgefallenen Wohnungseinrichtung aus. Und weil der Mensch so verflixt frei ist – wenn er nicht gerade am Hungertuch nagt – kann er all das schon morgen wieder ändern. Also warum sollte er nicht auch mal das Ufer wechseln?
Jetzt fürchte ich mich vor Simone Meier. Ich hoffe, sie glaubt jetzt nicht, ich wolle damit sagen, Homosexualität sei eine Laune. Ich habs philosophisch gemeint. Im Fall.
Simone Meier?
Liebe Anna, fast glaube ich, Du hast Judith Butlers Geschlechterbibel «Gender Trouble» gelesen! Brav! Das hätte ich von einem so jungen Menschen fast nicht zu erwarten gewagt. Nein, Homosexualität ist keine Laune, sie ist etwas ganz Existenzielles, Erschütterndes, das zunächst einmal jede Gewohnheit, jede Wahrnehmung, jedes Gefühl ganz grundsätzlich über den Haufen wirft. Wer jahrelang als Hetero gelebt hat und dann endlich zu ihrem (oder seinem) Coming-Out findet, empfindet das als Wunder. Dass man sich Homosexualität anzieht wie ein neues Kleidungsstück, kann ich mir schlecht vorstellen, aber ja, es gibt Leute, die das können. Wahrscheinlich sind sie zu beneiden. Andere, zum Beispiel der Schauspieler James Franco, können ihre Homosexualität nur ausleben, wenn sie schwer unter Drogen stehen. Sonst sind sie zu verklemmt. Die sind wahrscheinlich nicht zu beneiden.
P. S. an Simone Meier:
Es war Simone de Beauvoirs «Das andere Geschlecht», in dem ich mit 18 Jahren ein bisschen herumgelesen habe.
Hat Simone Meier vielleicht eine Meinung dazu?
Das stimmt! Heterosexuelle als solche sind für Homosexuelle etwa so interessant wie Tauben auf dem Markusplatz von Venedig. Sie gehören halt einfach dazu. Irgendwann wird das mit Homosexuellen hoffentlich auch so sein.
Womöglich interessiert es sie ja auch nicht die Bohne? Oder was meint Simone Meier dazu?
Hahaha! Sollten «Sie» rasend attraktiv sein, ist es vielleicht von Vorteil, dies zu erwähnen. Sonst. Nicht.
Ja gefälligst! Befreit die Männer! Danke für diese Regel. Das hätte ich sonst sofort ausgeplaudert. Nein. Natürlich nicht.
Ich bin überfordert. Simone Meier, zur Hülf?!
Ähm, wie soll ich das jetzt halbwegs höflich ausdrücken?... Erwähnen Sie das lieber nicht. Einfach nicht. Wirklich nicht.
Ist Simone Meier schon genervt von meiner penetranten Fragerei?
Wieso sollte sie? Ein Mann, der Sex mit einer Frau will, sucht diese auch nicht in der Dusche eines Fussballvereins.
Ein feiner Punkt. Bevor man die Andersartigkeit der anderen be- oder gar verurteilt – und das macht der Mensch gemeinhin zackiger als Lucky Luke schiessen kann – sollte man sich selbst gründlich durchleuchten.
Stimmt mir Simone Meier da zu?
Oh ja! Oh ja! Da würden Sie ein paar spannende Dinge über sich herausfinden!
Sehr richtig! Oder Simone Meier?
Stimmt. Siehe Punkt 5.
Glaubt denn das überhaupt irgendwer oder hat es zumindest mal geglaubt, Simone Meier?
Hmmmmm, da wär ich mir jetzt nicht so sicher. Eine klassische Butch (und davon gibt es der Lesben-in-sexy-Business-Outfits-Serie «The L-Word» zum Trotz viele), hat Spass daran, als echter Kerl ernst genommen zu werden. Trotzdem würde sie nicht freiwillig die FCZ-Vereins-Dusche benutzen. So, und an dieser hochspannenden Stelle muss ich mich jetzt leider, leider wieder andern Themen zuwenden.
Danke Simone Meier!
Ja, das scheint mir logisch. Hier brauch ich Simone Meier glaub ich nicht. Mensch ist Mensch. Und wenn der Mensch liebt, ist er noch etwas komplizierter. Und dann gibt's eben Drama.
Aha.
Das «aber» in diesem Satz stört mich jetzt ein bisschen.
(via Gawker)