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Bundesrat

SVP-Konzept vs. Bundesrats-Vorlage: Die beiden MEI-Pläne im Direktvergleich

Der Bundesrat plant ein Kunststück und kommt mit seinem heute in die Vernehmlassung geschickten Gesetzesentwurf weder der SVP noch der EU so richtig entgegen. 
Der Bundesrat plant ein Kunststück und kommt mit seinem heute in die Vernehmlassung geschickten Gesetzesentwurf weder der SVP noch der EU so richtig entgegen. Bild: KEYSTONE
Ringen um die MEI

SVP-Konzept vs. Bundesrats-Vorlage: Die beiden MEI-Pläne im Direktvergleich

Der Bundesrat will die Zuwanderung kontingentieren. Von den restlichen Forderung der SVP-Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative hielten aber wenige Einzug in den heute präsentierten Gesetzesentwurf des Bundesrats.
11.02.2015, 21:2112.02.2015, 11:48
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Der Bundesrat will es sich mit der EU nicht verscherzen. Das hat er in der Medienkonferenz im Anschluss an die Bundesratssitzung vom Mittwoch klar gemacht. Nichtsdestotrotz muss er den neuen Verfassungsartikel zur Beschränkung der Zuwanderung umsetzen. 

Also plant der Bundesrat ein Kunststück: Er will am Freizügigkeitsabkommen festhalten und trotzdem Zuwanderungskontingente wieder einführen. Was sich gegenseitig ausschliesst. 

Mit der Wiedereinführung der Kontingente kommt der Bundesrat dem Umsetzungsvorschlag der SVP entgegen, in den Details weicht er allerdings von den SVP-Lösungen ab: 

1. Kontingentierung

Die SVP schlug vor, die Anzahl Zuwanderer aus den Kategorien «Erwerbstätige», «Grenzgänger» und «Nichterwerbstätige» zu kontingentieren. Die Kantone sollten dann die entsprechenden Kontingente beim Bundesrat bestellen können, der diese verteilen würde. Und zwar immer unter der Vorgabe, eine deutliche Reduzierung der Zuwanderung im Vergleich mit dem Status quo zu erreichen. Für kantonale Engpässe, Bundesprojekte und das Asylwesen soll der Bund zusätzlich sein eigenes Kontingent erhalten, das er im Notfall ausschöpfen kann. 
Der Bundesrat will Kontingente einführen, verzichtet aber auf ein im Vornherein definiertes starres Reduktionsziel. Er will jährlich festgelegte Höchstzahlen einführen – mit dem Vorbehalt, diese bei Bedarf jederzeit anpassen zu können. Die Höchstzahlen gelten für alle Zuwanderer, die zur Erwerbstätigkeit ab vier Monaten in die Schweiz kommen. Konkret für Kurzaufenthaltsbewilligungen, Aufenthaltsbewilligungen, Niederlassungsbewilligungen sowie für Grenzgängerbewilligungen. Sollte der Bundesrat kantonale Kontingente vorsehen, müssen die Kantone sich darüber verständigen.

2. Studenten und Grenzgänger

Bei der Zuwanderung der Studenten und der Grenzgänger soll der Bundesrat gemäss SVP darauf achten, die besonders betroffenen Kantone entsprechend zu berücksichtigen. So soll zwar sowohl die Zahl der Studenten als auch die Zahl der Grenzgänger gesenkt, die Bedürfnisse der Universitäts- und Grenzkantone aber berücksichtigt werden. Zwar schlägt die SVP den Grenzkantonen vor, dass in den Betrieben nicht mehr als 50 Prozent Grenzgänger angestellt werden sollen, dies wäre aber in Städten wie Basel oder Genf nicht praktikabel. Deswegen soll diesen «grosser eigenständiger Handlungsspielraum» gelassen werden. 
Auch in diesem Punkt kommt der bundesrätliche Gesetzesentwurf dem SVP-Vorschlag entgegen: Er beschränkt die Zuwanderung von Studenten und Grenzgängern. Zu den Details der Umsetzung 

3. Sozialleistungen

Hier verlangt die SVP generell Verschärfungen. So sollen von der Arbeitslosenversicherung nur diejenigen Zuwanderer Leistungen beziehen können, die 24 Monate einer festen Erwerbstätigkeit nachgingen und in die ALV eingezahlt haben. Heute liegt die Grenze bei 12 Monaten. Personen, die weniger als 12 Monate in der Schweiz erwerbstätig sind, soll kein Zugang zu Sozialleistungen gewährt werden. Zudem sollen künftig alle Asylsuchenden nur noch Nothilfe erhalten. Derzeit gilt dies nur für Asylsuchende mit Nichteintretens-Entscheid. 
Zu diesem Punkt hielt sich der Bundesrat an der Pressekonferenz vom Mittwoch bedeckt. Es kann davon ausgegangen werden, dass er nicht auf die Vorschläge eintreten wird. 

4. Familiennachzug

Der Familiennachzug soll auf schulpflichtige Kinder und Ehepartner beschränkt werden. Heute dürfen auch Eltern und nichtschulpflichtige Kinder nachziehen. Zusätzlich will die SVP vorschreiben, wie gross die Wohnungen zu sein haben, in die Zuwandererfamilien nachziehen wollen (ein Wohnzimmer, ein Elternschlafzimmer und pro zwei Kinder ein Schlafzimmer). Zusätzlich soll der Familiennachzug nur noch für Ausländer mit einem B- oder C-Ausweis möglich sein. Alle anderen, auch anerkannte Flüchtlinge, sind von der Möglichkeit des Familiennachzugs ausgeschlossen. 
Am Familiennachzug will der Bundesrat festhalten. Allerdings untersteht auch er den jährlich festgelegten Höchstzahlen. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Bundesrat von Vorschriften für die Wohnungsgrösse von Zuwandererfamilien absehen wird. Ebenfalls werden vorläufig aufgenommene Flüchtlinge nicht vom Familiennachzug ausgeschlossen. Nach frühestens drei Jahren sollen sie Familienmitglieder nachziehen dürfen. 

5. Zuwanderungs-Kategorien

Die derzeit auf fünf Jahre ausgestellte B-Bewilligung für erwerbstätige Ausländer soll künftig nur noch für ein Jahr ausgestellt werden. Allerdings fallen nach einem Jahr wiederausgestellte B-Bewilligungen nicht unter die Kontingentierungsregelungen. Für Arbeitsverträge unter 12 Monaten sollen nur noch Kurzaufenthaltsbewilligungen der Kategorie L erteilt werden, die einen Familiennachzug verunmöglichen. Dafür sollen Kurzaufenthalte von bis zu 120 Tagen pro Kalenderjahr nicht kontingentiert werden. 
Der Bundesrat tritt nicht auf die Forderung ein, die B-Bewilligung nur noch für ein Jahr auszustellen. Er stellt klar, kein Interesse daran zu haben, das Saisonnierstatut, welches Kurzauffenthaltsbewilligungen zwischen 9 und 12 Monaten für ausländische Arbeiter ermöglichte, wieder einzuführen. Die Verlängerung von B-Bewilligungen soll ebenfalls nicht unter die Kontingentierungsregelungen fallen. 

6. Inländervorrang

Die SVP fordert die konsequente Anwendung vom Inländervorrang, auch für die Zuwanderer aus EU- und EFTA-Ländern.
Der bundesrätliche Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Inländervorrang im Einzelfall geprüft wird. Jedoch soll es Ausnahmen bei Berufen mit ausgewiesenem Fachkräftemangel geben. Dort soll auf eine weitergehende Prüfung verzichtet werden. 

(rar)

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