Die NATO hat Konsequenzen aus dem Konflikt mit Russland gezogen: Zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges erhöht das Verteidigungsbündnis seine militärische Präsenz in Osteuropa. Doch die Allianz bricht nicht alle Brücken zu Moskau ab. Als Reaktion auf das militärische Eingreifen Russlands in den Konflikt in der Ukraine beschloss die Allianz den Aufbau einer neuen Krisen-Eingreiftruppe sowie einen Aktionsplan für Osteuropa, der eine erhöhte Präsenz des Bündnisses in der Region vorsieht. Nach einer schwierigen Partnerschaft in den vergangenen Jahren bedeutet dies eine deutliche Kehrtwende im Verhältnis zu Moskau. «Dieser Beschluss sendet ein klares Signal: Die NATO schützt alle Verbündeten, zu jeder Zeit», sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Freitag beim NATO-Gipfel im walisischen Newport. «Das ist eine Demonstration unserer Solidarität und unserer Entschlossenheit.»
Die Annexion der Krim und die aktive Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine durch Russland hatten die NATO überrascht. Polen und die baltischen Staaten fühlen sich durch Russlands Vorgehen in der Ukraine bedroht und hatten von ihren Verbündeten eindeutige Rückendeckung und sogar ständige Truppenpräsenz gefordert. Die als «Speerspitze» bezeichnete Eingreiftruppe mit einer Stärke von mehreren tausend Soldaten soll im Krisenfall innerhalb von wenigen Tagen einsatzbereit sein. Dafür baut die NATO ihre Stützpunkte und Infrastruktur in Osteuropa aus, verlegt militärisches Material dorthin und erhöht durch stetige Übungen wechselnder Truppen ihre militärische Präsenz vor Ort.
Damit will das Bündnis an den Regeln der Gründungsakte des NATO-Russlands-Rates von Mai 1997 festhalten. Der Vertrag verbietet der Allianz, dauerhaft Kampftruppen in Ost- und Mitteleuropa zu stationieren. «Wir haben keine Entscheidung getroffen, uns von der NATO-Russland-Akte abzuwenden», sagte Rasmussen. Denn trotz der aktuellen massiven Spannungen gibt es unter den NATO-Partnern die Hoffnung, dass beide Seiten sich wieder annähern. In Polen, den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Rumänien gab es Stimmen, den Vertrag aufzukündigen, den Russland ihrer Ansicht nach durch seine Aggressionspolitik gebrochen hat. «Wir haben deutlich gemacht, dass wir zu unseren Verabredungen stehen», sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. «Wir stehen zu der Sicherheitsarchitektur Europas.» Die NATO-Staaten würden ihre «Doppelstrategie aufrecht erhalten», sagte Merkel: Auf der einen Seite zu sagen, sie könnten mit Sanktionen hart reagieren; wenn es jedoch zu Fortschritten und einem dauerhaften Waffenstillstand komme, könnten die neuen Sanktionen der EU gegen Russland auch wieder ausgesetzt werden.
Russland kritisierte die Ergebnisse des Gipfels als «Sieg der Falken» in den USA. «Die NATO ist ein Ergebnis des Kalten Krieges und hat in Newport demonstriert, dass sie zum Wandel nicht fähig ist», hiess es in einer Freitag vom Aussenministerium in Moskau veröffentlichten Mitteilung. Auf der Suche nach seiner Rolle im globalen Sicherheitssystem komme das Bündnis nicht voran. Vielmehr strebe die NATO unter dem Druck Washingtons nach einer militärischen Vormachtstellung - unter Verletzung aller Vereinbarungen. «Die Ukraine-Krise ist da nur ein Vorwand für das weitere Heranrücken der NATO an Russlands Grenzen».
Der zweitägige Gipfel der NATO in Newport wurde vollkommen von dem Konflikt mit Russland bestimmt. Am Donnerstag sagten die Alliierten dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ihre Unterstützung und Hilfe bei der Modernisierung der Armee des Partnerlandes zu. Auch der Tagungsort des nächsten NATO-Gipfels ist kein Zufall. Polens Präsident Bronislaw Komorowski kündigte an: «Wir haben entschieden, zum nächsten Gipfel 2016 nach Warschau einzuladen, wo der Warschauer Pakt geschaffen und wieder gestürzt wurde.» (sda/afp/dpa)