Gesellschaft & Politik
History

Der Anfang vom Ende: Vor 25 Jahren zerbricht die Kommunistische Partei Jugoslawiens – eine Serie von blutigen Kriegen mit über 100'000 Opfern nimmt ihren Lauf

Animiertes GIFGIF abspielen
Grenzverschiebungen auf dem Balkan 1989-2008Bild: „Breakup of Yugoslavia“ Made by Hoshie/wikimedia
Jugoslawien-Konflikt

Der Anfang vom Ende: Vor 25 Jahren zerbricht die Kommunistische Partei Jugoslawiens – eine Serie von blutigen Kriegen mit über 100'000 Opfern nimmt ihren Lauf

Vor einem Vierteljahrhundert ging die Kommunistische Partei Jugoslawiens unter. Es folgten blutige Bürgerkriege und das Ende des Vielvölkerstaates. Heute ist eine verstärkte Nostalgie zu bestaunen.
16.01.2015, 16:1416.01.2015, 17:57
Mehr «Gesellschaft & Politik»

Dass es dazu überhaupt kommen konnte, wird von der Mehrheit der jugoslawischen Völker auch heute den Serben als der grössten Nation zugeschrieben. Seit 1987 war der spätere Kriegsherr Slobodan Milosevic als Parteichef der alles bestimmende Politiker Serbiens.

Slobodan Milosevic in einer Aufnahme aus dem Jahr 2000.
Slobodan Milosevic in einer Aufnahme aus dem Jahr 2000.Bild: AP NY

Er liess mit seinem grossserbischen nationalistischen Programm seit 1989 die Autonomen Provinzen Vojvodina und Kosovo mit Ungarn und Albanern gewaltsam gleichschalten. Dann folgte die Republik Montenegro.

Neue strategische Ziele für Milosevic waren Kroatien und Bosnien, wo grosse serbische Minderheiten lebten. Nur in Slowenien gab es keinen Ansatzpunkt, weil die Republik praktisch ohne Minderheiten war.

Am 1. Dezember planten die Serben trotzdem einen Massenauflauf in Ljubljana, um die widerspenstigen ungeliebten Brüder in die Knie zu zwingen. Nachdem Slowenien die Demonstration verboten hatte, wurden die zwei Millionen Slowenen mit einer Wirtschaftsblockade belegt.

Ethnien und Religionszugehörigkeiten im Vielvölkerstaat Jugoslawien 1991.
Ethnien und Religionszugehörigkeiten im Vielvölkerstaat Jugoslawien 1991.wikimedia

Schicksalshafter Parteikongress

In dieser aufgeheizten Atmosphäre begann am 20. Januar 1990 der 14. Parteikongress, auf dem sich zwei unvereinbare Staatskonzepte gegenüberstanden: Die Serben strebten nach einer Zentralisierung und damit nach ihrer Vormachtstellung.

Slowenen und Kroaten traten für eine weitere Dezentralisierung bis zur Autonomie oder sogar Unabhängigkeit ein. Die in Belgrad unterlegenen Delegierten aus beiden Republiken verliessen den Kongress und sprengten damit die gesamte Partei. Es folgte auch die staatliche Trennung – allerdings blutig.

Jugoslawien zerfiel in sieben unabhängige Staaten. Doch weil sie zu den Ärmsten der Armen in Europa zählen, greift seit Jahren eine Jugo-Nostalgie um sich: Das Gefühl,

 «wir können als Ministaaten nichts ausrichten»,

denn die Einwohnerzahlen liegen zwischen 620'000 Menschen in Montenegro und sieben Millionen in Serbien.

Chronologie des Konflikts

1 / 24
Wie Jugoslawien zerbrach: Vom Ende des Kommunismus bis Kosovo
22. Januar 1990: Ende des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens (BKJ/SJK) als einheitlicher Partei.
quelle: wikimedia
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Vergangenheit nicht bewältigt

Das untergegangene Jugoslawien besass über 23 Millionen Bürger. In gut besuchten historischen Ausstellungen werden darüber hinaus die Jahrzehnte zwischen 1960 und Mitte der 80er Jahre als «goldenes Zeitalter» vermittelt.

Ein möglicherweise entscheidender Grund für die fehlende Prosperität ist die ausgeblendete kriegerische Vergangenheit. Nirgendwo gibt es eine nennenswerte Lustration, also den Ausschluss von Personen aus öffentlichen Ämtern, die in den 90er Jahren in Nationalismus und Kriegsverbrechen verstrickt waren.

Der ehemalige Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadciz, vor dem UNO-Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag (2014).
Der ehemalige Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadciz, vor dem UNO-Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag (2014).Bild: AP/ICTY via Associated Press Television

Einige der ganz grossen Vordenker und Drahtzieher aller Verbrechen sind vom UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verurteilt worden. Die grosse Masse der Befehlsempfänger, der Befehlsausführer und manchmal Massenmörder hat aber bis heute nichts zu befürchten.

Kriegsverbrechen aufarbeiten

Im Jahr 2011 schlossen sich Hunderte privater Organisationen (NGO) in allen Nachfolgestaaten unter dem Namen REKOM zusammen, um eine Million Unterschriften zu sammeln.

Damit sollten alle Regierungen gedrängt werden, Regionale Kommissionen (eben REKOM) zu bilden, um das Schicksal der Opfer, der immer noch Vermissten und Vertriebenen sowie die vielen Kriegsverbrechen wissenschaftlich, aber ohne Schuldzuweisung aufzuschreiben.

Nur die Hälfte der Unterschriften kam zusammen. In vielen Staaten wie zum Beispiel in Serbien, Bosnien und Montenegro sitzen daher die alten nationalistischen Spitzenpolitiker immer noch an den Schaltstellen der Macht – heute als Demokraten und glühende Europäer. (wst/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
5 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
5