Die Terrorangst von Paris war im nahen Belgien längst angekommen. Seit Tagen spekulierten lokale Zeitungen etwa, ob die französischen Attentäter ihre schweren Waffen im berüchtigten Brüsseler Bahnhofsviertel erworben hätten. Seit Jahren hat das kleine Land mit nur 11 Millionen Einwohnern Probleme mit radikalen Islamisten. Seit gestern scheint klar, dass die Angst nicht unbegründet ist.
Die belgischen Behörden haben nach eigenen Angaben einen unmittelbar bevorstehenden Terroranschlag vereitelt. Bei einem Anti-Terror-Einsatz im östlichen Verviers wurden am Donnerstagabend gut eine Woche nach den Anschlägen in Paris zwei mutmassliche Dschihadisten getötet.
Nach Behördenangaben sind 13 Verdächtige festgenommen worden. Die Terrorzelle habe Anschläge auf Polizisten geplant, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft am Freitag in Brüssel. Die Gruppe habe kurz davor gestanden, Attentate zu verüben, um «Polizisten im öffentlichen Raum und in Polizeirevieren zu töten», sagte der Sprecher.
Insgesamt gab es in Verviers, in der Hauptstadt Brüssel und an anderen Orten bei dem Einsatz zwölf Durchsuchungen. Dabei wurden laut den Ermittlern Waffen, Handys, Geld, Polizeiuniformen sowie falsche Papiere beschlagnahmt.
Verantwortliche der jüdischen Gemeinde entschieden sich einem Medienbericht zufolge dazu, dass am Freitag jüdische Schulen in Antwerpen und Brüssel geschlossen bleiben sollen. Wie auf der Internetseite der Zeitung «Joods Actueel» zu lesen war, waren die Vertreter zuvor informiert worden, dass die Einrichtungen zu potenziellen Anschlagszielen gehörten. Im Mai vergangenen Jahres waren bei einem Anschlag im Jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen getötet worden.
Ohnehin waren die belgischen Sicherheitsbehörden nach dem Attentat und der Geiselnahme in Paris mit insgesamt 17 Todesopfern besonders alarmiert. In Belgien gibt es eine wachsende Islamistenszene, Verviers gilt neben einigen Vororten Brüssels als eine Hochburg. Erst am Mittwoch hatte die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) in einem Internetvideo mit einem Anschlag in Belgien gedroht, wie die belgische Nachrichtenagentur Belga berichtete.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen auch, ob es weitere Spuren eines der Pariser Attentäter nach Belgien gibt. Demnach wird untersucht, ob Amedy Coulibaly, der in Paris fünf Menschen tötete, seine Waffen in Belgien gekauft hatte.
Ein Sprecher von Regierungschef Charles Michel sagte nach einem Krisentreffen mit mehreren Ministern, wer «Terror verbreiten» wolle, müsse bekämpft werden. Die Anti-Terror-Einsätze belegten die Entschlossenheit der Regierung, gegen die Gefährder vorzugehen. «Die Angst muss das Lager wechseln.»
Der Grosseinsatz sei das Ergebnis monatelanger Untersuchungen gewesen, fuhr Michels Sprecher Frédéric Cauderlier fort. Sie galten demnach jungen Rückkehrern aus Kampfgebieten, «vor allem aus Syrien».
Michel und seine Minister des Inneren und der Justiz verfolgten die Einsätze «Minute für Minute». Der Staatsanwaltschaft zufolge dauerten die Polizeieinsätze gegen 00.30 Uhr weiter an. Es wurde mit weiteren Festnahmen gerechnet.
Der Zugriff in Verviers unweit der deutschen Grenze erfolgte gegen 18.00 Uhr. Als die Spezialkräfte eintrafen, hätten die mutmasslichen Dschihadisten «sofort» das Feuer eröffnet, dabei hätten sie Sturmgewehre und andere schwere Waffen eingesetzt, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Zwei Verdächtige seien getötet, ein dritter sei verletzt und festgenommen worden, hiess es. Zivilisten und Polizisten seien nicht verwundet worden.
Die mutmasslichen Syrien-Rückkehrer hätten einen «grossen Anschlag» auf die Sicherheitskräfte geplant, es habe «unmittelbare Gefahr» bestanden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Razzien gab es auch in Brüssel und in den Vororten der Hauptstadt. Demnach gehörten rund zehn Menschen zu der Terrorzelle, die Anschläge geplant haben soll.
Die Behörden riefen die zweithöchste Terrorwarnstufe für öffentliche Gebäude und Polizeieinrichtungen aus. Ein Zusammenhang mit den Angriffen in Paris in der vergangenen Woche war den Angaben zufolge aber zunächst nicht erkennbar. (rar/sda/afp)