International
Analyse

Damit Krankenversicherung funktioniert, müssen alle einzahlen – kapiert Trump das nicht?

FILE - In this Dec. 28, 2016 file photo, President-elect Donald Trump talks to reporters at Mar-a-Lago in Palm Beach, Fla. (AP Photo/Evan Vucci)
President-elect Donald Trump.Bild: Evan Vucci/AP/KEYSTONE
Analyse

Damit Krankenversicherung funktioniert, müssen alle einzahlen – kapiert Trump das nicht?

09.01.2017, 15:5809.01.2017, 16:10
Kian Ramezani
Folge mir
Mehr «International»

«Repeal and replace Obamacare», diese Worte wiederholen die US-Republikaner seit Jahren wie ein Mantra. Dutzende Male haben sie Obamas Gesundheitsreform im Abgeordnetenhaus symbolisch abgeschafft. Jetzt wo sie alle Hebel der Macht in Händen halten, wollen sie es auch durchziehen. 

Es gibt da aber ein gewaltiges Problem. Donald Trumps Position in dem wichtigen Thema enthält einen unauflösbaren Widerspruch:

Trump will die allgemeine Versicherungspflicht («individual mandate») aufheben, das Kernstück von Obamas Gesundheitsreform.

Donald Trump will die Vorschrift behalten, dass Versicherungen Patienten mit Vorerkrankungen («pre-existing conditions») nicht ablehnen dürfen.

Sorry Donald, aber beides geht nicht.

Wenn keine Versicherungspflicht mehr besteht und Versicherungen gleichzeitig niemanden wegen Vorerkrankungen ablehnen dürfen, dann passiert folgendes: Wer gesund ist, verzichtet auf eine Versicherung. Wer krank wird, besorgt sich eine und wenn er glaubt, er sei wieder gesund, dann kündet er sie wieder. Anders gesagt, die Versicherungen zahlen für alles, nehmen aber massiv weniger Geld ein. Da dies kein nachhaltiges Geschäftsmodell ist, bleibt ihnen kurzfristig nur ein Weg: Die Prämien massiv erhöhen. Irgendwann sind diese so teuer, dass sie sich niemand mehr leisten kann. Das System kollabiert.

Klingt hypothetisch, hat sich aber in den 1990er-Jahren genau so zugetragen, als die Republikaner im US-Bundesstaat Washington ein System mit Aufnahmepflicht aber ohne Versicherungspflicht einführten. Ein gut dokumentierter Fall aus jener Zeit zeigt, dass das nicht funktionieren KANN: Eine Frau wurde schwanger und schloss deshalb eine Krankenversicherung ab. Nachdem das Kind auf der Welt war und alle Rechnungen beglichen waren, kündigte sie. Bei ihrer nächsten Schwangerschaft verfuhr sie gleich.

Resultat: Die Versicherung bezahlte über 7000 Dollar Arzt- und Spitalrechnungen, nahm aber nur 1800 in Prämien von der Frau ein. Auch andere verfuhren verständlicherweise nach diesem Beispiel. Die Versicherung musste die Prämien massiv erhöhen, viele Kunden sprangen ab. Das Phänomen wird auch als «Todesspirale» bezeichnet. Am Schluss stand sie ohne Kunden und mit Verlusten von 120 Millionen Dollar da.

Die Leute werden sich erinnern

Eigentlich ist es ganz einfach: Versicherungen funktionieren nur, wenn Risiken auf möglichst viele Personen verteilt werden. Wenn junge, gesunde Menschen nicht einzahlen, werden die Prämien für kranke, alte Menschen unbezahlbar. Donald Trump sieht das anders: Sein Plan werde die Prämien UND die Franchisen senken UND die Versorgung verbessern UND den Staat weniger Subventionen kosten. Er hat seine Kritiker schon oft überrascht, aber wie er das schaffen will, weiss niemand.

Auch die Republikaner wissen es nicht. Jahrelang haben sie auf diesen Moment gewartet, wenn sie Obamacare endlich rückgängig machen können, diese aus ihrer Sicht sozialistische Zwangssteuer. Dafür dass sie so lange Zeit hatten, sind sie jetzt erstaunlich schlecht vorbereitet. Eine Alternative zu Obamacare haben sie nicht in der Schublade. 20 Millionen Bürgern, die durch die Reform neu eine Krankenversicherung haben, können sie diese aber nicht einfach wegnehmen. Das wäre politischer Selbstmord.

Viele Amerikaner wissen nicht, dass sie nur wegen Obama zu einer Police gekommen sind. Hingegen werden sie zweifellos registrieren, wer sie ihnen wieder wegnimmt. Schon jetzt macht in Washington D.C. statt «Repeal and Replace» die Losung «Repeal and Delay» die Runde. Abschaffen aber vorläufig beibehalten, bis man sich auf eine Alternative geeinigt hat. Die grossen Versicherungskonzerne haben schon angedeutet, dass die damit verbundene Unsicherheit Gift für den Markt wäre.

Es kann davon ausgegangen werden, dass Trump all dies weiss. So ist seine Warnung an die Republikaner zu verstehen, sie müssten aufpassen, dass am Schluss nicht ihnen das Chaos im Gesundheitssektor angelastet wird. Ebenfalls kennt er die folgende Volksweisheit: «You break it, you own it».

Sevnica, Heimatstadt von Melania Trump

1 / 11
Sevnica, Heimatstadt von Melania Trump
«Willkommen in Sevnica, Heimatstadt von Amwerikas Frist Lady», heisst es am Eingang von Sevnica.
quelle: x00501 / srdjan zivulovic
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
107 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Eifachöpper
09.01.2017 17:04registriert Juni 2015
Ich verstehe nicht wie sich Watson mit so nebensächlichen Themen beschäftigen kann während in der Schweiz schreckliches abgeht. Da es sonst niemand anspricht mache ich es... In der Schweiz ist der Big Tasty vom Mac menue verschwunden.... Ernsthaft!!! Watson, sei die Stimme des Volkes und mach was!
11320
Melden
Zum Kommentar
avatar
pamayer
09.01.2017 16:58registriert Januar 2016
Trump ist ein typischer Populist: was durchsetzen, aber die Folgen davon ignorieren.
8614
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lai Nair
09.01.2017 16:12registriert Dezember 2016
Dump Trump kapiert so manches nicht und er wird noch so manches nicht kapieren.
7122
Melden
Zum Kommentar
107
Benko soll im Sommer 2023 Millionengelder verschoben haben

Rund um den Tiroler Immobilienunternehmer René Benko und den Niedergang seines weitgehend insolventen Signa-Firmennetzwerks sind weitere Details ans Licht gedrungen. Laut österreichischen Medien soll Benko im vergangenen Sommer innerhalb des Signa-Konglomerats Millionengelder verschoben haben.

Zur Story