Die neue griechische Regierung, die im Januar eingesetzt wurde, nahm sich viel vor: Sie wollte mit der alten Politik, die für Korruption, Vetterliwirtschaft und Schulden einstand, aufräumen. «Nie wieder Defizit, nie, nie» hiess es vom neuen Finanzminister Varoufakis Anfang Februar. Das Team um Ministerpräsident Alexis Tspiras präsentierte sich selbstbewusst.
Zwei Monate später ist die Glaubwürdigkeit dahin und der Goodwill gegenüber der Regierung schwindet von Tag zu Tag. Immer mehr Nebenschauplätze und Skandale geben den Europäern das Gefühl, die griechische Regierung sei schlimm, schlimm, schlimm.
Worüber alle reden: Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis war am Sonntagabend in Günther Jauchs Talkshow. Dieser konfrontierte ihn mit einem Videoausschnitt, in welchem er 2013 angeblich den Deutschen den Stinkefinger zeigte. Varoufakis behauptete in der Talkshow, das Video sei gefälscht.
Was ignoriert wird: Die Frage, ob das Video gefälscht ist oder nicht, wird kaum abschliessend geklärt werden. Es steht Aussage gegen Aussage. Der Kameramann, der Varoufakis' Auftritt 2013 aufnahm, bestritt am Sonntagabend via Twitter vehement, dass das Video gefälscht sei.
Was aber in der ganzen Diskussion ausgeblendet wird: Varoufakis hatte bei der Aufnahme des Videos im Mai 2013 kein politisches Amt inne. Er war ein frecher Ökonom, der an einer Tagung in Zagreb erklärte, Griechenland hätte bereits im Mai 2012 die Staatspleite in Kauf nehmen und die Schulden nicht zurückzahlen sollen, so wie es Argentinien gemacht hat. Man hätte damit den Deutschen «den Finger gezeigt». Griechenland hat dies aber nicht getan, sondern brav die Sparprogramme umgesetzt.
Worüber alle reden: Varoufakis präsentierte sich am Freitag im französischen Klatschmagazin «Paris Match» zusammen mit seiner Frau in verliebter Pose auf der Terrasse eines Appartments im teuersten Stadtteil Athens. Varoufakis erntete dafür am Wochenende Spott und Häme: Er solle sich lieber um die Krise in seinem Land kümmern als stundenlang über sein Privatleben zu erzählen.
Was ignoriert wird: Der Finanzminister gab im selben Klatschmagazin ein langes Interview, in dem er sich politisch äusserte und den Kult um seine Person selbst kritisierte. «Starkult ist immer eine Folge eines Demokratie- und Wertedefizits», erklärte er. Zu Europa bzw. der Europäischen Union sagte er: «Das europäische Projekt war eine tolle Idee, welches grosse Demokratien zusammenbrachte um den Wohlstand zu teilen.» Heute sei es unsere Pflicht zu verhindern, dass Europa zu einem «Käfig» wird. Varoufakis hat die Homestory umgehend bereut. Im Gegensatz zu anderen Politikern hat er den Fehler eingestanden und sich selbstkritisch gezeigt.
Worüber alle reden: Griechenland ist pleite. Die Frankfurter Allgemeine berichtete am Sonntag, den Hellenen würde schon Ende März das Geld ausgehen.
Was ignoriert wird: In der gleichen Zeitung wurde die Situation so erklärt: Griechenland braucht Geld. Dieses gibt es nur, wenn Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras ziemlich bald Reformwillen zeigt. Konkret fordert die EU von Athen verschiedene Privatisierungen, Massnahmen zum Eintreiben von Steuern und den Aufbau eines Grundbuchs. Tsipras hat diesen Forderungen in allgemeiner Form zugesagt.
Die Schweiz will übrigens den Griechen beim Eintreiben von Steuern helfen. Seit Februar 2014 liegt ein Angebot des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen vor, wonach die Schweiz Griechenland beim Aufspüren von unversteuertem Vermögen griechischer Bürgern helfen will. Schätzungen der Nationalbank gehen davon aus, dass Griechen über 800 Millionen Franken in der Schweiz horten.
Worüber alle reden: Die Griechen sind faul und verwöhnt. Sie wollen Mindestlöhne, einen 14. Monatslohn und Geld von Deutschland und Europa, wollen aber gleichzeitig nichts dafür tun. Stattdessen wählen sie eine radikale Partei, die nur herumstänkern kann.
Was ignoriert wird: Über Griechenland wird viel gelogen. Das deutsche «Handelsblatt», welches nicht als linkes Wirtschaftsmagazin bekannt ist, titelte 2011: «Die griechische Rentenlüge und andere Vorurteile». Es zeigte auf, dass das tatsächliche mittlere Renteneintrittsalter im EU-Durchschnitt liegt und die Griechen im Schnitt 42 Stunden pro Woche arbeiten – deutlich mehr als etwa Holländer oder Deutsche. Auf die Kritik, die aktuelle griechische Regierung unternehme nichts, antwortete Varoufakis am Sonntagabend: «Wir sind erst seit zwei Monaten im Amt.» Man sei jedoch bereits mit der Schweiz, Luxemburg, Grossbritannien und Deutschland wegen der Steuerhinterziehung reicher Griechen im Kontakt.