Die amerikanischen Geheimdienste sind sich einig: Die russische Regierung hat 2016 in den amerikanischen Präsidentschafts-Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump eingegriffen. Wie sehr die Einflussnahme Donald Trump zu Gunsten kam, ist umstritten, nicht aber, dass sie stattgefunden hat.
Russlands Aktion wirkt nur auf den ersten Blick als ein Husarenstück, denn die Einflussnahme durch fremde Mächte bei demokratischen Wahlen hat Tradition: 117 Mal versuchten Russland/die UdSSR oder die USA zwischen 1946 und 2000 demokratische Wahlen eines anderen Landes zu beeinflussen. Oder in anderen Worten: bei jeder 9. Wahl.
Die stolze Zahl veröffentlicht hat Dov H. Levin. Ein Jahr lang trug der amerikanische Politikwissenschaftler Daten aus freigegebenen amerikanischen Geheimdienstdokumenten zusammen. Die Informationen zu Russland und der UdSSR stammen unter anderem aus den Archiven des KGB-Obersts Wassili Nikititsch Mitrochin.
Mitrochin war nach 30 Jahren Dienst beim russischen Geheimdienst mit unzähligen handschriftlichen Notizen zu den Briten übergelaufen. Das FBI bezeichnete dieses sogenannte Mitrochin-Archiv als «die komplettesten und umfangreichsten Informationen, die je eine Quelle lieferte.»
Der so zusammengestellte Datensatz belegt nun, wie oft sich Russland/die UdSSR in demokratische Wahlen einmischte – aber auch, dass der grosse Gegenspieler USA weit umtriebiger war.
Mit 69 Prozent aller Aktionen waren die USA für 81 der 117 Interventionen verantwortlich. Also weit mehr als Russland/die UdSSR (36). Unter anderem intrigierte die USA bei den Wahlen in Russland 1996, in Jugoslawien (1992 & 2000) oder 1948 in Italien.
Die Schweiz blieb nach heutigem Wissenstand bisher verschont – dafür traf es unter anderem Island, England, Japan, Iran, Indonesien und die grössten südamerikanischen Länder wie Brasilien und Argentinien.
Als Beeinflussung wertete Levin sämtliche bewussten russischen oder amerikanischen Aktionen, welche gezielt Wahlen in einem anderen souveränen Staat so manipulierten, dass mindestens eine der teilnehmenden Parteien Schaden oder Nutzen davon trug.
Dazu gehören sowohl die öffentliche Drohung (zum Beispiel mit der Kürzung von Unterstützungsgeldern) wie auch Versprechen (von möglichen Abkommen und Deals), aber auch «schmutzige Tricks» wie das Bereitstellen von kompromittierendem Material.
Nicht immer fand die Beeinflussung bei Wahlen also im Verborgenen statt. In 36 Prozent aller Fälle geschah sie öffentlich – und diese Aktionen waren erfolgreicher als die geheimen. Das fand Levin im Rahmen seiner Forschung heraus. Der durchschnittliche Effekt beträgt rund 3 Prozent. Das ist auf den ersten Blick nicht viel – aber genug, um eine knappe Wahl in die gewünschten Bahnen zu lenken.