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Israel hat Atomgespräche mit Iran in Genf ausspioniert – doch der Schuss ging nach hinten los

Schwierige Verbündete: Benjamin Netanjahu und Barack Obama im Weissen Haus.
Schwierige Verbündete: Benjamin Netanjahu und Barack Obama im Weissen Haus.Bild: KEVIN LAMARQUE/REUTERS

Israel hat Atomgespräche mit Iran in Genf ausspioniert – doch der Schuss ging nach hinten los

Das Verhältnis zwischen Israel und den USA ist zerrüttet. Nun sorgt ein Medienbericht für neue Aufregung. Israel soll die Atomverhandlungen mit dem Iran bespitzelt haben, um sie zu sabotieren.
24.03.2015, 16:1525.03.2015, 10:44
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Das Klima zwischen US-Präsident Barack Obama und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist frostig. Persönliche Animositäten spielen dabei eine Rolle, ebenso der ungelöste Konflikt mit den Palästinensern. Kein Thema aber entzweit die Staatsmänner so stark wie das von Obama angestrebte Atomabkommen mit Iran. Netanjahu lehnt es vehement ab, er fürchtet, Israels Erzfeind könne damit nicht am Bau einer Atombombe gehindert werden.

Israel soll deshalb im letzten Jahr einen Lauschangriff auf die geheimen Verhandlungen der 5+1-Gruppe – bestehend aus den fünf UNO-Vetomächten und Deutschland – mit Teheran gestartet haben. Dies berichtet das «Wall Street Journal». Weitere Informationen habe Israel aus vertraulichen US-Briefings und von diplomatischen Kontakten in Europa erhalten. Ziel sei gewesen, Material gegen einen Atomdeal zu sammeln, sagten US-Regierungskreise.

Spionage in der Schweiz
Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm finden in Wien sowie am Genfersee statt. Derzeitiger Tagungsort ist Lausanne. Ausländische Geheimdienste können hier ziemlich unbesorgt spionieren. Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden bezeichnete Genf als «Welthauptstadt der Spionage». Er war einst selber im Solde der CIA dort stationiert. Die Schweizer Nachrichtendienste seien professionell, aber klein, «und sie stehen unter amerikanischem Einfluss», so Snowden kürzlich bei seinem zugeschalteten Auftritt am Filmfestival und Menschenrechtsforum in Genf.

Die USA kamen den Israelis schnell auf die Schliche, pikanterweise indem sie selber deren Kommunikation abhörten. Obwohl die beiden Staaten enge Verbündete sind, spionieren sie sich seit Jahrzehnten gegenseitig aus, und das intensiv. 1987 wurde der US-Nachrichtenoffizier Jonathan Pollard zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er Israel geheime Informationen geliefert hatte. Die US-Spionageabwehr müsse gegen keinen Alliierten so viele Ressourcen einsetzen wie gegen Israel, sagten Regierungsvertreter dem WSJ.

US-Aussenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Jawad Sarif verhandeln in Lausanne.
US-Aussenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Jawad Sarif verhandeln in Lausanne.Bild: BRIAN SNYDER/REUTERS

Die Bespitzelung an sich habe das Weisse Haus nicht so sehr empört wie die Tatsache, dass Israel mit den Infos ein Atomabkommen sabotieren wollte. «Es ist eine Sache, wenn sich die USA und Israel gegenseitig ausspionieren», sagte ein hoher US-Regierungsvertreter. «Es ist jedoch etwa ganz anderes, wenn Israel US-Geheimnisse stiehlt und sie an US-Parlamentarier weitergibt, um die US-Diplomatie zu untergraben.»

Lobbying im US-Kongress

Tatsächlich soll sich Ron Dermer, der israelische Botschafter in Washington, am 21. Januar mit Abgeordneten und Senatoren getroffen und sie über das angestrebte Abkommen informiert haben, etwa dass Iran weiterhin 6500 Zentrifugen zur Urananreicherung betreiben dürfe. Auf diese Weise sollte eine genügend grosse Mehrheit im Kongress entstehen, um den Deal blockieren oder abändern zu können. 

Netanjahu und Dermer seien sich bewusst gewesen, dass sie damit die Beziehungen zum Weissen Haus weiter beschädigen. Sie hätten dies aber als akzeptablen Preis empfunden, sagten israelische Regierungsvertreter dem «Wall Street Journal».

Netanyahu in Washington

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Netanyahu in Washington
Mit grossem Applaus und Jubelrufen ist Israels Premierminister Benjamin Netanyahu bei seinem Auftritt vor dem US-Kongress begrüsst worden.
quelle: ap/ap / andrew harnik
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Der scheidende israelische Aussenminister Avigdor Lieberman bestritt den Vorwurf nicht gänzlich – wohl aber, dass seine Geheimdienste die USA ausspionierten. Letzteres werde seit Jahrzehnten nicht gemacht, weder direkt noch indirekt. «Wir haben unsere Geheimdienstinformationen von anderen Quellen», sagte Lieberman in Israel. Es gebe genug Teilnehmer an den Atom-Verhandlungen, darunter die Iraner selbst.

Nicht genügend Stimmen

Der Schuss dürfte für Israel ohnehin nach hinten losgegangen sein. Das Lobbying von Ron Dermer und der von den Republikanern eingefädelte Auftritt von Benjamin Netanjahu vor dem Kongress sollen bei zahlreichen Demokraten einen Backlash erzeugt haben. Derzeit gebe es nicht genügend Stimmen für ein Gesetz, das ein Atomabkommen verhindern könnte, so das WSJ. Um ein Veto von Präsident Obama zu überstimmen, wäre eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

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Die Atomgespräche scheinen auf gutem Weg zu sein. Sowohl der iranische Präsident Hassan Ruhani als auch die Vertreter der 5+1-Gruppe äusserten sich Ende letzter Woche optimistisch, eine diplomatische Lösung sei in Reichweite. Bis Ende März soll eine politische Grundsatzvereinbarung zustande kommen. Danach wird bis Anfang Juli ein vollständiges Abkommen samt den technischen Einzelheiten angestrebt. Es soll Iran die zivile Nutzung der Atomtechnologie erlauben, ihm aber die Möglichkeit nehmen, Atomwaffen zu entwickeln. 

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