Ein junger, dynamischer Kandidat und ein unpopulärer, skandalträchtiger Präsident: Die Voraussetzungen waren günstig für die Demokraten, um bei einer Nachwahl für einen Sitz im US-Repräsentantenhaus einen symbolträchtigen Sieg zu erringen. Er sollte ihnen Rückenwind verleihen für die Eroberung der Mehrheit bei den Kongresswahlen im November 2018.
Der Wahlkreis in den wohlhabenden Vororten der Metropole Atlanta musste neu besetzt werden, weil der bisherige Abgeordnete Tom Price zum Gesundheitsminister ernannt worden war. Mit Jon Ossoff setzten die Demokraten auf einen erst 30-jährigen Newcomer. Sie unterstützten seinen Wahlkampf mit rund 25 Millionen Dollar. Die Republikaner hielten mit einer ähnlichen Summe dagegen, was die Wahl zur teuersten überhaupt für das Repräsentantenhaus machte.
Am Ende ging Ossoff leer aus, er unterlag der 55-jährigen Republikanerin Karen Handel. Sie verteidigte den Sitz, den ihre Partei seit fast 40 Jahren gehalten hatte, mit knapp vier Prozent Vorsprung. Am gleichen Tag verloren die Demokraten auch eine Nachwahl in South Carolina. Zuvor hatten sie bereits zwei Gelegenheiten in den Staaten Kansas und Montana verpasst.
Bei diesen Wahlkreisen handelt es sich um republikanische Hochburgen. Die Demokraten verloren relativ knapp und konnten sich zumindest als «moralische Sieger» fühlen. In die Wahl in Georgia aber hatten sie grosse Hoffnungen gesetzt. Solche Distrikte mit einer gut ausgebildeten, wohlhabenden Wählerschaft wollen sie im Herbst 2018 bevorzugt angreifen.
Die «Hauptprobe» ging gründlich schief, Jon Ossoffs Rückstand auf Karen Handel war grösser als jener von Hillary Clinton gegen Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl (1,5 Prozent). Die «New York Times» bezeichnete die Niederlage als «demoralisierend». Man dürfe sie nicht beschönigen, sie sei «ein schlechtes Vorzeichen für die Demokraten», so das Portal Vox.
Was sind die Gründe dafür?
Donald Trumps Beliebtheitswerte mögen sich auf einem Rekordtief befinden, sein Benehmen ist alles andere als präsidial. Dennoch sind die Republikaner (noch) nicht bereit, ihn fallenzulassen. Das gilt nicht nur für die Hardcore-Fans, die ihm bedingungslos ergeben sind, sondern auch für moderate Wähler wie jene in den gut situierten Vororten von Atlanta.
I am being investigated for firing the FBI Director by the man who told me to fire the FBI Director! Witch Hunt
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 16. Juni 2017
In der rechten Medienwelt ist die Russland-Affäre eine «Hexenjagd», wie Trump sie selber nennt. Karen Handel verhielt sich zudem geschickt, sie erwähnte den Namen Trump so gut wie nie. Sie stempelte stattdessen ihren demokratischen Gegner als Linksaussen ab, der die Steuern erhöhen wolle. Diese Botschaft verfängt bei vielen Republikanern noch immer.
Amerikas Wirtschaft läuft auf Hochtouren, die Arbeitslosigkeit ist so tief wie nie mehr seit 2001. Zwar zeichnen sich erste Bremsspuren ab, und längst nicht alle Amerikaner haben in gleichem Mass vom Aufschwung profitiert. Doch eine solche Wirtschaftslage nützt in der Regel dem amtierenden Präsidenten, auch wenn er wie im Fall von Donald Trump erst seit fünf Monaten an der Macht ist.
Die Schiesserei auf einem Baseballfeld in einem Vorort von Washington von letzter Woche, bei der der republikanische Abgeordnete Steve Scalise lebensgefährlich verletzt wurde, hat seiner Partei einen Steilpass geliefert. Denn beim 66-jährigen Täter soll es sich um einen Trump-Hasser und Anhänger von Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders gehandelt haben.
Eine rechte Gruppierung produzierte einen Fernsehspot, der Jon Ossoff mit der Schiesserei in Verbindung brachte. Eine Sprecherin von Karen Handel verurteilte den Clip als «verstörend und widerlich», ohne allerdings den Verzicht auf seine Ausstrahlung zu verlangen.
Seit dem Wahlsieg von Donald Trump haftet den Demokraten das Image einer elitären Latte-Macchiato-Partei an, die die Sorgen und Nöte der einfachen Amerikaner nicht versteht. Eine Korrektur gelang ihnen bislang nicht. So räumte Hillary Clinton eigene Fehler nur zögerlich ein. Lieber machte sie die russischen Hacker und Wikileaks für ihre Wahlniederlage verantwortlich.
Einmal mehr zeigt sich: Trotz aller negativen Berichte und unvorteilhaften Enthüllungen geniesst Donald Trump noch immer einen beträchtlichen Rückhalt bei seiner Basis. Die Wahlerfolge der Republikaner machen auch ein Impeachment sehr unwahrscheinlich. Bislang ist kein wirklich belastendes Material gegen Trump aufgetaucht. Er könnte länger im Amt bleiben, als man denkt.