Nachwuchsprobleme hatte die chinesische Volksbefreiungsarmee schon bei ihrer Gründung vor 90 Jahren. Doch während die jungen Soldaten damals unter Hunger und Mangelernährung litten und viele von ihnen so klein und schmächtig waren, dass sie nicht einmal die schweren Gewehre halten konnten, haben sich die Gründe in modernen Zeiten umgekehrt: Heute sind viele junge Männer in China zu fett.
Der Überkonsum von Softdrinks, Computerspielsucht und sogar zu viel Masturbation werden in einem Bericht der militäreigenen Tageszeitung als Hauptgründe genannt, warum viele junge Männer den Ansprüchen der grössten Armee der Welt nicht genügen. Der Gesundheitszustand von vielen jungen Männern sei «alarmierend», wird ein ranghoher Offizier in dem Bericht zitiert. In einer nicht näher benannten Stadt in China hätten 56,9 Prozent der überprüften jungen Männer die Tauglichkeitsprüfung nicht bestanden, heisst es weiter.
Die Armeeleitung hat am 19. August auf der in China weitverbreiteten Kurznachrichtenplattform WeChat insgesamt zehn Gründe aufgeführt, warum so viele potenzielle Rekruten in der nicht näher benannten Stadt den Test nicht bestanden hatten. 25 Prozent der Bewerber scheiterten beim Blut- und Urintest. Sie hätten zu viel Alkohol und zu viele zuckerhaltige Getränke getrunken. Insgesamt jeder Fünfte werde wegen Übergewicht abgelehnt.
46 Prozent der Kandidaten fielen zudem beim Sehtest durch, weil sie zu viel auf ihre Smartphones und andere elektrische Geräte schauten. Aus dem gleichen Grund weisen 13 Prozent Schlafmangel auf; sie hätten einen zu hohen Blutdruck. Zudem würden junge Männer in China zu viel sitzen und sich nicht ausreichend bewegen. 8 Prozent würden wegen vergrösserter Hodenvenen abgelehnt. Dieses Problem ergebe sich durch zu viel Selbstbefriedigung, heisst es in dem Bericht. Doch auch wer übergrosse Tätowierungen hat, könne nicht von der Armee aufgenommen werden. Das würde den moralischen Grundwerten widersprechen.
Die angeblich zu dicken Hodenvenen sorgten in den chinesischen sozialen Medien für besonders viel Spott. «Nächstes Jahr werden wir zur Beschneidung gebeten», machte sich ein Nutzer über den von der Militärführung angeführten Grund lustig. Ein anderer fordert, die Anzahl und Formen von Leberflecken zum Kriterium zu nehmen. Die Aufnahmekriterien für die grösste Armee der Welt müssten streng bleiben, rechtfertigt sich hingegen die Heeresleitung in einer offiziellen Erklärung.
Doch es finden sich auch besorgte Nutzer. «Was ist bloss aus dem Gesundheitsbewusstsein unserer Jugend geworden?», fragt sich einer. Ein weiterer hält die heutige Jugend in China für zu verwöhnt und faul. Insbesondere der Computerspielesucht müsse ein Riegel geschoben werden.
Erst vor wenigen Wochen sorgte das auch unter chinesischen Soldaten weitverbreitete Smartphone-Spiel «King of Glory» in den chinesischen Medien für Schlagzeilen. Das Spiel würde den Dienst der chinesischen Soldaten massiv einschränken, warnte die gleiche Tageszeitung der Volksbefreiungsarmee, die nun auch die Fettleibigkeit des potenziellen Nachwuchses kritisiert. Es gebe ein «erhöhtes Sicherheitsrisiko, wenn unsere Streitkräfte sich ständig von diesem Spiel ablenken lassen», heisst es. «King of Glory» hat landesweit bis zu 80 Millionen Nutzer am Tag. Selbst ein Verbot des Spiels in den Kasernen werde in Erwägung gezogen.
Es kursiert allerdings die Vermutung, dass Chinas Militärführung derzeit bewusst den angeblich so miserablen Zustand der Jugend in den Vordergrund rückt, um von den internen Problemen abzulenken. Schon länger häufen sich Beschwerden der Soldaten über die miese Bezahlung, den miserablen Zustand der Kasernen und das schlechte Essen.
Chinas Staatschef Xi Jinping, der zugleich Oberster Befehlshaber der Volksbefreiungsarmee ist, hatte bei seinem Amtsantritt im Jahr 2012 angekündigt, die chinesische Armee zu einer der modernsten und schlagkräftigsten Armeen der Welt umzubauen. Dazu gehört für ihn allerdings auch der Personalabbau von derzeit über zwei Millionen Streitkräfte auf rund die Hälfte. Bleibt der Nachwuchs wegen Faulheit und Fettleibigkeit aus, ist das zumindest ein Schritt zu diesem Ziel.