International
Deutschland

Auf Anhieb 14 Prozent für AfD bei Berliner Landtagswahlen – SPD bleibt stärkste Kraft

Top candidate of the anti-immigration party Alternative for Germany (AfD) Georg Pazderski and AfD co-leader Joerg Meuthen (L)react after first exit polls of the Berlin city-state elections, Germany Se ...
Jubel bei Georg Pazderski und Jörg Meuthen: Die AfD mischt auch in Berlin die Politik-Landschaft auf.Bild: FABRIZIO BENSCH/REUTERS

Auf Anhieb 14 Prozent für AfD bei Berliner Landtagswahlen – SPD bleibt stärkste Kraft

Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin haben die regierenden Sozial- und Christdemokraten deutlich Stimmen verloren. Die rechtspopulistische AfD, die zum ersten Mal antrat, erreichte 14 Prozent.
18.09.2016, 18:1019.09.2016, 06:13
Mehr «International»

In Berlin zeichnet sich Deutschlands erstes Regierungsbündnis von SPD, Linken und Grünen unter Führung der Sozialdemokraten ab. Nach dem vorläufigen Endergebnis gewann die SPD am Sonntag die Wahl zum Abgeordnetenhaus vor ihrem bisherigen Koalitionspartner CDU.

Die früheren Volksparteien verloren zusammen über zwölf Prozentpunkte und fuhren ihr jeweils schlechtestes Nachkriegsergebnis in Berlin ein. Die SPD kann zwar weiter regieren, muss sich aber zwei Partner suchen. Zweierbündnisse haben keine Mehrheit mehr.

epa05546462 Election staff empty the ballot boxes in the vote for the new Berlin House of Representatives in Berlin, Germany, 18 Septemeber 2016. EPA/MONIKA SKOLIMOWSKA
Nach der Auszählung ist klar: Die bisher regierenden SPD und CDU verlieren je über fünf Prozent.Bild: EPA/DPA

Die früheren Volksparteien verloren zusammen über zwölf Prozentpunkte und fuhren ihr jeweils schlechtestes Nachkriegsergebnis in Berlin ein. Die SPD kann zwar weiter regieren, muss sich aber zwei Partner suchen. Zweierbündnisse haben keine Mehrheit mehr.

«Natürlich brechen wir nicht in Jubel aus bei dem Ergebnis.»
SPD-Chef Sigmar Gabriel

Noch 21,6 Prozent für die SPD

Nach dem vorläufigen Endergebnis erreichte die SPD 21,6 Prozent (2011: 28,3). Die Union kam mit 17,6 Prozent auf Platz zwei (2011: 23,3). Die Linkspartei landete mit 15,6 Prozent auf Platz drei (2011: 11,7) und überflügelte knapp die Grünen, die 15,2 Prozent verbuchten (2011: 17,6).

Die AfD kam auf 14,2 Prozent und sitzt nun in 10 von 16 Landesparlamenten. Die Rechtspopulisten holten fünf Direktmandate. Die FDP kehrt mit 6,7 Prozent ins Parlament zurück (2011: 1,8). Erwartungsgemäss flogen die Piraten mit 1,7 Prozent (2011: 8,9) raus.

Die Sitzverteilung sieht nach den letzten Hochrechnungen so aus: SPD 35 Sitze, CDU 29, Linke 26, Grüne 25, AfD 23, FDP 11 Sitze. Die Wahlbeteiligung war mit 66,9 Prozent deutlich höher als 2011 (60,2 Prozent).

Bild
bild: zdf

Links legt zu

Fünf Parteien nur 7,4 Prozentpunkte auseinander – so eng wie jetzt in Berlin lagen in Deutschland noch nie so viele Parteien bei einer Landtags- oder Bundestagswahl zusammen. Die Linke legte als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien zu. Die Grünen blieben unter ihrem Rekordergebnis von 2011. Beide Parteien stehen für ein Bündnis mit der SPD bereit.

Parallel wurden die Kommunalparlamente in den zwölf Bezirken gewählt, die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Die AfD hat nach den Wahlergebnissen dort einen rechnerischen Anspruch auf fünf Stadtratsposten. Diese Ämter würden ihr bundesweit erstmals im Zuge einer Wahl konkrete Verwaltungsmacht verleihen.

Für die CDU von Kanzlerin Angela Merkel, deren Flüchtlingspolitik auch in der Union selbst umstritten ist, markiert der Sonntag die Fortsetzung einer Negativ-Serie: Bei allen Landtagswahlen in diesem Jahr verlor die Partei Stimmen.

«Mehr Schnittmengen mit Grünen und Linken»

Die SPD, die im Bund mit CDU/CSU regiert, sackte in Berlin allerdings mit knapp sieben Prozentpunkten noch stärker ab als die Union. Noch nie in Deutschland hatte ein Sieger bei Landtagswahlen ein so mageres Ergebnis.

SPD-Spitzenkandidat Michael Müller, dessen Partei seit 15 Jahren den Regierenden Bürgermeister im Roten Rathaus stellt, kündigte Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung mit allen Parteien ausser der AfD an. Er fügte hinzu: «Ich sehe mehr Schnittmengen mit Grünen und Linken.» SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte: «Berlin bleibt sozial und menschlich anständig.»

CDU-Spitzenkandidat und bisheriger Innensenator Frank Henkel lehnte einen Rücktritt ab. Seine Partei stehe für Sondierungsgespräche bereit.

epa05546499 The Governing Mayor of Berlin and leading candidate Michael Mueller (3-R) is cheered by the SPD party leader Sigmar Gabriel (3-L) and the deputy national chairman Manuela Schwesig 
as the ...
Verhaltener Jubel beim regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD).Bild: EPA/DPA
epa05546403 Georg Pazderski (L), State Chairman and Lead Candidate for Alternative for Germany (AfD) is surronded by the press at the election party for the vote of the Berlin House of Representatives ...
Ganz anders die Gefühlslage an der AfD-Wahlparty: Die rechtspopulistische Partei um ihren Spitzenkandidaten Georg Pazderski erreichte auf Anhieb ein zweistelliges Ergebnis.Bild: EPA/DPA

Grüne erheben Anspruch

Grünen-Chef Cem Özdemir sieht einen Regierungsauftrag für seine Partei. «Die Leute wollen eine seriöse Regierung, wir können das.» Die Grünen könnten in Berlin erstmals seit 2002 wieder an die Macht kommen. Eine Koalition mit der CDU lehnten sie ab.

«Wir brauchen jetzt eine bessere Politik, deswegen stehen wir jetzt bereit»
Grünen-Chefin Simone Peter

Linken-Vorsitzende Katja Kipping wertete das Abschneiden ihrer Partei als grossartiges Signal. «Das macht Mut für linke Mehrheiten.» In Berlin hatte die Partei bereits von 2002 bis 2011 als Juniorpartner mit der SPD zusammen regiert. Für FDP-Generalsekretärin Nicola Beer hat eine Regierungsbeteiligung der Liberalen keine Priorität.

Niemand will mit AfD

AfD-Vize Beatrix von Storch sagte, ihre Partei sei auf direktem Weg in den Bundestag. Mit der AfD will keine der anderen Parteien zusammenarbeiten. Im Abgeordnetenhaus sitzen künftig sechs Parteien. Das gibt es noch in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg.

Die Berliner SPD verdankt ihren Wahlsieg nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen Müller und der Schwäche der CDU. Müller, für den es die erste Wahl war, habe die höchste Reputation aller Kandidaten. Die SPD geniesse soziale Kompetenz. Müller war erst vor knapp zwei Jahren auf Klaus Wowereit gefolgt. Die Berlin-CDU habe neben personellen Defiziten ein Imageproblem. 

Wohl ein Dreierbündnis

Der SPD-Spitzenkandidat hatte das Amt erst 2014 in der laufenden Wahlperiode nach dem Rücktritt des langjährigen Bürgermeisters Klaus Wowereit übernommen. Nach den ersten Trends ist nun ein Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei die für Berlin wahrscheinlichste Regierungsoption.

Führende Grünen-Vertreter erklärten bereits kurz nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen ihre Bereitschaft zum Eintritt in die Landesregierung. «Wir brauchen jetzt eine bessere Politik, deswegen stehen wir jetzt bereit», sagte Bundesparteichefin Simone Peter.

Zurückhaltender äusserten sich Vertreter der Linken. Bundesparteichefin Katja Kipping hob die Stimmengewinne ihrer Partei hervor. «Heute freuen wir uns, ab morgen reden wir darüber, wer mit wem worüber spricht», sagte die Berliner Landeschefin Katrin Lompscher.

Stimmungstest

Die Wahl in Berlin galt auch als Stimmungstest ein Jahr vor den nationalen Wahlen im September 2017. Bei den bisherigen Landtagswahlen in diesem Jahr in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im März sowie in Mecklenburg-Vorpommern Anfang September hatten die Volksparteien CDU und SPD zum Teil ebenfalls deutliche Verluste erlitten.

Vor der Bundestagswahl stehen nächstes Jahr noch Landtagswahlen im Saarland (März), Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen (Mai) an. (cma/wst/sda/dpa/afp)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
52 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
JJ17
18.09.2016 18:21registriert August 2014
Sieht langsam düster aus für Frau Merkel...
7312
Melden
Zum Kommentar
avatar
amazonas queen
18.09.2016 22:05registriert September 2014
Die Piraten haben sich sauber selbst versenkt. Aus knapp 9% runter unter 2%.
292
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mehmed
19.09.2016 00:02registriert Januar 2016
Wir schaffen das *gesichteinschlaf*
266
Melden
Zum Kommentar
52
Nex Benedict: Behörden sehen Tod als Suizid – keine Anklage
Sieben Wochen nach dem Tod des nicht-binären Teenagers Nex Benedict liegt der Polizei-Autopsiebericht vor. Im Blut wurde ein Mix aus Medikamenten gefunden.

Nex Benedict, ein nicht-binärer 16-jähriger Teenager der Owasso High School, starb am 10. Februar, einen Tag nach einer Schlägerei in einer Schultoilette mit drei Mädchen. Der nun veröffentlichte staatliche Autopsiebericht kommt zu dem Schluss, dass es ein Suizid war. Menschenrechtsgruppen protestieren, dass die Folgen des langjährigen Mobbings ausser Acht gelassen werden, das Nex erlebte.

Zur Story