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Ein «Moment der Wahrheit» – EU quo vadis?

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Angela Merkel steht der Presse Red' und Antwort: Drei Monate nach dem Brexit-Votum haben sich die verbleibenden 27 EU-Staaten getroffen, um über die Zukunft der EU zu beraten.Bild: FILIP SINGER/EPA/KEYSTONE

Ein «Moment der Wahrheit» – EU quo vadis?

16.09.2016, 21:2817.09.2016, 09:42
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Drei Monate nach dem Brexit-Votum der Briten haben sich die verbleibenden 27 EU-Staaten getroffen, um über die Zukunft der EU zu beraten. Mit einer «Roadmap» wollen sie der in der Krise steckenden EU positive Impulse geben und das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen.

«Der Geist von Bratislava war ein Geist der Zusammenarbeit», sagte die deutsche Kanzlerin Merkel nach dem Gipfeltreffen am Freitag in Bratislava bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem französischen Präsidenten François Hollande.

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Ein Geist der Zusammenarbeit? Angela Merkel nach dem EU-Gipfeltreffen am Freitag in Bratislava. Bild: Ronald Zak/AP/KEYSTONE
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Geschlossenheit demonstrieren

Bereits vor dem Treffen hatten sich die EU-Chefs versöhnlich gezeigt. «Wir alle wollen Geschlossenheit zeigen», sagte Robert Fico, slowakischer Ministerpräsident und Gipfel-Gastgeber.

Die deutsche Kanzlerin sagte ihrerseits: «Es geht darum, durch Taten zu zeigen, dass wir besser werden können.» Denn ähnlich wie auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede am Mittwoch zur Lage der Union sieht sie die EU in einer «kritischen Situation».

Der belgische Ministerpräsident Charles Michel bezeichnete den Gipfel als «Moment der Wahrheit». Und Hollande forderte neue Impulse für die EU.

Das informelle Gipfeltreffen in Bratislava war nach der Brexit-Abstimmung der Briten angesetzt worden, damit die verbleibenden 27 EU-Staaten ihr weiteres Vorgehen besprechen können. «Wir wollen alle zeigen, dass das EU-Projekt weitergeht», sagte Fico.

Kleinster gemeinsamer Nenner

Ziel des Gipfels war daher, sich auf Bereiche zu einigen, die unbestritten sind und in denen schnell für die EU-Bürger sichtbare Fortschritte erzielt werden können. Merkel sprach von guten und konstruktiven Beratungen.

Breite Zustimmung gab es gemäss der Kanzlerin bei der Stärkung der inneren und äusseren Sicherheit. Dazu zählt etwa der bessere Schutz der EU-Aussengrenze – dies auch mit Blick auf die anhaltende Migration. Auch Fluchtursachen sollen noch stärker bekämpft werden.

Gemäss der «Roadmap» soll zudem analog zum ESTA-System in den USA ein Registrierverfahren für EU-Reisende aufgebaut werden. Damit soll kontrolliert werden, wer sich in der EU aufhält. Und auch der Vorschlag von Deutschland und Frankreich für ein gemeinsames Hauptquartier für EU-Missionen stiess auf positives Echo.

Belgian Prime Minister Charles Michel arrives for the European Union summit- the first one since Britain voted to quit- in Bratislava, Slovakia, September 16, 2016. REUTERS/Yves Herman
Charles Michel, belgischer Ministerpräsident, bezeichnet den EU-Gipfel als «Moment der Wahrheit».Bild: YVES HERMAN/REUTERS

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Weitere wichtige Prioritäten sahen die EU-Chefs in der Stärkung der Wirtschaft einschliesslich der Schaffung von Arbeitsplätzen. Dies vor allem auch mit Blick auf die jungen Europäer, denen eine Perspektive geboten werden soll.

Die EU-Chefs sind sich gemäss Merkel einig, dass «wir ohne die europäische Einigung diese Ziele nicht werden erreichen können. Jedenfalls bei weitem nicht so gut erreichen können, wie wir das jetzt gemeinsam können.»

Viel Arbeit im Vorfeld

Um die Ziele zu erreichen, hatten bereits im Vorfeld viele Gespräche stattgefunden. So etwa trat EU-Ratspräsident Donald Tusk wie auch Merkel mit allen anderen Staats- und Regierungschefs in Kontakt. Zudem tagte der so genannte «Club Med», bestehend aus Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Zypern und Malta, vor dem Gipfel und forderte ein neues Wachstumsprogramm.

Die vier Visegrád-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien sowie die Slowakei stimmten ebenfalls ihre Positionen ab. In einer Erklärung am Gipfel bekannten sie sich zur EU, plädierten aber für eine «flexiblere Solidarität» in der Migrationspolitik. Denn sie lehnen die Einführung fixer Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen in Europa ab. So schlugen sie vor, dass wer weniger Flüchtlinge aufnimmt, dafür mehr für den gemeinsamen Grenzschutz tun könnte.

Im August schliesslich gab es noch einmal ein Treffen zwischen Merkel, Hollande und dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi. Und am Donnerstag reiste die deutsche Kanzlerin nach Paris zur Abstimmung der deutsch-französischen Position.

Migrants and refugees fleeing Libya on board of a wooden boat sail at the Mediterranean sea toward the Italian coasts, about 17 miles north of Sabratha, Libya, Sunday, Aug. 28, 2016. European nations  ...
Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer kurz vor der italienischen Grenze. Bild: Emilio Morenatti/AP/KEYSTONE

Sichtbare Fortschritte bis März

Nach diesem EU-Gipfel liegen nun laut Merkel «Monate intensiver Arbeit vor uns». Anfang 2017 wollen die 27 EU-Chefs in Malta dann erneut zusammenkommen. Schon im März, bei der 60-Jahr-Feier zur Unterzeichnung der Römischen Verträge in Rom, sollen bereits sichtbare Fortschritte vorliegen.

«Die EU ist nicht perfekt, aber sie ist das beste Instrument, das wir haben, um den Herausforderungen vor uns zu begegnen», heisst es in der Abschlusserklärung der EU-Chefs.

Es gab aber auch Kritik am Gipfel. «Ein Schritt vorwärts, aber ein kleiner, sehr kleiner», twitterte Italiens Regierungschef Matteo Renzi. Ein gemeinsamer Auftritt mit Merkel und Hollande nach dem Gipfel sei unmöglich gewesen, weil für ihn das Ergebnis kein Erfolg sei. Der rechts-konservative ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bezeichnete den Gipfel als erfolglos, weil «es nicht gelungen ist, die Einwanderungspolitik Brüssels zu ändern».

Der Brexit selbst war kein offiziell traktandiertes Thema am Gipfel, ist aber beim Arbeitsessen auf einem Donau-Kreuzfahrtschiff zur Sprache gekommen, wie es aus Diplomatenkreisen hiess. (hot/sda)

Demonstration gegen den Brexit

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Demonstration gegen den Brexit
Demonstranten zeigen in London klar Flagge für die EU.
(Bild: REUTERS/Luke MacGregor)
quelle: x01981 / luke macgregor
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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ürsu
17.09.2016 04:52registriert Juni 2015
Dass die EU erst jetzt über einen Schutz der Aussengrenzen nachdenkt, ist ein Armutszeugnis. Das hätte gleichzeitig mit der Öffnung der Grenzen in Europa geschehen müssen.
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zorrofarblos
16.09.2016 21:46registriert März 2014
Ich empfehle zu dem Thema die aktuelle Folge von "Die Anstalt"
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