Und zack, ist wieder eine weg. Netflix macht jetzt enorm kurzen Prozess. Was nicht läuft und obendrein mager bis mies rezensiert wird, wird abserviert. Nach nur einer Staffel. Soeben geschehen mit den Serien «Gypsy», «Girlboss» und «The Get Up».
Früheren erfolglosen Eigenproduktionen liess Netflix wenigstens noch drei («Hemlock Grove») oder zwei («Sense8») Staffeln Zeit zum Sterben, jetzt scheint die Geduld des Streaming-Dienstes sehr zügig an ihrem Ende anzulangen. Fehlt Netflix das Geld für anspruchsvolle kreative Experimente? Nicht unbedingt. Die radikal eigensinnige Mystery-Serie «The OA» von Multitalent Brit Marling spricht vehement dagegen.
Netflix-CEO Reed Hastings sagte neulich in einem Talk mit dem «Independent»:
Und so weiter. Ist dem Mann zu trauen oder ist das nur die nett ambitionierte Fassade vor der knallharten Wahrheit der Zahlen? Sagen wir so: Im Fall der folgenden drei Eigenproduktionen hat er recht. Leider sind sie – überhaupt nicht grandios – gescheitert.
Oje, oje. Dabei hätte das «psychosexuelle» Drama Potential gehabt: Naomi Watts spielt nämlich eine Therapeutin, die in ihrer Freizeit ihre eigenen Klienten stalkt, ihren Mann betrügt und allgemein für viele Menschen viele Therapiestunden unabdingbar macht. Zudem ist Watts – wie parallel dazu in «Twin Peaks» zu sehen – eine Zierde ihrer Zunft. Das wäre jedenfalls die Theorie.
Doch dann kommt's noch schlechter als in einem Schweizer «Tatort», und die Dialoge (von Lisa Rubin) treten restlos jedes Geheimnis gnadenlos und mindestens dreimal breit. Spannung, Erotik, jegliche Ambition versinken so in einem drögen Brei aus Banalitäten und zäher Langeweile. Und Sam Taylor-Johnson beweist noch dramatischer als schon in «Fifty Shades», dass sie als Regisseurin ganz einfach sackschlecht ist.
Das Ende von «Gypsy» wird Mitte August verkündet.
Auch hier war die Ausgangslage interessant: Das Leben einer real existierende Frau mit Internetkarriere wird zur Serie. Die Frau hatte eine beschissene Jugend, lebte eine Weile von den Dingen, die sie in New Yorks Mülltonnen fand, und wurde schliesslich zur Betreiberin eines Online-Shops für Vintage-Mode. Bevor ihr Shop bankrott ging.
Leider wurde die Frau zum nervigsten und plattesten aller Serien-Mädchen umgebaut und ihre Geschichte zu einer Comedy-Nummer verflacht. Die überdies nicht vom Fleck kommt. Kein bisschen. Der Erfolg? Blieb aus.
«Girlboss» stirbt Ende Juni.
Die Erwartungen waren irr: Regiegott Baz Luhrmann («Romeo + Juliet», «Moulin Rouge», «The Great Gatsby») macht eine Serie! Über die Anfänge von HipHop in New York! Netflix gibt Luhrmann 120 Millionen Dollar, das bis dahin höchste Budget (wir befinden uns noch vor dem «The Crown»-Dreh und seinen 200 Millionen Dollar). Luhrmann überzieht, finanziell und zeitlich und kommt schliesslich zur Erkenntnis, dass er doch viel lieber Filme macht. Alle sind total abgenervt.
Und dann? Will das Ding einfach niemand sehen. Emily Nussbaum, die komplett seriensüchtige Kritikerin des «New Yorker», die jedem hinterletzten neuen Mehrteiler noch etwas Nettes abzugewinnen vermag, schreibt: «Der Pilot ist wirklich schrecklich. Aufgeblasen und selbstgefällig, abwechselnd verworren und allzu deutlich. Die nächsten drei Folgen sind auch nicht grossartig ...» Und so weiter und so fertig.
«The Get Down» geht Ende Mai für immer unter.
Da finde ich all diese gefühlten 1000 Comics-Verfilmungs-Serien um Welten schlechter.