International
Frankreich

Protestanten, Juden und Moslems wollen Macron – nur Katholiken hadern mit ihm

epa05939310 French presidential election candidate for the 'En Marche!' (Onwards!) political movement, Emmanuel Macron waves to supporters after delivering a speech during a rally in Paris,  ...
Wie halten es die Religionen in Frankreich mit Emmanuel Macron? Eine einheitliche Linie gibt es nicht.Bild: IAN LANGSDON/EPA/KEYSTONE

Protestanten, Juden und Moslems wollen Macron – nur die Katholiken hadern mit ihm

Protestanten, Juden und Moslems rufen gemeinsam zur Wahl von Emmanuel Macron auf. Den in Frankreich dominierenden Katholiken gelingt hingegen keine einheitliche Position.
07.05.2017, 04:5907.05.2017, 16:49
Stefan Brändle / Schweiz am Wochenende
Mehr «International»

«Damit Frankreich grosszügig, tolerant und weltoffen bleibt», sei Emmanuel Macron zu wählen: Das haben der Grossrabbiner Haïm Korsia, Pastor François Clavairoy und der muslimische Kultusvorsteher Anouar Kbibech in einer gemeinsamen Erklärung festgehalten. Der Appell der drei Konfessionen, die in Frankreich zusammen rund sieben Millionen Wähler repräsentieren, steht im Gegensatz zur Haltung der Bischofskonferenz.

Das Führungsgremium der etwa 40 Millionen französischen Katholiken (von 65 Millionen Einwohnern) verzichtet auf eine Wahlempfehlung. Diese Neutralität liegt formell auf der bisherigen Linie, welche die Wähler für reif genug hält, den politischen Gewissensentscheid selber zu fällen.

Jetzt auf

Im Jahr 2002, als Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl vorgestossen war, hatte die Bischofskonferenz zwar auch keine Empfehlung abgegeben. Namhafte Bischöfe sprachen sich aber damals gegen das «totalitäre und antichristliche Erbe» des Front-National-Gründervaters aus.

Auch jetzt wenden sich einzelne Stimmen wie Kardinal Philippe Barbarin gegen den «gefährlichen Nationalismus». Der Präsident der Bischofskonferenz, Georges Pontier, weigert sich aber weiter, Stellung zu beziehen. Die der Konferenz nahestehende Theologin Monique Baujard fragte in der katholischen Zeitung «La Croix»: «Haben wir es wirklich nötig, uns von den Bischöfen an der Hand in die Wählerkabine geleiten zu lassen?»

Weder – noch

So berechtigt die Frage ist, kaschiert sie doch eine gewisse Verlegenheit über den Umstand, dass der «vote catholique» in dieser Stichwahl alles andere als einheitlich ist. Im ersten Wahlgang hatten sich die praktizierenden Katholiken mehrheitlich hinter den Konservativen François Fillon geschart. Die Unterschiede brechen erst jetzt auf.

Die Bischöfe erinnern zwar an das republikanische Gebot der Brüderlichkeit, das für die Migranten und für Europa spricht – und damit eigentlich für Macron. Die konservative Vereinigung «Sens commun», die für Fillon Kampagne gemacht hatte, und die kleine christdemokratische Partei PCD haben aber die Parole «ni-ni» (weder – noch) herausgegeben. Die einflussreiche Bewegung gegen die Homo-Ehe hat sogar klar gegen Macron Stellung bezogen, weil dieser die Adoption von ausländischen Leihmutter-Kindern zulassen will.

Die katholische Ex-Ministerin Christine Boutin ruft gar offen zur Wahl Le Pens auf, weil diese die christlichen gegen die islamischen Werte hochhalte und die Homo-Ehe einschränken wolle. Diese sehr unterschiedlichen Positionen dürften dazu beigetragen haben, dass die Bischofskonferenz bei ihrer Neutralität bleibt, auch wenn das katholische Hausblatt «La Croix» daran Kritik übt.

epa05566787 Archibishop of Rouen Dominique Lebrun holds a cross in front of a procession before a Catholic mass celebrated for the re-opening of the Saint Etienne church in Saint-Etienne-du-Rouvray, n ...
Gewalt stellt die Katholiken auf die Probe: Gottesdienst in Saint-Etienne, wo im vergangenen Oktober ein Priester Opfer eines «IS»-Anschlags wurde.Bild: CHRISTOPHE PETIT TESSON/EPA/KEYSTONE

Die kleineren Konfessionen rufen indes auch nicht aus einheitlichen Motiven zur Wahl Macrons auf. Bei den schätzungsweise 600'000 französischen Juden spielt mit, dass Macron gegen den Boykott von Produkten aus israelischen Siedlungsgebieten ist und vonseiten Frankreichs keinen diplomatischen Druck auf eine Zweistaatenlösung im Nahen Osten ausüben will.

Die knapp zwei Millionen Protestanten (genaue Zahlen gibt es nicht, da ethnische und religiöse Statistiken in Frankreich verboten sind) gehören zu den gut gebildeten und urbanen Bevölkerungskategorien, die laut Wähleranalysen bis zu vier Fünftel für den liberalen Ex-Minister einlegen.

Für «toleranten Laizismus»

Die vier bis fünf Millionen Muslime sind vehement gegen die fremdenfeindliche Le Pen und schätzen an Macron dessen Einstehen für die Chancengleichheit. Anders als Le Pen will er das islamische Kopftuch zudem nicht von der Universität verbannen (an den Schulen ist es bereits verboten). Im ersten Wahlgang hatten sich trotzdem viele Immigranten eher für den Linken Jean-Luc Mélenchon entschieden.

Ein gemeinsamer Punkt schart alle Konfessionen inklusive die Katholiken hinter Macron: Der 39-jährige Präsidentschaftsfavorit tritt für einen «toleranten» Laizismus ein und will die Religionen nicht strikt in die Privatsphäre verbannen. «Die Religionen», so meinte er im Wahlkampf, «haben in der öffentlichen Debatte eine Rolle zu spielen und sollen daran teilnehmen.» Das dürfte ihm einige Stimmen gläubiger Franzosen eintragen, auch wenn er selbst noch kaum je eine Messe besucht haben dürfte.

(aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
4 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
4
Sicherheitspanne bei Europol: Personalakten an öffentlichem Ort gefunden

Personalakten hochrangiger Mitarbeiter von Europol sind in Den Haag nach Medienberichten an einem öffentlichen Ort gefunden worden. Eine Sprecherin der EU-Polizeibehörde bestätigte am Donnerstag den Vorfall.

Zur Story