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«Desaster», «schrecklicher Fehler», «Katastrophenwahl» – das sagt die Presse

Briten-Wahl: Desaster für May – Erfolg für Corbyn

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Briten-Wahl: Desaster für May – Erfolg für Corbyn
Theresa Mays Partei hat zu hoch gepokert.
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 «Desaster», «schrecklicher Fehler», «Katastrophenwahl» – das sagt die Presse

09.06.2017, 10:2209.06.2017, 16:00
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«Desaster», «schrecklicher Fehler», «Katastrophenwahl»: Das internationale Medienecho auf die Abstimmung in Grossbritannien ist verheerend. Der Ausgang zeige Theresa Mays persönliches Scheitern.

«Eine Periode des Durcheinanders»
«The Times»

«The Times» (Grossbritannien): «Die Hoffnungen der Konservativen auf eine substanziell vergrösserte Mehrheit im Parlament sind in der vergangenen Nacht mit einer überwältigenden Zurückweisung durch Wähler in Universitätsstädten bis hin zu Labour-Hochburgen zerschlagen worden. Mit dieser Wahl sollte Theresa Mays Position als Parteichefin und Premierministerin zementiert werden. Zudem sollte der Europäischen Union versichert werden, dass sie es bei den bevorstehenden Brexit-Verhandlungen mit einem starken und stabilen Partner zu tun hat. Doch nichts dergleichen wurde erreicht.

Nun steht eine Periode des Durcheinanders bevor. Die Märkte werden entsprechend negativ reagieren. Europa wird mit Bestürzung zuschauen. (...) Die Folgen für die politische Stabilität, die Grossbritannien dringend bräuchte und für die Brexit-Verhandlungen, die in zehn Tagen starten sollen, können kaum überschätzt werden. So ist es nun zum Beispiel wenig wahrscheinlich, dass es im Parlament noch eine Mehrheit dafür gibt, dass Grossbritannien den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt verlässt.»

«Das war kein Schuss ins Bein, das war ein Schuss in den Kopf»
«Kurier»

«Kurier» (Österreich): «Theresa May hat sich gehörig verzockt. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen hat die britische Premierministerin die angestrebte absolute Mehrheit ihrer Konservativen Partei knapp, aber doch, verpasst. Ohne Partei mit absoluter Mehrheit (»hung parliament«) muss nun ein Koalitionspartner gesucht werden. Eine schwere Schlappe für May – oder, wie es der konservative Abgeordnete Nigel Evans ausdrückte: Das war kein Schuss ins Bein, das war ein Schuss in den Kopf.»

«Welches Desaster!»
«Frankfurter Allgemeine Zeitung»

«Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Deutschland): «Welches Desaster! Es ist ein Desaster für Theresa May, die den Wählern doch Stärke und Festigkeit versprochen hatte, und für die Partei. Vor einem Jahr hatte David Cameron mit der Abstimmung über einen Brexit aufs falsche Pferd gesetzt; der Ausgang ist bekannt, er verlor und musste zurücktreten. Jetzt könnte seine Nachfolgerin derselbe politische Schicksalsschlag treffen. Die Entscheidung für Neuwahlen trifft sie in jedem Fall wie ein Bumerang! Keine gute Idee! Zwei Premierminister, zwei Entscheidungen, die ihnen den Boden unter den Füssen wegzogen.»

«Der Entscheid von May für vorgezogene Neuwahlen ist zu einem Albtraum geworden»
«Neue Zürcher Zeitung»

«Neue Zürcher Zeitung» (Schweiz): «Der Entscheid von Premierministerin May für vorgezogene Neuwahlen in Grossbritannien ist zu einem Albtraum geworden – nicht nur für May selbst, die ihr Amt verlieren könnte, sondern auch für das Land und für Europa.»

«May versuchte, die Wähler mit Slogans abzuspeisen»
«Süddeutsche Zeitung»

«Süddeutsche Zeitung» (Deutschland): «May versuchte, die Wähler mit Slogans abzuspeisen. Sie behandelte sie nicht wie Erwachsene. Bezüglich der Verhandlungen mit Brüssel über den Austritt aus der EU hat May gesagt: »Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal.« Ein Leser der »Financial Times« griff diese Aussage auf, als er den wohl treffendsten Leserbrief des Jahres formulierte: «Sir, ich befinde mich in meinem achten Lebensjahrzehnt und finde, dass dieser Wahlkampf der erste ist, der Grund zur Erwägung eines neuen Slogans gibt: ‹Kein Premierminister ist besser als ein schlechter Premierminister.› Stehe ich damit allein?« Die Antwort lautet: nein.»

«Geht sie, geht sie nicht?»
«Le Figaro»

«Le Figaro» (Frankreich): «Geht sie, geht sie nicht? Diese Frage treibt alle um an diesem Morgen, nach den (...) für Theresa May fatalen Wahlen. Es ist nunmehr klar, dass die von der Premierministerin geführte konservative Partei keine absolute Mehrheit im Parlament haben wird. Ihre Fähigkeit, eine «feste» Regierung zu leiten, wird bezweifelt. Und dieses persönliche Scheitern stellt ihre Position in Frage.»

«Oh, oh, oh. Welch schrecklicher Fehler von Theresa May, eine völlig unnötige Wahl auszurufen»
«Dagens Nyheter»

«Dagens Nyheter» (Schweden): «Oh, oh, oh. Welch schrecklicher Fehler von Theresa May, eine völlig unnötige Wahl auszurufen. Jetzt schon schärfen ihre Parteifreunde die Messer und spekulieren darüber, wer die Führung übernehmen soll. Auf Grossbritannien wartet eine chaotische politische Zukunft.»

«Das ist eine Katastrophenwahl für May»
«Sydsvenskan»

«Sydsvenskan» (Schweden): «Die Wahl ist noch nicht fertig ausgezählt, aber mit nur noch wenigen zu verteilenden Sitzen ist nun klar, dass Theresa Mays konservative Tories die (absolute) Mehrheit unmöglich erreichen können. Das ist eine Katastrophenwahl für May und bedeutet, dass ihr Versuch, die Unterstützung der Bevölkerung für den EU-Austritt, den Brexit, zu sichern, misslungen ist.»

Die Aussicht auf ein Parlament in der Schwebe vergrössert das Schreckgespenst des Scheiterns, das über den Brexit-Verhandlungen schwebt
«La Repubblica»

«La Repubblica» (Italien): «In der Politik sind nicht immer die guten Nachrichten dazu da, um den Horizont aufzuhellen. Wenn Grossbritannien immer noch integrierter Teil der Europäischen Union wäre, dann wäre die Niederlage von Theresa May, die sich in Hochrechnungen abgezeichnet hat, ein grossartiger Sieg für Europa. Da aber London von Brüssel aus gesehen nur noch ein Gesprächspartner ist, mit dem man hart verhandelt, vergrössert die Aussicht auf ein ‹Parlament in der Schwebe› das Schreckgespenst des Scheiterns, das über den Brexit-Verhandlungen schwebt.»

«Mehr politische Verlierer als Gewinner»
«Jyllands-Posten»

«Jyllands-Posten» (Dänemark): «Am Freitagmorgen zeichnet sich ein Bild von einem britischen Wahlergebnis, das zunächst mehr politische Verlierer als Gewinner bedeutet. Jedenfalls sind – neben dem grossen konservativen Rückgang – mehrere politische Zusammenbrüche in Grossbritannien auf dem Weg.»

«Theresa May hat einen spektakulären Fehler begangen»
«Rzeczpospolita»

«Rzeczpospolita» (Polen): «Theresa May hat einen spektakulären Fehler begangen. Obwohl sie bis 2019 hätte regieren und die Verhandlungen zur Trennung von Brüssel beenden können, ist sie der Versuchung erlegen, vorzeitige Wahlen auszuschreiben, um die Mehrheit im Parlament zu festigen. (...) Jetzt könnte sie, wie die Exit Polls zeigen, ohne alleinige Mehrheit der Konservativen an der Spitze einer wackeligen Koalition landen oder sogar in die Opposition übergehen. (...)

So wie ihr Vorgänger David Cameron, der sicher war, das Referendum zum EU-Verbleib zu gewinnen, hat May ihr Ziel verfehlt. Sie hat vergessen, dass sie nicht die neue Margaret Thatcher ist, sondern eher Premierministerin aus Zufall: Als die Brexit-Befürworter mit Boris Johnson an der Spitze im vergangenen Jahr nicht die Verantwortung für das Land übernehmen wollten, griffen die Konservativen nach May, weil sie keine eindeutigen Meinungen vertrat und niemandem übermässig im Weg stand.»

«Scheinheiligkeit, Berechnung und Gier»
«Dennik N»

«Dennik N» (Slowakei): «Theresa May befürwortete vor dem Referendum einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union. Dennoch akzeptierte sie dann aber nicht nur den Posten einer Premierministerin, die den Brexit vorbereiten und aushandeln sollte, sondern machte sogar Druck für die harte Version des Ausstiegs. Aus professioneller Sicht lässt sich das anerkennen, es ist aber sehr wahrscheinlich, dass zumindest ein Teil der Wähler darin Scheinheiligkeit, Berechnung und Gier nach Macht sieht. Also einen Mangel an Authentizität - gerade etwas, über das man sich bei ihrem Rivalen von der Labour-Partei nicht beschweren kann.» (whr/sda/dpa)

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