Beim Vorstoss irakischer Soldaten und Milizionäre auf die irakische Grossstadt Mossul bleiben in den befreiten Gebieten Dokumente der vertriebenen «IS»-Terrormiliz zurück. Die Unterlagen und Plakate geben einen Einblick ins strenge und umfassende «IS»-Regelwerk.
Von der richtigen Bartlänge über die Gabe von Almosen bis zur Behandlung von Sklavinnen: Die Dschihadisten haben viele Lebensbereiche bis ins Detail geregelt.
Reporter der Nachrichtenagentur Reuters fanden Dokumente in Büros vor, die bis vor wenigen Tagen von «IS»-Anhängern genutzt wurden. Zwar konnte die Echtheit nicht bestätigt werden, doch Mitglieder der irakischen Streitkräfte erklärten, diese seien authentisch.
Wer unter der «IS»-Herrschaft gegen die Regeln verstiess, wurde Dorfbewohnern zufolge bestraft: Dies reichte vom öffentlichen Auspeitschen bis zur Hinrichtung in Mossul, wo der sogenannte «Islamische Staat» («IS») vor gut zwei Jahren sein Kalifat ausgerufen hatte.
Die Terroristen ordneten etwa auf einer Karte in der Grösse eines Portemonnaies an, wie die Bewohner richtig zu beten haben und wie die Füsse dafür gewaschen werden sollen. Almosen – die im Islam vorgeschrieben sind – werden in einem fünfseitigen Heft erklärt, auf dem Goldarmbänder, Diamantringe und Getreide abgebildet sind. Wer sich nicht daran hält, muss mit Strafen rechnen.
Im Dorf Schura, wo kürzlich sieben Selbstmordattentäter beim Sturm auf die Armee erschossen wurden, führten die «IS»-Terroristen penibel genau auf, wer wie viele Almosen abgeliefert hat. In den Einträgen wurde auch vermerkt, ob ein Bewohner Gold, Immobilien oder Autos besitzt. Zudem wurden die Monatsgehälter notiert.
Dem «IS» war es im Irak anders als der Al-Kaida gelungen, weite Teile des Landes unter seine Kontrolle zu bringen und in den eroberten Gebieten eine Verwaltung aufzubauen. Bei ihrem Vormarsch begingen die Dschihadisten auch Gräueltaten an der Bevölkerung. So wurden viele Andersgläubige getötet oder versklavt und unter «IS»-Kämpfern verteilt.
Dies ist nach ihren eigenen Regeln erlaubt. Details sind in einem Heft geregelt, das 32 Fragen und Antworten enthält. «Nichtmuslimische Frauen dürfen Konkubinen sein», heisst es darin. Kämpfer können demnach zwei Schwestern gleichzeitig besitzen, aber nur mit einer von ihnen Sex haben.
Auch für Kindesmissbrauch gibt es einen Freibrief. Mädchen, die vor der Pubertät stünden, könnten Konkubinen werden, an denen sich die «IS»-Leute «erfreuen» dürften, allerdings ohne Beischlaf, heisst es in den Anweisungen. In einer Frage geht es darum, ob sich mehrere Dschihadisten eine Sklavin teilen können. Die Antwort: Nur ein Besitzer darf mit ihr schlafen.
Opfer der «IS»-Kämpfer wurden auf dem Vormarsch vor allem Jesiden. Angehörige dieser Minderheit werden von den radikalen Sunniten als Ungläubige betrachtet. Hunderte jesidische Frauen fielen in die Hände der Terroristen.
Nach den Regeln der Gruppe müssen Frauen vor allem zu Hause bleiben und in der Öffentlichkeit einen schwarzen Ganzkörperschleier tragen.
Männern ist es dagegen sogar erlaubt, kurze Hosen zu tragen. Der Bart muss aber die richtige Länge haben. In einem der Merkblätter wird sogar erklärt, was eigentlich ein Bart ist. Es handle sich um «Haar, das in deinem Gesicht und auf deiner Wange wächst».
(sda/reu)