In der Nacht auf Sonntag stürmte ein Mob wütender Iraner die saudische Botschaft in Teheran. Die Demonstranten warfen Brandsätze in das Gebäude, das bald lichterloh brannte. 44 Menschen wurden verhaftet, es gab Dutzende Verletzte.
Als Reaktion kappte Saudi-Arabien die diplomatischen Beziehungen zum schiitischen Erzrivalen Iran. Das gab der saudi-arabische Aussenminister Adel al-Dschubir am Sonntagabend bekannt.
Die diplomatische Vertretung des Iran und iranische Einrichtungen seien aufgefordert worden, Saudi-Arabien innerhalb von 48 Stunden zu verlassen. Das Königreich werde es dem Iran nicht erlauben, seine Sicherheit zu untergraben.
Saudi-Arabien und der Iran ringen um die Vormachtstellung in der Region. Während sich das Königreich als Schutzmacht der Sunniten sieht, betrachtet sich der Iran als Interessenvertreter der Schiiten.
Grund für die Unruhen waren die Massenhinrichtungen in Saudi-Arabien. Am Samstag hatte der Golfstaat trotz massiver Proteste 17 Menschen wegen Terrorismusvorwürfen getötet. Die Todesurteile wurden durch Enthaupten oder Erschiessen vollstreckt.
Unter den Exekutierten war Nimr al-Nimr, der lange Zeit im Iran lebte und in Saudi-Arabien die Unterdrückung der schiitischen Minderheit anprangerte. Saudi-Arabien sah es als erwiesen an, dass Al-Nimr hinter Anschlägen in dem Land stand.
Auch im Irak kam es daraufhin zu Protesten unter Schiiten. In der Provinz Al-Wasit gingen Hunderte auf die Strasse und forderten die Schliessung der saudischen Botschaft in Bagdad. Auch in Bahrain und dem indischen Teil Kaschmirs demonstrierten insgesamt Tausende gegen die Hinrichtung von Al-Nimr.
Nach der Hinrichtung von al-Nimr hatte Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei das Königreich vor der «Rache Gottes» gewarnt. «Das zu Unrecht vergossene Blut dieses Märtyrers wird sehr bald Konsequenzen haben und die Hand Gottes wird Rache an der saudi-arabischen Führung nehmen», sagte Khamenei am Sonntag vor Geistlichen in Teheran.
Die einflussreichen iranischen Revolutionsgarden kündigten dem Königshaus in Riad eine «scharfe Vergeltung» an.
Der Iran bezeichnete die Entscheidung Saudi-Arabiens als «voreilig». «Die Saudis haben schon in der Vergangenheit mit solchen voreiligen und irrationalen Entscheidungen Instabilität in der Region verursacht», sagte Vizeaussenminister Hossein Amir-Abdollahian in der Nacht zum Montag im staatlichen Fernsehen.
Kein saudiarabischer Diplomat sei zu Schaden gekommen. Sein Land sei für Diplomaten eines der sichersten der Region. Die Hinrichtung des prominenten Geistlichen Nimr al-Nimr durch Saudi-Arabien bezeichnete Abdollahian als grossen Fehler, der nicht mit dem Abbruch der Beziehungen vertuscht werden könne.
Das Verhältnis zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ist seit Jahrzehnten schwierig, Phasen der Spannung wurden durch Zeiten der Annäherung abgelöst. Die Eskalation vom Sonntag allerdings markiert eine lange nicht erreichten Tiefpunkt zwischen beiden Ländern.
Iran und Saudi-Arabien spielen eine Schlüsselrolle bei der Lösung des Konflikts in Syrien und dem Irak. Das internationale Vorgehen gegen die Terrormiliz «Islamischer Staat» hatte zuletzt zu einer vorsichtigen Annäherung der beiden Widersacher geführt. Sie sind zugleich auch die wirtschaftsstärksten Staaten im Mittleren Osten. Doch Riad wirft Teheran immer wieder die Einmischung in arabische Angelegenheiten vor.
Der neue Herrscher Salman, der seit einem knappen Jahr auf dem Thron sitzt, will Bedrohungen von innen und aussen mit aller Härte meistern, schreibt Welt Online in einem Kommentar. Der rasante Anstieg der Zahl der Hinrichtungen zeige, dass sich das Königshaus zunehmend in Gefahr wähnt – die vor allem vom Erzfeind Iran ausgehe.
Der Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien eskaliert. Es droht eine 3. Ölkrise. https://t.co/JC56uK6HQa via @welt pic.twitter.com/FcK8aG76vY
— Holger Zschaepitz (@Schuldensuehner) January 4, 2016
Die schiitischen Muslime würden die Hinrichtung des Geistlichen durch die führende Macht des sunnitischen Islams gar als weitere Kriegserklärung sehen, heisst es in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Das saudische Regime führe damit sein eigenes Land auf gefährliche Wege.
Mit den Saudis gehe es damit weiter bergab, schreibt die «Süddeutsche Zeitung». Aussenpolitisch stehe das Land schlechter da denn je – der Konflikt im Jemen ist ungelöst, der Westen scheine sich mehr und mehr vom Golfstaat abzuwenden. Mit der Hinrichtung al-Nimrs und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen habe Saudi-Arabien alle Weichen ins Abseits gleichzeitig gestellt. (dwi/sda)