Die Wahlrechtsreform in Italien ist unter Dach und Fach. Die Abgeordnetenkammer in Rom verabschiedete das Wahlgesetz «Italicum» am Montag endgültig mit 334 Ja- zu 61-Nein-Stimmen. Die Annahme gilt als grosser politischer Erfolg für Ministerpräsident Matteo Renzi, der sich vergangene Woche drei Vertrauensabstimmungen gestellt hatte.
Die Opposition, aber auch der linke Flügel seines sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) hatten sich gegen die Reform und die harte Hand gewehrt, mit der der Regierungschef seine Pläne durchsetzte.
Renzi lobte am Montag die Abgeordneten seiner Partei: «In der PD streiten wir zwar, doch dann machen wir alle zusammen weiter.» Er hatte die Reform mit dem Chef der oppositionellen Forza Italia, Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi, ausgehandelt. Die meisten Abgeordneten der Opposition beteiligten sich nicht an der letzten Abstimmung, die auf Druck der Forza Italia geheim erfolgte.
Das Wahlgesetz sieht vor, dass die Partei, die mit mindestens 40 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft aus einer Wahl hervorgeht, automatisch rund 55 Prozent der Sitze in der Abgeordnetenkammer (340 von 630 Sitzen) erhält. Zuvor war diese Mehrheit für die gesamte Regierungskoalition vorgesehen.
Sollte keine Partei im ersten Wahlgang 40 Prozent der Stimmen erreichen, soll ein zweiter Wahlgang zwischen den beiden stärksten Fraktionen entscheiden. Auch müssen Parteien in Italien künftig mindestens drei Prozent der Stimmen erreichen, um ins Parlament einzuziehen.
Die Reform soll dafür sorgen, dass eine Regierung künftig auch ohne Bündnispartner solide genug ist, um die Legislaturperiode zu überstehen. Italien hatte allein in den letzten vier Jahren vier Regierungen, was auch zu der schweren Krise des Landes beitrug.
Renzi versprach am Montag, dass das neue Gesetz die Politik stabilisieren werde. Es soll im kommenden Jahr in Kraft treten.
Damit die Reform ihre gewünschte Wirkung entfaltet, ist allerdings noch eine Verfassungsänderung nötig, mit der die Rechte des Senats eingeschränkt werden. Denn die zweite Parlamentskammer ist bislang der ersten Kammer gleichgestellt. Die Verfassungsänderung durchläuft derzeit noch den parlamentarischen Prozess, zudem soll eine Volksabstimmung darüber stattfinden. (jas/sda/apa/reu/afp)