Die Erwartungen waren gering. Am Ende schrammte der G7-Gipfel im malerischen Taormina nur knapp am totalen Fiasko vorbei. Ein lauwarmes Bekenntnis für den Freihandel und gegen Protektionismus sowie eine separate Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus waren das einzig zählbare «Ergebnis» beim Treffen der sieben Mächtigen auf Sizilien.
Einer wollte das partout nicht so sehen. Es sei ein «unglaublich produktives Treffen» gewesen, sagte US-Präsident Donald Trump am Samstag vor seiner Rückkehr nach Washington vor US-Soldaten auf der Luftwaffenbasis Sigonella. Ohnehin betrachtete er seine erste, achttägige Auslandsreise als vollen Erfolg: «Ich glaube, wir haben einen Homerun geschlagen.»
Waren Trumps grossspurige Worte an seine Fangemeinde in der Heimat gerichtet, der er sich einmal mehr als erfolgreicher Dealmaker präsentieren wollte? Oder glaubt er wirklich, was er sagte? Man muss befürchten, dass beides zutrifft.
Bei den übrigen Gipfelteilnehmern hinterliess der Auftritt des «Trumpeltiers» Ernüchterung und Konsternation. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete Trumps Weigerung, sich zum Pariser Klimavertrag zu bekennen, als «sehr unzufriedenstellend». Ein typisch Merkelsches Wortungetüm, das in seiner undiplomatischen Direktheit so gar nicht zu ihrem Ruf als Kontrollfreak passt.
Am Sonntag legte Merkel nach. Bei einem Wahlkampfauftritt mit der bayerischen CSU in einem stickigen Bierzelt in München sprach sie Worte aus, die um die Welt gingen. Die USA seien kein verlässlicher Partner mehr. «Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt», sagte Merkel.
Ihr Fazit aus dem G7-Debakel: «Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen.» Es müsse natürlich bei der Freundschaft mit den USA bleiben. Und mit Grossbritannien, das seit dem Brexit-Votum ebenfalls nicht mehr als verlässlicher Partner wahrgenommen wird. «Aber wir müssen wissen, wir müssen selber für unser Schicksal kämpfen», meinte die Kanzlerin.
Man kann dafür nur ein Wort verwenden: Endlich!
Viel zu lange hat sich Europa unter dem militärischen Schutzschirm versteckt, den die Amerikaner und zu einem gewissen Grad auch die Briten aufgespannt haben. Obwohl der Kalte Krieg vor mehr als 25 Jahren zu Ende ging, hat sich kaum etwas daran geändert. Kritik daran gab es immer wieder, und die Europäer gelobten wiederholt, mehr Verantwortung übernehmen zu wollen.
Einiges ist auch geschehen. Europa unterstützt die USA in verschiedenen Kriegsgebieten mit Soldaten und Material. Wirklich emanzipiert vom «Big Brother» aber hat sich der alte Kontinent nie. Man konnte bislang auch stets auf den Rückhalt durch Amerikas Präsidenten zählen. Das galt selbst für Barack Obama, der sich eigentlich verstärkt Asien zuwenden wollte.
Mit Donald Trump hat eine Zeitenwende eingesetzt. Seine Auftritte in Europa übertrafen die schlimmsten Befürchtungen. Am NATO-Gipfel in Brüssel hielt er den Europäern eine Standpauke. Sie würden zu wenig in ihre Verteidigung investieren. Gleichzeitig vermied er ein Bekenntnis zum gegenseitigen militärischen Beistand der NATO-Länder im Fall eines Angriffs. Dabei haben die USA als bislang einziges Land nach dem 11. September 2001 von der Bündnispflicht profitiert.
Beim Treffen mit der EU-Spitze beklagte er sich über die «schlimmen» Deutschen und ihre Exportüberschüsse. Und auf dem Weg zum Gruppenfoto aller Staats- und Regierungschefs der NATO drängelte Trump den montenegrinischen Regierungschef Duško Marković im Stil eines Pausenplatz-Rowdys zur Seite.
Auch in Taormina brüskierte er die Gastgeber. Als der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni eine Rede zur Flüchtlingskrise hielt, die sein Land besonders belastet, trug Trump als einziger keinen Kopfhörer und zeigte so, dass ihn das Thema überhaupt nicht interessiert. Die Beteuerung seines Sprechers Sean Spicer, der Präsident habe einen Knopf im Ohr getragen, wirkte wenig glaubwürdig.
Gerade beim Thema Flüchtlinge zeigt sich Trumps Egoismus. Er hält es für ein europäisches Problem, das ihn nichts angeht. Vielleicht raufen sich die Europäer endlich zusammen, um die überforderten Erstaufnahmeländer – vor allem Griechenland und Italien – zu entlasten. Auch das gehört dazu, wenn Europa gemäss Merkel «sein Schicksal in die eigenen Hände» nehmen soll.
Europa kann sich nicht länger zurücklehnen und auf seine Soft Power vertrauen. Mehr Anstrengungen im Bereich Verteidigung sind notwendig, vielleicht sogar eine Euro-Armee. Einfach wird dies nicht, die EU hat derzeit genug Baustellen. Dazu gehören die bald beginnenden Brexit-Verhandlungen oder die von Populisten regierten «Sorgenkinder» Polen und Ungarn.
Trump meets his handshake match in Macron https://t.co/Ys3S4wChX1 pic.twitter.com/OApBZEWB5X
— Bloomberg (@business) 25. Mai 2017
Die Voraussetzungen sind trotzdem vorhanden. Bei ihrer Bierzelt-Rede verwies Angela Merkel auf das gute Verhältnis zu Frankreichs neuem Präsidenten Emmanuel Macron. Der hatte auf Taormina gezeigt, wie man mit dem rowdyhaften Trump umgehen muss, als er dessen berüchtigten Händedruck resolut konterte. «So verschafft man sich Respekt», lobte sich Macron selbst.
Ein «Powerduo» Merkel-Macron könnte dem alternden, oft verzagten Europa den nötigen Schwung verleihen. Ob es klappen wird, ist keineswegs garantiert. Aber nach Donald Trumps rüpelhaften Auftritten kann niemand mehr behaupten, man wisse nicht, was es geschlagen hat. Vielleicht wird man dem US-Präsidenten dafür einmal dankbar sein.