Im August kam die Hiobsbotschaft: Die zweitgrösste deutsche Fluggesellschaft Air Berlin ist insolvent. Danach überschlugen sich die Ereignisse. Die deutsche Regierung verhinderte mit einem Brückenkredit von 150 Millionen Euro das Schlimmste. Bis heute Freitag um 14 Uhr hatten potenzielle Käufer Zeit, ihr Interesse an Air Berlin anzumelden.
Angst und Bang wird es derzeit nicht nur den Kunden, sondern auch den Angestellten von Air Berlin. Diese Woche meldeten sich über 150 Piloten kurzfristig krank und traten in einen Streik. Über 160 Flüge mussten gestrichen werden, 12'000 Passagiere waren betroffen. Wie kam es dazu? Und was passiert jetzt mit den Piloten von Air Berlin? Die sechs wichtigsten Fragen und Antworten zum Crash:
Etihad, die nationale Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, war Minderheitsaktionär von Air Berlin. Etihad stieg 2011 bei Air Berlin ein und hielt knapp 30 Prozent an der Airline. Doch die deutsche Fluggesellschaft hat turbulente Zeiten hinter sich: Verspätungen, Flugausfälle, verärgerte Kunden.
Mitte August wurde es Etihad zu bunt und die Emirate drehten den Geldhahn zu. Laut der Airline aus Abu Dhabi «habe sich das Geschäft von Air Berlin in einer beispiellosen Geschwindigkeit verschlechtert.» Als Minderheitsaktionär könne Etihad kein weiteres Geld zuschiessen, ohne dass sich das eigene Risiko erhöht.
Die Piloten sowie das Bodenpersonal dürften die besten Chancen haben, bei den Airlines Lufthansa und Easyjet unterzukommen. Schwieriger könnte es für die rund 1200 Mitarbeiter in der Berliner Zentrale und die 700 Angestellten werden, die bei der Berliner Technik-Tochter arbeiten.
Für die rund 144 Flugzeuge, darunter 17 Langstreckenflieger vom Typ Airbus 330-200, haben sich bereits mehrere Interessenten gemeldet. Was schlussendlich mit ihnen passiert, zeigt sich am 25. September (siehe auch Frage 4). Neben den Flugzeugen sind besonders die Start- und Landerechte begehrt. Im Geschäftsbericht 2016 von Air Berlin wurden sie mit 80 Millionen Euro beziffert. Die Rechte können aber nicht einfach an den Meistbietenden verkauft werden, sondern können nur im Paket mit anderen Unternehmensteilen aufgekauft werden.
Die Stimmung ist gereizt. Vergangenen Dienstag meldeten sich rund 150 Piloten kurzfristig krank. Die Aktion wurde, laut Bericht der «Süddeutschen Zeitung», sorgfältig organisiert. Schon seit längerem würden die Piloten der insolventen Airline eine sogenannte «Sick-out-Datei» führen. In dieser tragen sie Krankmeldungen ein, um einen Überblick über die Teilnahme an der Aktion zu haben.
Gründe für den Streik liefert ein offener Brief, den der Pilot Hans Albrecht an die Geschäftsführung verfasste. Darin kritisiert er, dass es in allen Gesprächen rund um die insolvente Fluggesellschaft um wirtschaftliche Interessen gehe, nicht um die Arbeitsplätze von mehr als 8000 Beschäftigten. Zudem werde die Belegschaft im Unklaren gelassen, «um die Verunsicherung durch das Schüren von Existenzängsten auf ein Maximum zu treiben».
Am Freitag endet die Frist für die Interessenten. Am 25. September wird entschieden, wer tatsächlich ein Stück vom Kuchen bekommt. Als Bieter meldeten sich einige. Das sind die wichtigsten fünf Interessenten:
Die Lufthansa hat ihr Drehkreuz in Frankfurt. Das könnte dazu führen, dass Langstreckenflüge häufig über Frankfurt und nicht mehr über Berlin abgewickelt werden würden.
Für die Mitarbeiter könnte eine Übernahme von der Lufthansa Lohneinbussen bedeuten. Besonders die Flugbegleiter von Air Berlin verdienen derzeit besser als jene bei der Lufthansa-Tochter Germanwings. Worst-Case-Szenario: Langjährige Flugbegleiter, die im Laufe ihres Berufslebens ein hohes Verdienstniveau erreicht haben, müssen sich bei Germanwings neu bewerben – und erhalten dort nur das Einstiegsgehalt.
Wegen des Brückenkredits der deutschen Bundesregierung ist der Flugbetrieb noch bis November abgesichert. So lange reichen die 150 Millionen Euro. Laut Air Berlin werden veröffentlichte Flüge wie angegeben durchgeführt. Wenn das Bodenpersonal und Piloten aber weiterhin streiken, kann es zu Flugausfällen kommen. Es wird deshalb geraten, sich fortlaufend über den bevorstehenden Flug zu informieren.
Was Ende November passiert, ist ungewiss. Wenn sich ein Käufer findet, dürften die bei Air Berlin gebuchten Flüge von den neuen Eigentümern ausgeführt werden. Eine Garantie dafür gibt es jedoch nicht. Von einer Stornierung der Flugtickets wird abgeraten. Die gezahlten Flugpreise könnten womöglich in der Insolvenzmasse landen. Fluggäste sollten sich bis zum Abflug gedulden und abwarten, was wirklich passiert. (ohe/mit Material von sda)