Tausende Rebellen und Zivilisten im Osten Aleppos müssen in winterlicher Kälte weiter auf die Evakuierung der Enklave warten. Trotz einer Verständigung zwischen Regierung und Aufständischen konnten die Menschen die belagerten Gebiete zunächst nicht verlassen.
Busse für ihren Abtransport waren zwar in die Enklave eingefahren. Offensichtlich verhinderte aber der Angriff auf weitere Busse in der Nachbarprovinz Idlib weitere Evakuierungen, die seit Freitag ausgesetzt sind. Sechs Busse brannten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge aus.
Anscheinend seien die Fahrzeuge von Unterstützern der dschihadistischen Gruppe Fatah al-Scham, einem Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida, angegriffen worden, sagte der Leiter der Stelle, Rami Abdel Rahman, der Nachrichtenagentur dpa. Die Tat fand demnach nahe dem von Rebellen belagerten schiitischen Dorf Fua statt, aus dem gleichzeitig mit der Evakuierung Ost-Aleppos Menschen in Sicherheit gebracht werden sollen.
Die Beobachtungsstelle berichtete am Sonntagabend, dass es Gespräche zwischen Russland, dem Iran und der Türkei gebe, um die Evakuierung trotz des Angriffs auf die Busse durchzuführen. Die Türkei verhandelt auf Seiten der Rebellen. Die Beobachtungsstelle verfügt über ein Netz aus Informanten in Syrien, von unabhängiger Seite sind ihre Angaben kaum zu überprüfen.
Die schiitschen Dörfer Fua und Kafraja in der südwestlich von Aleppo gelegenen Provinz Idlib sind auf Druck der mit der Regierung verbündeten iranischen Milizen Teil des Deals. Sie hatten nach Angaben aus Regierungskreisen gefordert, dass im Gegenzug für die Evakuierung der Rebellengebiete Aleppos auch die Blockade dieser beiden Orte aufgehoben werden müsse. Aus ihnen sollen rund 1500 Verletzte, Frauen und Kinder in Sicherheit gebracht werden.
Syriens Machthaber Baschar al-Assad hatte am Donnerstag Aleppos «Befreiung» von den Rebellen verkündet. Eine mühsam ausgehandelte Evakuierungsaktion begann, nach Angaben von Aktivisten wurden rund 8500 Menschen aus den zerstörten Stadtvierteln gebracht, darunter 3000 Kämpfer. Am Freitag brach die syrische Armee die Evakuierungen jedoch ab.
Es wird davon ausgegangen, dass sich noch mehrere Zehntausend Menschen in dem monatelang belagerten Osten Aleppos aufhalten. Die Rebellengebiete waren nach heftigen Luftangriffen in den vergangenen Wochen von syrischen Regierungstruppen mit Unterstützung Russlands und des Irans fast vollständig erobert worden.
Angesichts der verheerenden humanitären Lage in Aleppo äusserte sich Deutschlands Aussenminister Frank-Walter Steinmeier besorgt: «Die verheerende Lage der Menschen in Ost-Aleppo ist verzweifelt und zum Verzweifeln.» Viele warteten frierend und ohne ausreichende humanitäre und medizinische Versorgung auf die Wiederaufnahme der rettenden Evakuierungen.
Der UNO-Sicherheitsrat diskutierte am Sonntag stundenlang bei einer Sondersitzung über eine mögliche Entsendung von Beobachtern nach Aleppo. Die Beratungen wurden vertagt und sollten am Montag fortgesetzt werden.
Ob eine von Frankreich eingebrachte Resolution das Gremium passieren würde, war fraglich. Schon vor Beginn des Treffens hinter verschlossenen Türen kündigte Russland an, sie nicht mitzutragen.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg rechtfertigte indes die militärische Zurückhaltung des Bündnisses. Ein Militäreinsatz könnte zu einer weiteren Eskalation beitragen, sagte Stoltenberg der «Bild am Sonntag». Am Dienstag wollen die Aussenminister von Russland, der Türkei und dem Iran über Syrien beraten.
Am Samstag demonstrierten mehrere Tausend Menschen in verschiedenen europäischen Städten gegen den Krieg. In Lausanne gedachten am Sonntagabend rund 500 Personen mit einer Schweigeminute der Opfer von Aleppo. (sda/afp/dpa)