Die syrische Armee hat Rebellen und Bewohner von Ost-Aleppo zum Verlassen der Metropole aufgerufen. Alle, die bleiben, würden sich ihrem «unausweichlichen Schicksal» ergeben, hiess es in einer Mitteilung der Armee vom späten Mittwochabend.
Die Versorgungswege der Rebellen im Norden der Stadt seien abgeschnitten worden. Zudem habe das Militär Kenntnis über sämtliche Rebellenstellungen und Waffenlager in der Stadt. Das syrische Militär treibt seit Tagen mit russischer Unterstützung eine Grossoffensive in Aleppo voran.
Am Mittwoch kündigte die Heeresleitung an, aus humanitären Gründen die Angriffe auf den Osten der Stadt zurückzufahren. Die Angriffe aus der Luft und durch die Artillerie würden abgeschwächt, teilte das Militär mit.
Die genauen Hintergründe der überraschenden Ankündigung blieben unklar. Die Armeeführung in Damaskus verwies auf die «Erfolge unserer Streitkräfte in Aleppo». Alle Versorgungsrouten in die Rebellenviertel im Osten der Stadt seien gekappt worden. Unklar blieb zunächst auch, ob Syriens Verbündeter Russland seine Luftangriffe ebenfalls reduziert.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte rückten die Regierungstruppen am Mittwoch vom Stadtzentrum in das nördliche Viertel Bustan al-Bascha vor, das seit 2013 von Rebellen kontrolliert wird. «Es gibt schwere Gefechte, aber keine Luftangriffe, diese konzentrieren sich auf den südlichen Rand von Aleppo», sagte der Leiter der oppositionsnahen Organisation, Rami Abdel Rahmane.
Die Angaben der Beobachtungsstelle sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen. Nach ihren Angaben wurden seit Beginn der Offensive der Regierungstruppen vor zwei Wochen 270 Menschen in den Rebellenvierteln getötet.
Die USA hatten am Montag ihre Gespräche mit Russland über eine Feuerpause in Syrien für beendet erklärt. Das US-Aussenministerium warf den russischen Verbänden und syrischen Regierungstruppen vor, zuletzt verstärkt auch zivile Ziele angegriffen zu haben, darunter auch das grösste Krankenhaus in Aleppo.
Trotz des Abbruchs der Syrien-Gespräche rief US-Aussenminister John Kerry am Mittwoch seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow an. Das Telefonat bedeute jedoch kein schnelles Einlenken der US-Regierung, die bilateralen Gespräche über den Konflikt in Syrien blieben weiterhin ausgesetzt, betonte Kerrys Sprecher Mark Toner in Washington.
Seinen Angaben zufolge führte Kerry auch Gespräche mit seinen Kollegen in Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, der Türkei und in Katar sowie mit Vertretern der EU.
Auch Frankreich bemüht sich weiter um eine diplomatische Lösung des Konflikts. Aussenminister Jean-Marc Ayrault reist am (heutigen) Donnerstag nach Moskau und am Freitag nach Washington, um für Unterstützung für den französischen Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat zu werben. Die Lage in Aleppo sei «schockierend und beschämend», sagte Ayrault. «Wir müssen dieses Massaker stoppen.»
Der Resolutionsentwurf sieht vor, dass die von den USA und Russland Anfang September ausgehandelte Feuerpause wieder aufgenommen wird, damit die eingeschlossene Bevölkerung mit humanitären Hilfen versorgt werden kann. Ausserdem sollen alle syrischen und russischen Kampfflugzeuge am Boden bleiben. (sda/reu)