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Aleppos Rebellengebieten droht völlige Zerstörung

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Zerstörung so weit das Auge reicht: Ein Mann hilft einem Mädchen aus den Trümmerhaufen in Aleppo. Bild: AP/Aleppo Media Center AMC

Aleppos Rebellengebieten droht bis Weihnachten völlige Zerstörung

06.10.2016, 22:2607.10.2016, 07:23
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Der UNO-Syrien-Gesandte Staffan de Mistura warnt vor der völligen Zerstörung des Ostteils von Aleppo bis Weihnachten. Tausende weitere Zivilisten würden umkommen und Tausende zu fliehen versuchen, wenn Syriens von Russland unterstützte Luftwaffe ihre Angriffe in den nächsten Wochen ungehindert fortsetze, sagte de Mistura am Donnerstag in Genf.

Das nordsyrische Aleppo – vor dem Krieg die Wirtschaftsmetropole und mit gegen drei Millionen Einwohnern knapp vor Damaskus die grösste Stadt des Landes – gehört zu den umkämpftesten Gebieten im syrischen Bürgerkrieg.

Anhänger des Regimes kontrollieren den Westen Aleppos, Rebellen den Osten. Dieser Teil der Stadt hatte in den vergangenen zwei Wochen die heftigsten Angriffe der syrischen und russischen Luftwaffe seit Ausbruch des Konfliktes im Frühjahr 2011 erlebt.

Die Welt habe die moralische Pflicht, die humanitäre Tragödie zu beenden, die sich in Aleppo abspiele, sagte de Mistura. Allein in den vergangenen Tagen seien durch die anhaltenden Bombardierungen in Ost-Aleppo mehr als 300 Menschen getötet worden – unter ihnen etwa 100 Kinder.

An over-crowded graveyard is pictured in the rebel held al-Shaar neighbourhood of Aleppo, Syria October 6, 2016. REUTERS/Abdalrhman Ismail
Ein überbordender Friedhof in Aleppo. Allein in den vergangenen Tagen sind durch anhaltende Bombardierungen in Ost-Aleppo mehr als 300 Menschen getötet worden. Bild: ABDALRHMAN ISMAIL/REUTERS

Russland und Syrien müssten sich fragen lassen, ob sie tatsächlich wegen noch rund 900 bis 1000 Al-Nusra-Kämpfern in Ost-Aleppo ein Stadtgebiet mit 275'000 Einwohnern völlig in Schutt und Asche legen wollten, unter ihnen rund 100'000 Kinder, sagte de Mistura.

Am Donnerstagabend beantragte Russland für Freitag eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates. Wie Diplomaten sagten, soll de Mistura bei der Sitzung per Videoschaltung über die Lage in Aleppo berichten.

A boy plays with a bicycle past damaged buildings in the rebel held Seif al-Dawla neighbourhood of Aleppo, Syria October 6, 2016. REUTERS/Abdalrhman Ismail
Russland und Syrien müssten sich fragen, ob sie tatsächlich wegen noch rund 900 bis 1000 Al-Nusra-Kämpfern in Ost-Aleppo ein Stadtgebiet mit 275'000 Einwohnern völlig in Schutt und Asche legen wollten, unter ihnen rund 100'000 Kinder.Bild: ABDALRHMAN ISMAIL/REUTERS

UNO-Gesandter will Abzug begleiten

De Mistura widersprach russischen Angaben, wonach die Hälfte der rund 8000 in Ost-Aleppo eingeschlossenen Aufständischen zu der Al-Kaida nahestehenden Al-Nusra-Front gehöre, die sich inzwischen Fatah-al-Scham-Front nennt. Zugleich rief er alle Konfliktparteien auf, die Tragödie zu beenden, indem den Al-Nusra-Anhängern der Abzug ermöglicht werde. Er wäre bereit, sie dabei persönlich zu begleiten.

Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte am Donnerstagmorgen, Aleppo habe die ruhigste Nacht seit dem Scheitern der Waffenruhe im vergangenen Monat erlebt. Die heftigen Kämpfe zwischen Regime-Anhängern und Rebellen gingen jedoch weiter.

Nach Angaben der in Grossbritannien ansässigen Beobachtungsstelle rückten die Regierungstruppen am Mittwoch vom Stadtzentrum von Aleppo in das nördliche Viertel Bustan al-Bascha vor, das seit 2013 von Rebellen kontrolliert wird.

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Das nordsyrische Aleppo – vor dem Krieg die Wirtschaftsmetropole und mit gegen drei Millionen Einwohnern knapp vor Damaskus die grösste Stadt des Landes – gehört zu den umkämpftesten Gebieten im syrischen Bürgerkrieg.Bild: AP/Aleppo Media Center

Assad gibt sich siegessicher

Die syrischen Truppen können nach den Worten von Präsident Baschar al-Assad das Land vollständig zurückerobern. In einem am Donnerstag verbreiteten Interview mit dem dänischen Sender TV 2 sagte Assad, er bevorzuge jedoch Vereinbarungen vor Ort und Amnestien, die es Rebellen erlaubten, in andere Regionen zu ziehen. Die syrische Armee wird von schiitischen Milizen aus dem Libanon und dem Irak sowie von Russland unterstützt.

Russland verstärkt unterdessen seine militärische Präsenz in der Region. Ein mit Marschflugkörpern bewaffnetes russisches Kriegsschiff lief aus seinem Heimathafen Sewastopol im Schwarzen Meer in Richtung Mittelmeer aus. Dort werde die Korvette «Mirasch» zu einer Gruppe weiterer russischer Kriegsschiffe stossen, meldeten Nachrichtenagenturen unter Berufung auf einen Flottensprecher.

US-Aussenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow hatten zuvor trotz des Abbruchs ihrer Syrien-Gespräche miteinander telefoniert und dabei auch über das Bürgerkriegsland gesprochen, wie ein Sprecher des Aussenministeriums in Washington sagte. Aus Moskau verlautete, Russland wolle den Dialog mit den USA fortsetzen.

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Syrische Soldaten in der Nähe von Aleppo.Bild: EPA/SANA

Französischer Resolutionsentwurf

Auch der französische Aussenminister Jean-Marc Ayrault trieb die diplomatischen Bemühungen voran: Er besuchte am Donnerstag Moskau und wurde am Freitag in Washington erwartet, um für einen französischen Resolutionsentwurf im UNO-Sicherheitsrat zu Syrien zu werben.

Wie Lawrow mitteilte, reist der russische Präsident Wladimir Putin zudem am 19. Oktober nach Frankreich. Bei einem Treffen mit Präsident François Hollande werde es auch um den Syrien-Konflikt gehen. (sda/dpa/afp/reu)

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FrancoL
07.10.2016 00:35registriert November 2015
Liebes Watson-Team, was mir langsam auf den Geist geht sind immer die Bilder der Zerstörung, zusammenhanglos ohne Anhaltspunkte ins Netz gestellt. Nicht zu erwähnen brauche ich die sehr unterschiedlichen Zahlen bezüglich den bedrohten Menschen in den Rebellenstellungen, die ja offensichtlich auch von Terroristen bewirtschaftet werden. Darum meine einfache Bitte:

Ist es nicht möglich in einer Karte die Gebiete einmal grob zu kennzeichnen und vielleicht mit relevanten Zahlen zu versehen. Dies sollte doch heute im Zeitalter der Kommunikation und der Graphik keine Hexerei sein. Es danken Viele.
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Maragia
07.10.2016 00:09registriert April 2016
Rebellengebiet, dann wird aber wieder von Al-Nusra kämpfern gesprochen, was Terroristen sind. Ausserdem dachte icht, dass in Ost-Aleppo "nur" noch rund 30'000 Menschen leben, nicht wie hier beschrieben 275'000!!
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Maett
07.10.2016 00:19registriert Januar 2016
Sehr traurig. Aber hätten gewisse Staaten die Djihadisten (Entschuldigung, Rebellen) am Boden nicht mit Flugabwehr- und panzerbrechenden Waffen ausgestattet, hätte man das bereits mit einem Bruchteil der Toten hinter sich gebracht.

Was will man sonst machen? Assad stürzen und die sogenannte Opposition an die Macht kommen lassen? Das würde gleich nochmal viel mehr Leben kosten und ein weiterer Gottesstaat entstehen lassen.

Dass die USA inzwischen ratlos sind, hilft ebenfalls nicht weiter - nächstes Mal wäre es zu wünschen, wenn dort mal etwas Hirn walten würde, wem man so Waffen liefert.
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