Die türkische Oppositionspartei CHP will offiziell die Annullierung des Volksentscheids beantragen. Sie kündigte in einer Erklärung an, am Dienstagnachmittag um 14.30 Uhr (13.30 Uhr MESZ) bei der Hohen Wahlkommission einen Annullationsantrag zu stellen.
Bereits am Sonntag, am Tag der Abstimmung, hatte die Opposition eine Manipulation der Abstimmung kritisiert. Das Regierungslager hatte die Abstimmung über die Stärkung der Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan knapp gewonnen.
Für Streit sorgte ein Beschluss der Wahlkommission (YSK), die während der laufenden Abstimmung entschied, auch nicht offiziell zugelassene Wahlunterlagen als gültig zu werten. Die prokurdische HDP und die CHP stellten daraufhin die Legitimität der Abstimmung in Frage und forderten eine Neuauszählung von zwei Drittel der Stimmen.
Auch die internationalen Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates hatten die Abstimmung kritisiert. Unter dem Ausnahmezustand seien Grundfreiheiten eingeschränkt gewesen, «die für einen demokratischen Prozess wesentlich sind». Die Betrugsvorwürfe der Opposition wollten sie aber nicht bestätigen.
Die österreichische Abgeordnete Alev Korun (Grüne), die für den Europarat als Wahlbeobachterin in der Türkei unterwegs war, sagte jedoch am Dienstag im Ö1-Morgenjournal, es gebe den Verdacht, dass bis zu 2,5 Millionen Stimmen manipuliert worden seien. Die Beschwerden hätten ein Ausmass, das das Wahlergebnis drehen würde, sagte sie. Auch die türkische Anwaltskammer beklagte gravierende Gesetzesverstösse.
Laut dem vorläufigen Endergebnis stimmten 51,4 Prozent der Türken für die umstrittene Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems. 48,6 Prozent lehnten dies ab. Der Abstand zwischen den beiden Lagern betrug 1,38 Millionen Stimmen.
Der türkische Premierminister Binali Yildirim wandte sich bereits an die Oppositionspartei und bat diese, den Entscheid zu akzeptieren. «Die Opposition soll nicht die Stimme erheben, nachdem das Volk gesprochen hat.», sagte Yildirim am Dienstag. (ohe/sda/afp/dpa/reu)