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Anschlag in Istanbul: Zahlreiche Tote bei Anschlag am Flughafen

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Terror in Istanbul: Angriff auf das Tor zur Türkei
Grosser Schock: Die türkische Metropole gerät erneut ins Visier von Attentätern.
quelle: ap/ap / emrah gurel
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Terror in Istanbul: 44 Tote, darunter 13 Ausländer ++ Swiss streicht Flüge ++ EDA: Keine Schweizer Opfer ++ PKK distanziert sich

28.06.2016, 21:2129.06.2016, 13:22
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Das Wichtigste in Kürze:

  • Bei einem Terrorangriff auf den Istanbuler Flughafen Atatürk sind mindestens 44 Menschen getötet worden.
  • Bei den Toten handelt es sich nach türkischen Regierungsangaben um 41 Zivilisten und die drei Selbstmordattentäter.
  • Mindestens 147 weitere Menschen wurden verletzt, 130 von ihnen befinden sich in Spitalpflege.
  • Inzwischen ist der Flughafen wieder offen. Trotzdem fallen hunderte Flüge aus, allein Turkish Airlines streicht 340 Flüge. Die Swiss streicht heute Mittwoch alle Flüge von und nach Istanbul.

Verdacht auf Anschlag des «IS»

Ministerpräsident Binali Yildirim sagte bei einem Besuch am grössten Flughafen der Türkei, erste Hinweise deuteten auf die Terrororganisation «Islamischer Staat» («IS») als Urheberin des Terroranschlags hin. Ein Sprecher der kurdischen Arbeiterpartei PKK hat sich gemäss der Zeitung Cumhyriyet folgendermassen distanziert: «Wir kämpfen gegen das türkische Militär, wir greifen keine Zivilisten mit Selbstmordattentätern an.»

Unter den Opfern seien mindestens 23 Türken und 13 Ausländer, das berichtet die französische Nachrichtenagentur AFP. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hatte zuvor mitgeteilt, es seien keine Schweizer Staatsangehörige unter den Toten.

Im Terminal in die Luft gesprengt

Noch am Morgen war von insgesamt 39 Toten die Rede. Ein türkischer Regierungsvertreter sagte, fünf Saudiaraber, zwei Iraker sowie je ein Bürger aus Tunesien, Usbekistan, China, dem Iran, der Ukraine und Jordanien seien getötet worden.

Nach Yildirims Angaben trafen die Attentäter am Dienstagabend mit dem Taxi am Flughafen ein. Im Terminalgebäude hätten sie dann das Feuer aus Maschinengewehren eröffnet, ehe sie sich selbst in die Luft sprengten. Zur Identität und Herkunft der Angreifer machte er keine Angaben.

Woher kamen die Attentäter?

Aus türkischen Regierungskreisen hiess es, keiner der drei Selbstmordattentäter habe die Sicherheitsschleusen am Eingang des internationalen Terminals passiert. Augenzeugenberichte und Videos in sozialen Medien deuteten dagegen darauf hin, dass einer oder mehrere Angreifer in den Innenbereich des Terminals gelangten.

Augenzeugen: Es war eine «wahllose Schiesserei»
Der Südafrikaner Paul Roos hielt sich zum Zeitpunkt der Attacken im Flughafen auf. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters schildert er seine Eindrücke von einem der Attentäter: «Er schoss auf jeden, der ihm in die Quere kam. Der Mann war ganz in schwarz gekleidet und nicht maskiert. Es war eine wahllose Schiesserei.» Ein weiterer Augenzeuge, Oftah Mohammed Abdullah, berichtet gegenüber AP, einer der Attentäter habe plötzlich eine Waffe aus der Jacke gezogen und zu Schiessen begonnen. Der Attentäter habe in aller Ruhe agiert, er sei wie ein «Prophet» durch die Halle gelaufen. (tat)

Aus Regierungskreisen hiess es weiter, zwei der Angreifer hätten sich vor dem Ankunftsbereich des Internationalen Terminals in die Luft gesprengt, ein weiterer auf dem angrenzenden Parkplatz. Mindestens einer der Angreifer sei von der Polizei beschossen worden, bevor er seine Sprengstoffweste gezündet habe.

Flugverkehr wieder aufgenommen

Die Airline bot allen Reisenden mit Buchungen von oder nach Atatürk Airport an, die Flüge kostenlos umzubuchen oder zu stornieren. In der Nacht waren etliche ratlose Reisende vor dem Flughafen gestrandet, die vor den Terrorangriffen aus dem Terminal geflohen waren. Nach dem Angriff hatte Ministerpräsident Binali Yildirim den Flughafen noch in der Nacht besucht. Er hatte den Flughafen für landende und startende Flüge wieder für geöffnet erklärt. Die Schweizer Fluggesellschaft Swiss hat ihre beiden Flüge vom Mittwoch gestrichen. Die betroffenen Kunden können gratis umbuchen.

Aufräumarbeiten im Gange: Mitarbeiter der Flughafens räumen beschädigte Scheiben weg.
Aufräumarbeiten im Gange: Mitarbeiter der Flughafens räumen beschädigte Scheiben weg.Bild: OSMAN ORSAL/REUTERS

Der Atatürk-Flughafen – der in etwa ein Passagieraufkommen wie das Lufthansa-Drehkreuz in Frankfurt hat – liegt auf der europäischen Seite Istanbuls. Auf der asiatischen Seite der Millionenmetropole liegt der kleinere Flughafen Sabiha Gökcen.

Die Polizei sperrte den Atatürk-Flughafen weiträumig ab. Fotos vom Anschlagsort zeigten ein Bild der Verwüstung ausserhalb des Ankunftsterminals, wo Passagiere normalerweise auf Taxis warten. Auf einem Foto war ein auf dem Boden liegendes Schnellfeuergewehr zu sehen.

Erdogan appelliert an Westen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kam in Ankara zu einem Krisentreffen mit Ministerpräsident Yildirim und Armeechef Hulusi Akar zusammen. In einer Mitteilung rief Erdogan die Welt zum entschlossenen Handeln gegen die Terrorbedrohung auf, besonders die westlichen Staaten.

Das Attentat müsse ein Wendepunkt im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus sein. Die Bomben hätten in jedem Flughafen auf der ganzen Welt detonieren können. «Jeder soll wissen, dass die Terrororganisationen nicht unterscheiden zwischen Istanbul und London, Ankara und Berlin, Izmir und Chicago, Antalya und Rom», liess sich Erdogan zitieren.

Hofft auf einen Wendepunkt in der weltweiten Terrorbekämpfung: Recep Tayyip Erdogan.
Hofft auf einen Wendepunkt in der weltweiten Terrorbekämpfung: Recep Tayyip Erdogan.Bild: Lefteris Pitarakis/AP/KEYSTONE

Die Regierungen der USA, Deutschlands und Frankreichs verurteilten den Terrorangriff. Gleiches tat auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon. Er hoffe, dass die Verantwortlichen hinter der Attacke identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden könnten.

Bundespräsident Johann Schneider-Ammann schrieb am Mittwochmorgen, die Schweiz sei «erschüttert über den schrecklichen Anschlag» am Flughafen von Istanbul. «Wir trauern um die Opfer. Unsere Gedanken sind bei ihnen, den zahlreichen Verletzten und ihren Familien.»

Wiederholte Anschläge

Die Türkei war in den vergangenen Monaten mehrmals Ziel terroristischer Anschläge. Bei einem «IS»-Selbstmordanschlag im Istanbuler Zentrum waren im Januar zwölf deutsche Touristen getötet worden.

Am Tag danach: In Teilen des Flughafens Atatürk herrscht – scheinbar – schon wieder Courant normal.
Am Tag danach: In Teilen des Flughafens Atatürk herrscht – scheinbar – schon wieder Courant normal.Bild: SEDAT SUNA/EPA/KEYSTONE

(cma/sda/dpa/afp/reu)

Bombenanschläge in Istanbul seit August 2015
Die türkische Metropole Istanbul war in den vergangenen Monaten immer wieder das Ziel von Attentaten mit Bomben. Einige Fälle:
Juni 2016: Die Explosion einer ferngezündeten Autobombe tötet im Zentrum Istanbuls elf Menschen. Eine PKK-Splittergruppe bekennt sich auf ihrer Internetseite zur Tat.
Mai 2016: Bei einem Autobombenanschlag auf das Militär werden fünf Soldaten und drei Zivilisten verletzt. Nach türkischen Medienberichten bekennt sich die PKK zum Anschlag.
März 2016: Ein Attentäter sprengt sich auf der zentralen Einkaufsstrasse Istiklal in die Luft und reisst vier Menschen mit in den Tod, 39 weitere werden verletzt. Laut türkischer Regierung hatte der Attentäter Verbindungen zum «IS».
Januar 2016: Bei einem Anschlag im historischen Zentrum Istanbuls werden zwölf Deutsche getötet. Der Angreifer sprengt sich mitten in einer deutschen Reisegruppe in die Luft. Der Attentäter gehört nach Angaben der türkischen Regierung dem «Islamischen Staat» («IS») an.
August 2015: Bei einem Bombenanschlag und einem anschliessenden Angriff auf eine Polizeiwache werden mindestens vier Menschen getötet. Laut türkischen Medien bekennt sich die PKK zu der Tat. (sda/dpa)
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56 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jasjmin
28.06.2016 22:09registriert Dezember 2014
Wenn ich solche Bilder sehe, blutet mein Herz.
Wie lange muss es noch so weiter gehen?
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FrancoL
29.06.2016 10:06registriert November 2015
Ich bringe wieder das alte Thema:

A) Wenn die Umgebung des Terrorismus , dessen Alimentation nicht ernsthaft bekämpft wird und zwar Regionen übergreifend werden wir weiterhin solche Anschläge erleben.

B) Wenn die Grundursachen die zum Terrorismus führen nicht abgehandelt und eliminiert werden, werden wir weiterhin solche Anschläge erleben.

Es ist die Staatengemeinschaft die am gleichen Strick ziehen muss, aber dies ist wohl ein Wunschdenken, denn zu viele Geschäfte und Machentfaltungen hängen in der Causa Terror.
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meglo
29.06.2016 09:08registriert März 2016
Es ist schon ein starkes Stück, dass der Brandstifter nun nach der der Feuerwehr ruft. Erdogan ist es doch, der den IS sei Jahren teils offen, teils heimlich, unterstützt: Seit Jahren kauft die Türkei den Kriegsverbrechern des IS das Öl aus den erbeuteten Ölfeldern ab. Ohne dieses Geld und ohne logistische Unterstützung aus der Türkei wäre der IS doch nie so stark geworden. Nun muss Erdogan feststellen, dass tollwütige Hunde auch jene beissen, die sie füttern. Ob er etwas daraus lernt?
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