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Terror in Berlin: Jetzt spricht der Vater von Anis Amri

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Anis Amri trat in Europa unter verschiedenen Namen auf.Bild: HANDOUT/REUTERS

Anis Amris Vater: «Er hat getrunken und gestohlen, aber er wurde in Europa radikalisiert»

22.12.2016, 10:4422.12.2016, 11:01
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Mit Hochdruck fahnden die deutschen Behörden nach dem Tunesier Anis Amri. Er wird verdächtigt, den Terroranschlag mit einem Lastwagen auf dem Weihnachtsmarkt bei der Berliner Gedächtniskirche verübt zu haben. Nun hat sich Amris Familie zu Wort gemeldet. Sie schildert eine Karriere, die typisch ist für viele Dschihadisten: Vom Kleinkriminellen zum Massenmörder.

Anis Amri stammt aus Oueslatia, einem verarmten Dorf in der Umgebung der Stadt Kairouan. Diese gilt als Hotspot der tunesischen Salafisten, hier wurden junge Männer für den Dschihad rekrutiert, ehe die Regierung 2013 dagegen vorging. Anis allerdings sei bis zu seiner Flucht nach Europa nie religiös oder intolerant gegenüber Andersgläubigen gewesen, erklärte sein Vater der britischen Zeitung «The Times».

People pass a street vendor selling traditional confectioneries in front of the Uqba ibn Nafi mosque, also known as the Great Mosque, during a celebration to mark the birthday anniversary of Prophet M ...
Kairouan gilt als heilige Stadt und als Zentrum der tunesischen Salafisten.Bild: ZOUBEIR SOUISSI/REUTERS

Sein Sohn sei ein normaler Teenager gewesen, mit einer Leidenschaft für Fussball. «Er war ehrgeizig und wollte seinen gesellschaftlichen und finanziellen Status verbessern», sagte der Vater. Angesichts der drückenden Armut habe Anis jedoch die Sekundarschule in Kairouan abbrechen müssen. Dafür kam er mit Alkohol und Drogen in Kontakt. Wegen Diebstählen und Gewaltdelikten kam er wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt.

Vier Jahre Gefängnis in Italien

Die Wirren nach dem Sturz von Diktator Ben Ali Anfang 2011 nutzte Anis Amri zur Flucht nach Italien, wo er wegen Diebstählen und Brandstiftung an einer Schule zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde. «Dort traf er extremistische Gruppen, von denen er sich angezogen fühlte», sagte Amris Vater.

2015 zog Amri weiter nach Deutschland, wo er sich als syrischer Flüchtling ausgab und um Asyl ersuchte. Er hielt weiter Kontakt zu seinen sieben Geschwistern – drei Brüder und vier Schwestern –, mit dem Vater jedoch habe er seit seiner Flucht aus Tunesien nie mehr gesprochen. «Einmal schickte er mir ein Mobiltelefon und eine Schachtel Schokolade über einen tunesischen Freund, der in Italien lebte.»

In Deutschland geriet Anis Amir, der sechs verschiedene Namen verwendet haben soll, erneut in den Dunstkreis von Salafisten, darunter der Hassprediger Ahmad Abdulaziz Abdullah A. alias «Abu Walaa», der kürzlich verhaftet wurde. Amris Asylgesuch wurde abgelehnt und er selber von den Staatsschützern als «Gefährder» eingestuft. Eine Abschiebung nach Tunesien war wegen fehlender Papiere nicht möglich. 

Geschwister sind schockiert

Nun wird er dringend verdächtigt, den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt verübt zu haben. Seine Geschwister zeigten sich fassungslos. «Ich kann nicht glauben, dass er so etwas tun könnte», sagte seine Schwester Najoua der Nachrichtenagentur AFP. «Er gab uns nie das Gefühl, dass etwas falsch lief. Wir hatten Kontakt über Facebook, er hat immer gelacht und war fröhlich.»

Anis' Bruder Abdelkader äusserte sich deutlicher: «Ich war schockiert und konnte nicht glauben, dass er dieses Verbrechen begangen hat. Wenn er schuldig ist, verdient er jede Bestrafung. Wir distanzieren uns von Terrorismus und Terroristen – wir haben nichts mit Terroristen zu tun.» (pbl)

Berlin trauert

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Berlin trauert
Der Schock sitzt Berlin am Tag nach dem Attentat tief in den Knochen.
quelle: x02197 / hannibal hanschke
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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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CASSIO
22.12.2016 12:07registriert Februar 2014
Und er wurde in Tunesien zu einem manipulierbaren Menschen erzogen. Europa nun die Schuld zu geben, ist schwach, aber offenbart vieles. Ein Zeichen dafür, dass wir hier auf dem falschen Weg sind.
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