«Die Fundamentalisten wollen weit mehr als einfach nur Häuser zerstören. Diese Leute sind – es folgt eine knappe Liste – gegen Redefreiheit, gegen ein Multi-Parteien-System, gegen das universelle Stimmrecht, gegen eine rechenschaftspflichtige Regierung, gegen Juden, Homosexuelle, Frauenrechte, gegen Pluralismus, Säkularismus, kurze Röcke, Tanzen, Bartlosigkeit, die Evolutionstheorie, gegen Sex. Sie sind Tyrannen, keine Muslime.
UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte, dass wir uns in diesen Zeiten nicht nur dadurch definieren sollen, für was wir einstehen, sondern auch dadurch, wovon wir uns abgrenzen. Ich würde diesen Vorschlag gerne umkehren, denn es ist glasklar, wovon wir uns abgrenzen. Sich suizidierende Mörder, welche riesige Flugzeuge ins World Trade Center und ins Pentagon rammen und dabei tausende Menschen umbringen: Hm ja, da bin ich dagegen.
Aber wofür stehe ich ein? Wofür würde ich mein Leben riskieren, um es zu verteidigen? Können wir einstimmig übereinkommen, dass sämtliche Dinge der obigen Liste – ja, auch die kurzen Rücke und das Tanzen – es wert sind, dafür zu sterben?
Der Fundamentalist ist der Überzeugung, wir würden an nichts glauben. Er glaubt, seine Weltanschauung sei in Stein gemeisselt, während wir in Genusssucht untergehen.
Um zu beweisen, dass er falsch liegt, müssen wir als erstes wissen, dass er falsch liegt: Sich in der Öffentlichkeit küssen, Specksandwiches, Meinungsverschiedenheiten, die neuste Mode, Literatur, Grosszügigkeit, Wasser, eine fairere Verteilung der Ressourcen dieser Welt, Filme, Musik, Meinungsfreiheit, Schönheit, Liebe. Das sind unsere Waffen. Nicht mit Krieg, sondern mit unserer furchtlosen Lebensweise werden wir sie besiegen. Wie kann man Terrorismus besiegen? Indem man sich nicht terrorisieren lässt. Lass Angst nicht dein Leben dominieren. Auch wenn du dich fürchtest.»
Salman Rushdie in «Step Across This Line: Collected Nonfiction 1992-2002»
(tog)