Der ehemalige UNO-Flüchtlingskommissar António Guterres übernimmt am 1. Januar das höchste Amt der Vereinten Nationen. Die Vollversammlung wählte den 67-jährigen Portugiesen am Donnerstag in New York zum neuen UNO-Generalsekretär und bestätigte damit eine entsprechende Entscheidung des Sicherheitsrates.
Guterres, dessen Mandat für fünf Jahre gilt, rief in seiner Rede vor den UNO-Diplomaten zu einem Ende des Bürgerkrieges in Syrien auf. «Welche Differenzen jetzt auch immer bestehen mögen – es ist wichtiger zu einen», sagte er. Es gebe «eine moralische Pflicht für alle, dem Leiden des syrischen Volkes ein Ende zu setzen». «Es ist höchste Zeit, für den Frieden zu kämpfen», appellierte Guterres.
Als weitere Schwerpunkte seiner künftigen Arbeit nannte er den Kampf gegen «Terrorgruppen und gewalttätige Extremisten» sowie gegen Äusserungen «des Populismus und der Fremdenfeindlichkeit».
Die UNO-Vollversammlung, der alle 193 Mitgliedsstaaten angehören, bestätigten wie erwartet die Nominierung des Sicherheitsrates. Das mächtigste UNO-Gremium hatte vergangene Woche einstimmig eine Resolution zur Wahl von Guterres beschlossen. Dieser löst nun am 1. Januar den Südkoreaner Ban Ki Moon ab, der zehn Jahre an der Spitze der UNO gestanden hatte. Bis dahin soll Guterres mit seinem Übergangsteam Büros gegenüber dem UNO-Sitz in New York beziehen.
Ban würdigte Guterres vor der Vollversammlung als renommiert und engagiert. So habe er sich bereits an den «Frontlinien bewaffneter Konfliktlinien und humanitärer Not» profiliert. Guterres' Antrieb stehe im Einklang mit den Zielen der Vereinten Nationen: «Zusammenarbeit für das Allgemeinwohl und geteilte Verantwortung für die Menschen und den Planeten.»
Der 67-jährige Guterres, der von 1995 bis 2002 die Regierung in Portugal leitete, wird der erste frühere Regierungschef an der Spitze der UNO. Für ihn sprechen seine grosse Erfahrung bei den Vereinten Nationen und seine Bilanz als Reformer. Beobachter bezeichnen ihn als Humanisten, aber auch als Realisten, als echten «Macher».
Erst Anfang des Jahres hatte Guterres die Nominierung der Sozialistischen Partei (PS) für die Präsidentenwahl in Portugal ausgeschlagen. Der Grund: «Ein Staatsoberhaupt ist so etwas wie ein Schiedsrichter. Ich möchte aber Ball spielen, ich möchte auf dem Feld sein, Action haben, ständig eingreifen», sagte er in einem Fernsehinterview. Schon als Student habe er «eine Gesellschaft voller Ungerechtigkeiten verändern» wollen.
Guterres war nach seiner Zeit als Ministerpräsident von 2005 an zehn Jahre lang UNO-Flüchtlingskommissar. In dieser Zeit reduzierte er den Verwaltungsapparat des UNHCR in Genf um ein Drittel und steigerte die Flexibilität der Organisation bei der Reaktion auf internationale Krisen.
Der UNO-Generalsekretär steht einem Apparat von weltweit 44'000 Mitarbeitern vor und spielt auch eine politische Rolle, indem er Krisengebiete bereist, mit Spitzenpolitikern zusammenkommt und innerhalb der Weltorganisation eigene politische Schwerpunkte setzt.
An der Spitze der Vereinten Nationen will der gelernte Ingenieur, der als Student in den Armenvierteln Lissabons Sozialarbeit verrichtete, nun seine «ganze Erfahrung einsetzen», wie er kürzlich betonte.
Ein Pluspunkt von Guterres ist auch, dass der zweifache Familienvater fliessend Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch spricht. Es wurde erwartet, dass Guterres der UNO eine stärkere Stimme verleiht als bisher. Ban wird vorgeworfen, zu zögerlich agiert zu haben.
«Jeder ist bei Ban sehr höflich, aber seien wir ehrlich: Jeder weiss, dass er kein starker Generalsekretär war – weder bei internen Reformen noch bei äusserer Führung», sagte ein Diplomat im UNO-Sicherheitsrat.
Nach den ungeschriebenen regionalen Verteilungsprinzipien der UNO wäre eigentlich ein Vertreter aus Osteuropa an der Reihe gewesen. Viele hatten für eine Frau plädiert – alle bisherigen Generalsekretäre waren Männer. Im Gespräch war unter anderem die Vizepräsidentin der EU-Kommission, die Bulgarin Kristalina Georgiewa, gewesen.
Als sich die Wahl Guterres' zum UNO-Generalsekretär abzeichnete, gab es in seiner Heimat vor allem Jubel und Lob. «António Guterres war und ist ganz klar der beste Kandidat für den Posten – nicht nur wegen seiner persönlichen Qualitäten, sondern auch wegen seiner Erfahrungen bei den Vereinten Nationen», erklärte Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa.
Aussenminister Augusto Santos Silva fügte hinzu, Guterres sei eine ideale Wahl für die Aufgabe des UNO-Generalsekretärs: «António Guterres hat die Fähigkeit, Brücken zu bauen.» (kad/sda/afp/dpa)