Ende November erhielt Bruce Springsteen von US-Präsident Barack Obama die Freiheitsmedaille, die höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten. Die Rock-Ikone aus New Jersey wurde mit 20 weiteren illustren Persönlichkeiten geehrt. Es dürfte kein Zufall sein, dass sich der «Boss» darunter befand. Seit Jahren engagiert er sich politisch für die Demokraten. Er unterstützte Obama in beiden Wahlkämpfen, dieses Jahr machte er sich für Hillary Clinton stark.
Genützt hat es bekanntlich nichts. Clinton gewann zwar deutlich mehr Stimmen als der Republikaner Donald Trump, doch der schaffte die entscheidende Hürde: Er liegt bei den Wahlmännern klar vorne, und dies dank seinen Erfolgen im so genannten «Rust Belt». Er holte die Bundesstaaten Michigan, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin, die zweimal Obama gewählt hatten. Daran dürften auch die geforderten Nachzählungen nichts ändern.
Seither herrscht bei Amerikas Linken Katzenjammer. Man ringt sich mühsam zur Erkenntnis durch, dass man die Stimmungslage in diesen ausgepowerten Industriestaaten völlig verkannt hat. Die Demokraten finden keinen Draht mehr zu Angehörigen des Mittelstands, die sich im echten oder gefühlten Niedergang befinden, weil gut bezahlte Jobs ins Ausland verschwunden sind. Und die sich von Trumps protektionistischer Botschaft ansprechen liessen.
Michael Luongo, ein Dozent an der Universität Michigan in Ann Arbor, war über Trumps Sieg nicht schockiert, wie er in einem stark beachteten Gastkommentar auf CNN schreibt. Er sah ihn vielmehr kommen. Schon der «Sozialist» Bernie Sanders war bei den Wählern weit besser angekommen als Hillary Clinton, er gewann in Michigan die Vorwahl der Demokraten.
Er habe das kommen sehen, schreibt Luongo, «denn der Boss hat es mir erzählt». Also Bruce Springsteen. Der Autor nennt es das «Springsteen-Paradox». Die elitären Fans, die sich die teuren Tickets für seine Konzerte (sie kosten teilweise mehrere 100 Dollar) leisten können, hätten keinen Bezug mehr zu den Menschen, über die der «Boss» in seinen Liedern singt. Den «kleinen Leuten» aus der Arbeiterklasse, die nun Trump wählen und Springsteen selber nicht mehr zuhören.
Michael Luongo kennt die Welt der Springsteen-Songs. Er ist in Freehold im Bundesstaat New Jersey aufgewachsen, der Heimatstadt des Superstars. Die geschlossene Teppichfabrik, die dieser auf dem Album «Born in the USA» im Song «My Hometown» besingt, ist dem Akademiker mehr als nur ein Begriff. Obwohl er selber aus einer Mittelstandsfamilie stammte, besuchte er die Schule gemeinsam mit Kindern der Arbeiter aus der besagten Fabrik.
«Die Arbeiterklasse war für mich nichts Abstraktes. Die Kinder waren meine Freunde, ebenso ihre Familien, die harte Zeiten durchmachten, die nie aufzuhören schienen», schreibt Luongo. Heute lebt er in Ann Arbor. Obwohl die Universitätsstadt ein Vorort der Metropole Detroit ist, könnte sie sich genauso gut auf einem anderen Planeten befinden. Ann Arbor sei «eine der elitärsten Blasen im Mittleren Westen», ihre Einwohner und Studenten hätten sich vollkommen abgesondert von Amerikas Arbeitern.
Als Beispiel nennt er Wirtschaftsstudenten, deren imaginäre Businesspläne eine Produktion in China vorsehen, und das praktisch in Sichtweite der abgewrackten Autostadt Detroit mit ihren Industrieruinen. «Verspüren sie gar keinen Wunsch, ihren amerikanischen Landsleuten wieder Arbeit zu verschaffen?», fragt sich Luongo. Weil er kein Auto besitze, komme er noch in Kontakt mit den «einfachen Leuten», die sich mehr schlecht als recht durchschlagen. Etwa mit Taxifahrern, deren prekäre Existenz durch Apps wie Uber zusätzlich gefährdet werde.
«Das Springsteen-Paradox zeigt einen Empathiegraben auf, der geschlossen werden muss», meint Luongo. Seine Rezepte wirken jedoch ziemlich hilflos: Im Restaurant essen statt den Lieferdienst nutzen, an der bedienten Kasse anstehen statt die Einkäufe selber scannen. Mit dem Springsteen-Paradox aber hat er einen wesentlichen Faktor für Donald Trumps Wahlsieg anschaulich umschrieben: die Selbstgefälligkeit der globalisierten Eliten.
Leute, im wirklichen Elfenbeinturm sitzen Bänker (und Trumps), keine Linken. Es ist die Wirtschaftselite, welche die Menschen schröpft, NICHT die Linken. Diese wissen zwar nicht genau, wie den Arbeitern und Armen geholfen werden soll (was teilweise aus ihrem Unvermögen, aber zu einem Grossteil aus der komplexen Realität selbst entsteht. SIE sind nicht, die die Ungerechtigkeit perpetuieren. Also echt jetzt!!!
Die linke Botschaft ist einfach schöner verpackt. Moralische Überlegenheit durch Wohlstand. Der Ablass des 21. Jhds. Leider können sich dies immer weniger leisten, u.a. weil es einfach an zu viele verschenkt wird.