Das Rennen um den Einzug ins Weisse Haus schien entschieden: Nachdem das Video mit den sexistischen Frotzeleien des Kandidaten Trump aufgetaucht war, schien Hillary Clinton uneinholbar vorn zu liegen. Dann kam der Freitag, der 28. Oktober, als FBI-Chef Comey von neu aufgetauchten Mails berichtete, die für die Clinton-Untersuchung anscheinend «relevant» seien.
Seither fragen sich Amerika und die Welt: Wird das E-Mail-Debakel Clinton auf der Zielgeraden zum Verhängnis? Tatsächlich zeigen erste Umfrage-Ergebnisse nach Comeys Intervention, dass Trump seinen Rückstand auf die demokratische Kandidatin weiter verringern konnte.
Eine im Auftrag des TV-Senders ABC und der «Washington Post» durchgeführte Erhebung, die am Sonntag veröffentlicht wurde, sieht Clinton nur noch einen Prozentpunkt vor Trump – 46 Prozent gegenüber 45 Prozent. Dies, nachdem die Demokratin sich vor einer Woche noch über einen 12-Punkte-Vorsprung (45% gegenüber 33%) freuen konnte. Da nur ein Teil der Umfrage nach der Ankündigung des FBI-Chefs stattgefunden hatte, könnte Clintons Vorsprung noch weiter erodieren.
In einer CBS-Umfrage in den besonders umkämpften Swing States sagten jedoch nur gerade 5 Prozent der befragten Demokraten, sie würden Clinton nun weniger unterstützen. 13 Prozent gaben sogar an, sie würden ihre Kandidatin jetzt eher unterstützen. 50 Prozent sahen keine Änderung – nur wenig mehr als bei den Republikanern, bei denen aber gut ein Viertel angab, Clinton nun weniger zu unterstützen.
FBI director James Comey’s announcement on Friday has devastated Hillary Clinton’s standing… with Republican votershttps://t.co/6Be1WSDXmX pic.twitter.com/XV8RH4yz6q
— Frank Luntz (@FrankLuntz) 30. Oktober 2016
Der Statistiker Nate Silver, der schon mehrfach mit korrekten Wahlprognosen auf sich aufmerksam machte, veranschlagt Clintons Siegeschancen nach wie vor auf überwältigende 78,8 Prozent. Zwar stellt auch dies einen Rückgang dar; noch am 26. Oktober lag der entsprechende Wert auf 85,4 Prozent. Er war aber schon im Vorfeld der neuerlichen E-Mail-Affäre auf 81,1 Prozent gesunken.
Zudem handelt es sich nicht um den ersten Rückschlag: Das Auf und Ab bei den Siegeschancen hat gemäss Silvers Berechnungen einen nahezu zyklischen Charakter.
Viel wird davon abhängen, ob die Angelegenheit mit den E-Mails Clintons Wählerbasis in diesen letzten Tagen abschrecken oder im Gegenteil zu den Urnen treiben wird. Möglicherweise sollten wir auch die Analyse von Frank Luntz im Hinterkopf behalten. «So lange sich die Aufmerksamkeit auf Trump richtete, war Clinton am Gewinnen», twitterte der US-Meinungsforscher. «Jetzt liegt die Aufmerksamkeit auf Clinton ...»
When the attention was on Trump, Clinton was winning.
— Frank Luntz (@FrankLuntz) 29. Oktober 2016
Now, the attention is on Clinton… https://t.co/VRSHKAuh2I
(dhr)