Die Überlebenden des Massakers von Las Vegas werden dieses Geräusch nie vergessen: Das monotone «Tatata» der Waffen, mit denen Stephen Paddock die Besucher eines Country-Festivals von seinem Zimmer im Hotel Mandalay Bay aus unter Dauerbeschuss nahm. In ersten Reaktionen hiess es deshalb, der mutmassliche Todesschütze habe ein Maschinengewehr verwendet.
Paddock setzte jedoch handelsübliche halbautomatische Sturmgewehre ein. Zwölf davon hatte er mit einem so genannten Bump Stock versehen. Dieser relativ simple Mechanismus ermöglicht es, die Seriefeuer-Sperre zu umgehen und die Waffe mit einer Kadenz von rund 500 Schuss pro Minute abzufeuern. Paddock hätte sonst kaum so viele Menschen töten oder verwunden können.
Bump Stocks waren bislang eine Angelegenheit für Waffenfreaks. In der breiten Öffentlichkeit waren sie kaum bekannt. «Bis diese Woche wusste ich überhaupt nicht, was das ist», sagte Paul Ryan, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, am Donnerstag. Nun signalisiert sogar die berüchtigte Waffenlobby NRA ihre Bereitschaft, ein Verkaufsverbot zu prüfen.
Das zuständige Amt für Alkohol, Tabak, Feuerwaffen und Explosivstoffe (ATF) müsse «sofort» abklären, ob die Vorrichtung zur Umrüstung von halbautomatischen auf vollautomatische Waffen «dem Bundesgesetz entspricht», teilten die Chefs der National Rifle Association (NRA), Wayne LaPierre und Chris Cox, am Donnerstag mit. Es seien «zusätzliche Vorschriften» nötig.
Der Verkauf von vollautomatischen Waffen mit Seriefeuer ist in den USA seit 1986 gesetzlich verboten. Halbautomatische Waffen sind nach einem zehnjährigen Verbot seit 2004 wieder zugelassen, sie dürfen jedoch nicht umgerüstet werden. Bump Stocks umgehen diese Vorschrift, weil mit ihnen keine Manipulation am Lademechanismus verbunden ist.
Ein Bump Stock ist ein spezieller Schaft, der anstelle des handelsüblichen Kolben am Gewehr befestigt wird. Er ermöglicht es, den Abzug permanent gedrückt zu halten und so das Seriefeuer zu «simulieren» (wie es genau funktioniert, beschreibt die «New York Times» hier). Entwickelt wurde er 2010 von Jeremiah Cottle, einem Veteranen der Luftwaffe. Nach dem Massaker von Las Vegas hat er auf Medienanfragen nicht reagiert.
Mit dem Verweis, dass ein Bump Stock «keine automatische mechanische Funktion» ausübt, erhielt Cottle vom ATF eine Bewilligung für den Verkauf. Diese könnte nun revidiert werden. Die Tatsache, dass sogar die NRA sich einem Verbot nicht verschliesst, sorgt in den USA für Aufsehen. Denn eigentlich ist sie dafür bekannt, jede minime Waffenregulierung zu bekämpfen.
Kritiker allerdings halten das Manöver der NRA für durchsichtig. Indem sie das ATF zum Handeln auffordert, will die mächtige Lobbyorganisation eine Debatte im Kongress oder vielleicht sogar ein neues Gesetz verhindern. Die NRA wolle «eine breite öffentliche Debatte über Waffen stoppen, bevor sie ernsthaft beginnt», meint CNN. «Und das wird so gut wie sicher funktionieren.»
Das eigentliche Ziel der NRA bleibt es, die ohnehin laxen Waffengesetze in den USA weiter aufzuweichen. Sie will laut Politico unter anderem die Einschränkungen für den Verkauf von Schalldämpfern lockern. Vor allem aber strebt sie ein Bundesgesetz an, mit dem das verdeckte Tragen von Schusswaffen faktisch im ganzen Land legalisiert werden soll – auch in jenen vorab demokratisch regierten Bundesstaaten, in denen dies noch verboten ist.
Eine Waffendebatte nach dem Massaker von Las Vegas ist da nur hinderlich. Also müssen Bump Stocks als «Bauernopfer» herhalten. Derweil geschieht das Übliche in solchen Fällen: Die Waffenfans versuchen, sich vor einem Verbot einen Bump Stock zu beschaffen. In vielen Geschäften sind die Dinger ausverkauft.