Der offizielle Brexit-Antrag aus London ist bei der Europäischen Union eingegangen. Dies teilte der EU-Ratspräsident Donald Tusk am Mittwochnachmittag über Twitter mit.
After nine months the UK has delivered. #Brexit
— Donald Tusk (@eucopresident) 29. März 2017
Es wird eine Riesenaufgabe. Beim Brexit löst sich mit Grossbritannien ein Land aus der Europäischen Union, dessen Gesetzgebung seit mehr als 40 Jahren mit der Gemeinschaft verwoben ist. Und das in gerade einmal zwei Jahren. Eine zentrale Rolle werden dabei diese fünf Männer spielen.
Den Posten von David Davis hat es zuvor nicht gegeben – er ist der britische Brexit-Minister, soll also den Ausstieg seines Landes aus der EU managen. Der EU-Kritiker gilt als erzkonservativ, sprach sich für die Todesstrafe und gegen die Gleichstellung von Homosexuellen aus. Er hat kein Problem damit, sich auch mal gegen seine eigene Partei zu positionieren. Wegen seiner Unnachgiebigkeit trägt er den Spitznamen «Monsieur Non».
Stück für Stück kämpfte er sich nach oben: Davis war Versicherungsangestellter, studierte Informatik und war 17 Jahre lang in einem Lebensmittelkonzern beschäftigt. Seit 30 Jahren sitzt der Konservative im britischen Parlament und war zeitweise auch Staatssekretär für Europafragen im Aussenministerium. Davis ist verheiratet und hat drei Kinder.
Eine Führungsrolle auf britischer Seite nimmt Tim Barrow ein, der erst seit vergangenem Januar EU-Botschafter Grossbritanniens in Brüssel ist. Der 53-Jährige gilt als pragmatischer Problemlöser, der sich nicht scheut, die Wahrheit zu sagen. Barrow kann auf eine mehr als 30-jährige Karriere als Diplomat zurückblicken, Kollegen loben seinen Erfahrungsschatz. Von 2011 bis 2015 war der vierfache Vater Botschafter in Russland, von 2006 bis 2008 in der Ukraine. Zuletzt arbeitete er als politischer Direktor im Londoner Aussenministerium.
Auf EU-Seite ist Verhandlungsführer Michel Barnier einer der wichtigsten Köpfe der anstehenden Austrittsgespräche. Dafür bringt der 66-jährige Franzose reichlich Erfahrung mit: Er hatte verschiedene Ministerposten in Frankreich und war zweimal EU-Kommissar. In Grossbritannien hat seine Ernennung keine Freude ausgelöst, denn als Binnenmarkt-Kommissar war er von 2010 bis 2014 für die Bankenregulierung zuständig – was ihm am Finanzplatz London wenig Freunde machte.
Zuletzt tourte Barnier durch die Hauptstädte Europas, um vorbereitende Gespräche mit den Regierungen der verbleibenden 27 EU-Staaten zu führen. Die Brexit-Verhandlungen selbst will er gerne bis zum Oktober 2018 abschliessen. Barnier ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Didier Seeuws wird sein ganzes in einer langen Diplomatenkarriere erworbene Taktgefühl brauchen. Er soll die Brexit-Gespräche für den Rat, also die Vertretung der EU-Staaten, verfolgen. Sprachrohr und Chefunterhändler der EU ist zwar Barnier. Seeuws darf bei den Gesprächen aber anwesend sein.
Delikat dürfte für den Belgier die Leitung einer speziellen Arbeitsgruppe im Rat werden: Dort sind alle EU-Staaten ausser Grossbritannien vertreten. Seeuws wird sie über den Stand der Verhandlungen auf dem Laufenden halten – und wohl seinerseits dabei helfen, Einigkeit unter den Ländern herzustellen. Immerhin, mit unterschiedlichen Interessenlagen in Europa kennt sich Seeuws aus: Er war unter anderem belgischer Botschafter bei der EU und Kabinettschef des früheren Ratspräsidenten Herman Van Rompuy.
Der Belgier Guy Verhofstadt ist eindeutig der schillerndste Brexit-Beauftragte auf EU-Seite. Der Chef der liberalen Fraktion im EU-Parlament ist ein glühender und streitlustiger EU-Verfechter. Wenn es nach ihm ginge, dann würde das Staatenbündnis deutlich enger zusammenwachsen und dabei ordentlich Tempo machen. Regierungserfahrung bringt der heutige Abgeordnete auch mit: In seinem Heimatland Belgien war er neun Jahre lang Ministerpräsident.
Verhofstadts Einfluss auf die Gespräche ist indes eher begrenzt: Der 63-Jährige ist der Verbindungsmann des EU-Parlaments. Die Abgeordneten müssen dem Verhandlungsergebnis zwar am Ende zustimmen, den Verlauf der Austrittsgespräche werden aber wohl eher die EU-Kommission und die Staaten bestimmen.
Mit der offiziellen Brexit-Erklärung setzt Grossbritannien die komplexen Verhandlungen über seinen EU-Austritt in Gang. Der Fahrplan bis zum März 2019:
EU-Ratspräsident Donald Tusk will den anderen 27 EU-Staaten einen Vorschlag für «Leitlinien» für die Verhandlungen machen.
Das EU-Parlament will eine Resolution mit seinen Vorstellungen zu den Prioritäten in den Brexit-Verhandlungen verabschieden.
Ein Sondergipfel der 27 EU-Staats- und Regierungschefs beschliesst die Verhandlungsleitlinien. Binnen 48 Stunden will die EU-Kommission ihre Empfehlung zur Eröffnung der Verhandlungen verabschieden.
Die EU-Europaminister verabschieden detailliertere Richtlinien für die Inhalte der Gespräche und erteilen dem Brexit-Beauftragten der EU-Kommission, Michel Barnier, ein offizielles Verhandlungsmandat.
Die eigentlichen Austrittsverhandlungen beginnen.
Barnier will bis Jahresende möglichst drei Fragen klären: den Umgang mit EU-Bürgern in Grossbritannien und Briten in der EU, den Status der Grenze zu Nordirland sowie die Höhe der Zahlungen, die London noch an die EU leisten muss.
Die Verhandlungen über den gesamten Austrittsvertrag sollen abgeschlossen sein, um eine rechtzeitige Ratifizierung durch das EU-Parlament und das britische Parlament zu ermöglichen.
Die britische EU-Mitgliedschaft endet offiziell. Die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen und insbesondere ein Handelsabkommen dürften sich aber noch mehrere Jahre hinziehen. Übergangsregelungen sind deshalb wahrscheinlich.
(erf/sda/dpa/afp)