Bestimmt hat er den Triumph genossen, wenn auch still und ohne Aufheben. Zu Wort gemeldet hat er sich nicht. Fern des Washingtoner Intrigenstadels, in einem noblen Resort in Polynesien, hat Ex-Präsident Barack Obama mitverfolgt, wie die Republikaner bei dem Versuch gescheitert sind, seine wichtigste politische Errungenschaft zu shreddern: Die Gesundheitsreform «Obamacare».
Sieben Jahre lang haben die Republikaner alles versucht, um das verhasste Gesetz loszuwerden. Sie bemühten sich auf der Strasse, im Kongress und vor Gericht, stets vergeblich. Nun hatten sie endlich die grosse Chance, mit einem Präsidenten im Weissen Haus und einer Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments – und produzierten ein Fiasko der Extraklasse.
Selbst auf dem republikanischen Haussender Fox News wurde das Scheitern als Sieg für Barack Obama interpretiert. Paul Ryan, der als Vorsitzender des Repräsentantenhauses das Debakel zu verantworten hat, räumte ein, man werde «auf absehbare Zeit» mit «Obamacare» leben müssen.
Der Ex-Präsident selber hatte sich dezent in die Debatte eingeschaltet. Am letzten Donnerstag veröffentlichte er eine Mitteilung zum siebten Jahrestag der Unterzeichnung von «Obamacare». Darin vermied er einen Bezug zur aktuellen Kontroverse. Stattdessen wies Obama darauf hin, dass dank dem Gesetz «mehr als 20 Millionen Amerikaner» eine Krankenversicherung erhalten hätten.
Es war seine zweite öffentliche Stellungnahme, seit er sein Amt am 20. Januar an Donald Trump übergeben hatte. Nur zehn Tage später liess er sich vernehmen, als die Wogen wegen Trumps Einreisesperre für Muslime aus sieben Ländern hoch gingen. Auch damals vermied Obama direkte Kritik. Stattdessen lobte er, «wie viele Menschen sich derzeit bei Demonstrationen und in Sozialen Netzwerken für politische Werte, Demokratie und den Schutz der Verfassung engagieren».
Barack Obama ist sich bewusst, dass er als Ex-Präsident unter besonderer Beobachtung steht. Und dass er sich hüten muss, allzu tief in den politischen Sumpf hinein zu waten. Weshalb er sich in den letzten zwei Monaten weitgehend von der Öffentlichkeit fern hielt. «Er geniesst die geringere Beachtung, um zu relaxen, nachzudenken und mit Freunde und Familie abzuhängen», sagte seine langjährige Beraterin und enge Vertraute Valerie Jarrett der Washington Post.
Genuss bedeutete in diesem Fall vorab ausgedehnte Ferien. Gleich nach dem Auszug aus dem Weissen Haus verbrachten Barack und Michelle Obama eine lockere Zeit auf der Privatinsel des britischen Milliardärs Richard Branson in der Karibik. Dabei versuchte sich der Ex-Präsident auch in Sportarten wie Kitesurfen, die er sich im Amt verkneifen musste.
Mitte März reiste Obama erneut in paradiesische Gefilde. Er flog nach Tahiti und weiter auf die Insel Tetiaroa. Die Hollywood-Legende Marlon Brando hatte sie in den 1960er Jahren gekauft, heute befindet sich dort ein nach ihm benanntes Öko-Luxusresort. Barack Obama will laut Medienberichten längere Zeit in der Südsee verbringen und seine Memoiren schreiben. Er und Michelle haben für je ein Erinnerungsbuch einen Vertrag über 60 Millionen Dollar unterschrieben.
Michelle Obama selbst bleibt vorerst in Washington und kümmert sich um die beiden Töchter. Die Familie will in der Hauptstadt bleiben, bis die jüngere Tochter Sasha 2019 die Highschool abschliessen wird. Sie hat eine Villa im vornehmen Stadtteil Kalorama gemietet und Büros im US-Hauptquartier des WWF bezogen. Gleichzeitig sind die Obamas mit dem Aufbau ihrer Stiftung und der Präsidentenbibliothek in Chicago beschäftigt.
Die spärlichen Auftritte von Barack und Michelle Obama sorgen nach wie vor für Aufsehen, umso mehr, als die heutige First Lady Melania Trump in der Öffentlichkeit durch Abwesenheit glänzt. Kürzlich wurden sie beim Verlassen der National Gallery of Art fotografiert, wo sie eine Ausstellung des Chicagoer Künstlers Theaster Gates besucht hatten. Der Ex-Präsident hinterliess mit Jeans, Lederjacke und Sonnenbrille einen coolen und relaxten Eindruck.
Ewig wird sich Barack Obama aber nicht im Ferienmodus bewegen. Er will sich weiter politisch engagieren, und das mehr als andere frühere Präsidenten, insbesondere sein Vorgänger, der sich praktisch nur noch der Malerei widmet. Sein Nachfolger Donald Trump fordert ihn regelrecht heraus, nicht nur mit seinen Attacken auf Obamas Erbe. Die – unfundierte – Behauptung, er habe ihn im Trump Tower abhören lassen, soll Obama verärgert haben.
Der erste schwarze Präsident ist sich jedoch bewusst, dass er nicht zu sehr den Anti-Trump spielen darf, auch wenn manche Demokraten dies gerne hätten. Laut der Website Vox will er sich vorab hinter den Kulissen darum bemühen, seine nach der Wahlniederlage im letzten November demoralisierte Partei wiederzubeleben. So lobbyierte er hinter den Kulissen für die Wahl seines früheren Arbeitsministers Tom Perez zum Vorsitzenden der Demokraten.
Weiter will sich Obama um die Förderung des politischen Nachwuchses kümmern, den die Partei in den letzten Jahren vernachlässigt hat. Auch unterstützt er die Kampagne seines früheren Justizministers Eric Holder für eine fairere Einteilung der Wahlkreise. Die Republikaner haben sie in vielen Bundesstaaten mit teilweise abenteuerlichen Grenzlinien so gestaltet, dass sie im November mit 49 Prozent der Stimmen 55 Prozent der Sitze im Repräsentantenhaus erobern konnten.
Fraglich ist, ob Barack Obama sich wirklich aus der Alltagspolitik heraushalten kann. Donald Trump und die Republikaner werden weiter versuchen, sein politisches Erbe zu entsorgen. Teilweise sind sie durchaus erfolgreich, etwa bei der Beseitigung von Umweltvorschriften. Der linke Flügel der Demokraten fordert vom Ex-Präsidenten bereits ein entsprechendes Engagement.
Mit 55 Jahren ist Barack Hussein Obama noch voll im Saft. Und je chaotischer sein Nachfolger agiert, umso vorteilhafter erscheint seine Präsidentschaft. Sein erster öffentlicher Auftritt nach der Amtsübergabe soll am 7. Mai stattfinden, in der Kennedy-Bibliothek in Boston. Obama wird einen Preis entgegennehmen, der ihm zum 100. Geburtstag von John F. Kennedy verliehen wird. Die Beachtung wird gross sein.