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«Auf und davon»: Mona Vetsch über Schweizer Auswanderer

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Mona Vetsch bei den Schweizer Auswanderern: «Für Träumer ist das überhaupt nichts»

07.04.2016, 12:5608.04.2016, 04:48
Philipp Dahm
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Seit sieben Jahren begleitet das SRF Schweizer, die sich im Ausland ein neues Leben aufbauen. Was ist aus ihrem Traum vom Auswandern geworden? In «Auf und davon Spezial» (ab Freitag, 21 Uhr, SRF 1) hat Moderatorin Mona Vetsch die Emigranten von damals besucht – und mit watson darüber gesprochen, ob es für die Exilanten ein böses Erwachen gab oder doch ein Traum in Erfüllung gegangen ist.

Ihr habt bei den Auswanderern der ersten Stunde nachgehakt: Wo seid Ihr überall gewesen und wie viele Kilometer habt ihr abgespult?
Ich bin mit Zahlen so schwach: keine Ahnung. Es fühlt sich in etwa an wie einmal um die ganze Welt, tatsächlich waren wir in Kanada, Australien, Dubai, Peru, Venezuela und finally in Bülach.

Wie gross war das Team?
Unterschiedlich. Zu dritt oder zu viert.

Ihr habt euch sechs Existenz-Neugründungen angeschaut: Ist Auswandern etwas für Träumer?
Nein, ich glaube, der Traum vom Auswandern ist nur etwas für sehr handfeste Charaktere. Er wird sehr schnell sehr real, und wer sich da nicht zu helfen weiss und nicht mit beiden Beinen im Leben steht, hat keine Chance. Ich bewundere das: Es sind alles Leute, die vieles selber machen können – von der Wohnungseinrichtung bis zum Anbau von Lebensmitteln. Für Träumer ist das eigentlich überhaupt nichts.

Der beliebteste Schweizer Auswanderer ist schon fast Kanadier

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Der beliebteste Schweizer Auswanderer ist schon fast Kanadier
Familie Schönbächler anno 2011: Ein Jahr zuvor zogen Hermann, Christine und die Kinder von Biel nach Kanada. Wie geht es den «populärsten Auswanderern» der «Auf und davon»-Reihe heute? Der 49-Jährige und seine Motorsäge «sind immer noch unzertrennlich», zeigt das Wiedersehen.
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Ein Berner Naturbursche findet seine Erfüllung in Kanada, Bündner Tierfreunde sind glücklich auf einer Insel in Venezuela. Es macht den Eindruck, als haben die Auswanderer in ihren speziellen Nischen gesucht und gefunden?
Ja, aber man hat auch gesehen, dass das beileibe nicht immer gelungen ist. In einer anderen Sendung zeigen wir ein Pärchen, das nach Kanada ausgewandert ist. Sie haben am Manitobasee eine riesige Farm an einem schönen See gekauft. Mittlerweile sind sie aber in Kanada an einem völlig anderen Ort gelandet. Sie haben gesagt: «Was wir da am See erlebt haben – nie wieder!» Der Winter: vier Monate lang -30 Grad. Im Sommer hatte es so viele Mücken, dass du nie vor deinem Haus im Freien sitzen konntest. Und dann hatten sie noch eine riesige Überschwemmung und monatelang auf ihren Feldern Wasser gehabt. Dieses Paar hat erst im zweiten Anlauf in Kanada seine Bestimmung gefunden.

Was sind die gängigsten Fehler, die die Auswanderer begangen haben?
Es gibt keine gängigen Fehler, im Gegenteil: Die aus Venezuela haben mir gesagt, dass sie nur wegen ihrer Naivität das so durchgezogen haben. Wenn sie gewusst hätten, was da auf sie zukommt, hätten sie sich das nie angetan. Ich glaube, das ist noch häufig so: Zu lange überlegen kann eben auch ein Problem sein. Wenn du zu sehr ins Detail gehst, drehst du durch und machst das dann nicht mehr.

Was vermissen die Leute an der Schweiz?
Es ist lustig: Manchmal bin ich mir vorgekommen wie in einem Schweizer Klischee-Werbefilm, wenn ich mir angesehen habe, was wir den Leuten mitbringen sollten. Das ging von Schoggi über Bergkäse über Aromat bis zu Bratensosse und Willisauer Ringli. Das ganz Klassische, von dem die Auswanderer sagen: «Das fehlt eben doch.»

Man besinnt sich in der Fremde automatisch auf die Wurzeln, oder?
Unser Auswanderer in Dubai ist ein Pilot mittleren Alters, der einen Ländler-Klingelton gehabt hat. Er hat selber gesagt: «Ich habe in der Schweiz nie Volksmusik gehört. Im Ausland wirst du erst richtig zum Schweizer.» Sie hören auch viel Schweizer Radio – vor allem wegen des Dialekts, weil sie sich dann heimisch fühlen.

Claudio und Teres in Venezuela

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Claudio und Teres in Venezuela
In Folge 2 von «Auf und davon Spezial» klopft Mona Vetsch an die Tür der «Casa Los Suisos»: Auf der venezolanischen Insel Isla Margarita haben Teres und Claudio aus Graubünden ein neues Zuhause gefunden. Und mit ihnen auch 10 Hunde und 17 Katzen.
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Wie ist das Image der Schweizer im Ausland?
Ich glaube sehr gut, aber die meisten haben sich nicht gross damit beschäftigt. Das Thema ist nicht so sehr, wie angesehen die Schweizer sind, sondern: Wie wirst du als Ausländer aufgenommen? Sie bekommen eine neue Sicht – wie es sich als Ausländer lebt.

Mona Vetsch – die Thurgauerin, der Auslandsschweizer vertrauen.
Mona Vetsch – die Thurgauerin, der Auslandsschweizer vertrauen.
bild: srf

Und wie ist das Leben als Ausländer?
In Kanada zum Beispiel sagten uns die Auswanderer, es sei nie ein Thema, woher man komme. Die wollen nur wissen: Kann man dich für was gebrauchen? Integrierst du dich? Englisch ist in der Regel auch kein Problem – und du gehörst eigentlich sofort dazu. Die Schweizer machen in der freiwilligen Feuerwehr mit und sind ziemlich schnell akzeptiert. In Australien ist das schon wieder ein anderes Thema. Man denkt, da herrscht die grosse Freiheit, aber dann hat mir ein Familienvater erzählt, sie würden immer Immigranten bleiben. Ihre Kinder hätten jetzt aber eine Chance, richtig akzeptiert zu werden, weil sie akzentfrei australisches Englisch reden. In Dubai ist es wieder etwas anderes. Es ist ein Aufenthaltsort auf Zeit: Da bist du als Ausländer genau solange akzeptiert, wie du arbeitsfähig bist. Danach wirst du sofort wieder zurückgeschickt.

Durch den starken Franken werden die Auswanderer ja fast automatisch zum «reichen Schweizer». Erfüllen diese auch soziale Funktionen?
Je nachdem, wo du hinziehst, wechselst du auch die soziale Schicht. Teres und Claudio, die nach Venezuela gegangen sind, waren in der Schweiz totaler Mittelstand. Teres hat als alleinerziehende Mutter hier 100 Prozent gearbeitet und war wie Claudio Normalverdiener. Durch den starken Franken sind sie jetzt in Venezuela wirklich reich, und Teres verteilt beispielsweise auch sehr viel. Ein Franken, der hier sehr wenig ist, kann für eine Familie dort wirklich sehr viel sein. Sie hilft gern in ihrem Umfeld, wenn etwa eine Zahnarztrechnung bezahlt werden muss. Nur deshalb zählt sie heute gerne zu den Reichen: Weil sie die Möglichkeit hat, mit ihrem Geld zu helfen.

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Ist es bei dem Paar in Peru ähnlich?
Jenny ist selber Peruanerin und in Lima aufgewachsen. Da ist das Thema eher, dass ihr Schweizer Partner plötzlich im Schosse einer peruanischen Familie landet und dort darum kämpfen musste, sich selbstständig eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm ein Familienoberhaupt sagt, was er zu tun hat.

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20 Kommentare
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Hans Maulwurf
07.04.2016 15:19registriert März 2016
Richi! Ha gseit söusch di häbe!
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dracului
07.04.2016 13:40registriert November 2014
Die Pragmatik Kanadier gefällt mir: "Kann man dich für was gebrauchen?" Eine Frage, die wir uns alle auch immer mal stellen sollten hierzulande.
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Aufblasbare Antonio Banderas Liebespuppe
07.04.2016 12:59registriert Mai 2015
ich freue mich auf hermann!
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