Todesstrafe
1940 vollstreckte die Schweiz ihr letztes Todesurteil – an Dreifachmörder Hans Vollenweider

Bis weit ins 20. Jahrhundert wurden auch in der Schweiz Dutzende Straftäter hingerichtet. Als Letzter Hans Vollenweider 1940.

Dennis Bühler
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Polizisten bringen Hans Vollenweider zum Kantonsgericht Obwalden, 1940.

Polizisten bringen Hans Vollenweider zum Kantonsgericht Obwalden, 1940.

RDB

Eine Henkersmahlzeit lehnt Hans Vollenweider ab, bevor er in der Nacht auf den 18. Oktober 1940 kurz nach 2 Uhr mit verbundenen Augen von vier Polizisten aus seiner Zelle in der Strafanstalt Sarnen in eine nahe, mit schwarzen Tüchern ausgekleidete Scheune geführt wird.

Auch auf letzte Worte oder ein Gebet verzichtet der 32-jährige Zürcher, und so saust das Fallbeil der Guillotine schon wenige Minuten später aus vier Metern Höhe nieder und trennt den Kopf des dreifachen Mörders von seinem Rumpf. Zwei protestantische Geistliche, ein Arzt, zwei Urkundspersonen und die vier Wächter schauen dem Scharfrichter dabei zu, wie er dem Verurteilten den Garaus macht.

Vollenweider ist der Letzte von insgesamt 47 Straftätern, die seit der Gründung des modernen Bundesstaats 1848 zivilrechtlich hingerichtet werden. Zum Zeitpunkt seiner letzten Atemzüge ist die Todesstrafe formell bereits abgeschafft: Am 3. Juli 1938 haben 54 Prozent der Stimmbürger das neue Strafgesetzbuch angenommen, das den Kantonen die Todesstrafe untersagt. In Kraft tritt dieses aber erst Anfang 1942.

Vollenweiders teuflischer Plan

Um Vollenweider zur Strecke zu bringen, peitscht der Kanton Obwalden das Verfahren im Rekordtempo durch die gerichtlichen Instanzen. Auf Antrag des Regierungsrates lehnt der Kantonsrat das Begnadigungsgesuch Vollenweiders mit grosser Mehrheit ab, drei Tage später wird er geköpft. Erweichen lässt sich die Justiz nicht einmal von der Witwe des Mannes, dessen Ermordung mittels Guillotine gesühnt werden soll.

Polizeibild von Hans Vollenweider aus dem Jahr 1934

Polizeibild von Hans Vollenweider aus dem Jahr 1934

Wikimedia/Polizeikommando Zürich

Vollenweider, in ärmlichen Verhältnissen im Zürcher Seefeld aufgewachsen, gerät 1936 auf die schiefe Bahn. Bei einem Raubüberfall gefasst, wird er zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt. Doch die Prognose des Psychiaters ist schlecht, Vollenweider wird einbehalten. Im Juni 1939 kehrt er von einem Sonntagsurlaub nicht zurück.

Um sich der Polizei zu entziehen, die ihn zur Fahndung ausschreibt, entwickelt er einen teuflischen Plan: Via Zeitungsannonce sucht er nach einem alleinstehenden Chauffeur – einem Mann, der viel unterwegs ist und deshalb nicht allzu schnell vermisst werden sollte. Vollenweider will seine Identität stehlen. Von schräg hinten schiesst Vollenweider Hermann Zwyssig in den Kopf, kaum ist er in dessen Auto eingestiegen. Die Leiche wirft er in den Zugersee. Von nun an gibt sich Hans Vollenweider als Hermann Zwyssig aus.

Auf der Flucht überfällt er in Zürich den Postbeamten Emil Stoll, um ihn seines Geldes zu berauben. Auch ihn erschiesst er. Unter falscher Identität lässt sich Vollenweider im Hotel Engel im obwaldnerischen Sachseln als Portier anstellen. Eine Zürcher Wäscherei jedoch, in der Vollenweider seine blutverschmierten Hemden reinigen lassen will, schöpft Verdacht.

Die herbeigerufene Polizei meldet nach Obwalden, der Hotelangestellte müsse überprüft werden. Alois von Moos, 23-jährig und erst seit kurzem Dorfpolizist, sei nervös in der Wohnung hin und her getigert, bevor er von zu Hause aufgebrochen sei, erinnert sich seine Tochter Jahrzehnte später in einem 2007 ausgestrahlten SRF-Dokfilm. Nicht zu Unrecht: Es kommt zum Handgemenge, ein Schuss fällt, von Moos stirbt später im Spital.

Einzig für diesen dritten Mord wird Vollenweider zum Tode verurteilt. Die anderen beiden Taten werden nicht verhandelt – Strafrecht ist damals ja gerade noch kantonale Angelegenheit. Schweizweit gibt es zu diesem Zeitpunkt bloss noch eine einzige Guillotine, die von Kanton zu Kanton weitergereicht wird, wann immer es ein Todesurteil zu vollstrecken gilt. Fein säuberlich werden die Namen der Getöteten auf die 40 Kilogramm schwere Klinge eingraviert. Im Historischen Museum Luzern, wo die 1863 erbaute Guillotine heute zu bestaunen ist, gilt sie als Publikumsmagnet.

Bilder der letzten Schweizer Guillotine im Historischen Museum Luzern:

Die letzte Guillotine der Schweiz gibt es heute im Historischen Museum Luzern zu bestaunen.
7 Bilder
Dort gilt die 1863 erbaute Apparatur als Publikumsmagnet.
Fein säuberlich wurden die Namen der Getöteten auf die 40 Kilogramm schwere Klinge eingraviert – so auch der Name von Hans Vollenweider.

Die letzte Guillotine der Schweiz gibt es heute im Historischen Museum Luzern zu bestaunen.

Keystone

Versuche zur Wiedereinführung

Zwei Mal versuchen Komitees nach dem Zweiten Weltkrieg, die Todesstrafe wieder auf die politische Agenda zu bringen. 1985 scheitert ein Volksbegehren im Sammelstudium, das Drogenhandel mit dem Tod bestrafen will.

2010 fordern Angehörige einer bei einem Sexualdelikt getöteten jungen Frau die Einführung der Todesstrafe für Mord mit sexuellem Missbrauch. Mitglieder der SVP machen sich für eine Abstimmung stark. «Das Volk soll darüber befinden», sagt etwa der Solothurner Nationalrat Walter Wobmann. Die Initianten aber ziehen ihre von der Bundeskanzlei formaljuristisch für gültig erklärte Initiative am Tag nach Beginn der Unterschriftensammlung zurück. «Unser Hauptziel war, die Bevölkerung auf die Missstände aufmerksam zu machen», begründen sie den Schritt.

Damit bleibt die Todesstrafe in der Schweiz verboten und Hans Vollenweider der letzte Hingerichtete. In Artikel 10 der Bundesverfassung heisst es seit der Totalrevision 1999 ausdrücklich: «Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten.» Das gälte auch in Kriegszeiten: 1992 wurde die Todesstrafe auch im Militärstrafrecht abgeschafft.