Baden
Glarner und Wermuth die rote Karte zeigen? So wollen zwei Studenten Jugendliche für Politik begeistern

Zuhören, sonst gibts die rote Karte! Zwei Studenten wollen politische Debatten zum Event machen und so das Interesse der Jugendlichen wecken.

Nicola Imfeld
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Der Zürcher Colin Walder (links) und der Aargauer Loris Cera wollen den Jungen Politik schmackhaft machen.

Der Zürcher Colin Walder (links) und der Aargauer Loris Cera wollen den Jungen Politik schmackhaft machen.

ZVG

Wir alle kennen Polit-Debatten wie beispielsweise die SRF-Sendung «Arena». Politiker und Experten diskutieren in Anzügen über aktuelle oder grundlegende politische Themen. Junge Leute im Publikum sucht man bei solchen Anlässen oft vergebens. Das soll sich jetzt mit den revolutionären Ideen von zwei Studenten ändern.

Stellen Sie sich eine Debatte mit den Aargauer Nationalräten Andreas Glarner (SVP) und Cédric Wermuth (SP) vor: Die beiden Hardliner werden wie bei einem Boxkampf begrüsst, gleichzeitig flimmern ihre peinlichsten Bilder von der sozialen Plattform Instagram über die Bildschirme und Sie sitzen als Zuschauer mit einem Bier in der einen und einer Bratwurst in der anderen Hand in einem gemütlichen Sessel. Dazu können Sie den Herren Glarner und Wermuth auch noch die gelbe oder rote Karte zeigen, sollten diese sich wieder einmal daneben benehmen.

Startschuss fiel in Baden

Dieses Konzept stammt vom Aargauer Loris Cera aus Zofingen und Colin Walder aus Dinhard im Kanton Zürich. Die beiden Kollegen studieren zusammen internationale Beziehungen in Genf und nerven sich schon lange ob der «öden» und «langweiligen» Polit-Talks in der Schweiz. Sie wollen politische Diskussionen zu einem Event machen und so den Nerv der Zeit treffen.

Diese Kanti-Schüler aus Baden sind nach dem Unterricht in der Schule geblieben, um beim «Grillplausch» über politische Themen zu diskutieren. Auch eine gelbe und rote Karte gehören zur neuartigen Polit-Debatte.

Diese Kanti-Schüler aus Baden sind nach dem Unterricht in der Schule geblieben, um beim «Grillplausch» über politische Themen zu diskutieren. Auch eine gelbe und rote Karte gehören zur neuartigen Polit-Debatte.

Eine erste Veranstaltung dieser Art hat bereits stattgefunden – in Baden. An der Kantonsschule haben sich die Jungpolitiker Nils Fiechter (Junge SVP) und Luzian Franzini (Junge Grüne) Mitte Mai bei einem sogenannten «Grillplausch» duelliert. Etwa 80 Schülerinnen und Schüler blieben nach dem regulären Unterricht freiwillig länger und setzten sich mit aktuellen politischen Themen auseinander – ohne dabei auf Bratwurst und Bier verzichten zu müssen. «Der Abend war ein voller Erfolg, und die gelbe Karte musste nur zweimal gezückt werden», schwärmt Cera. Ein Schüler aus St. Gallen sei sogar extra nach Baden gereist, weil er vom Event auf Facebook erfahren habe.

Elite ist abgehoben

Warum es solche Polit-Debatten unbedingt braucht, erklärt Cera anhand eines Beispiels: «Viele Jugendliche wussten in der Woche vor der Energieabstimmung nicht einmal, über was wir eigentlich befinden.» Er ortet das Problem bei der «Classe politique», die sich seiner Meinung nach je länger, je mehr von der Bevölkerung distanziert. «Es fehlt an Identifikationsfiguren und Vorbildern für die Jugendlichen.» Dabei sei es wichtig, die Jungen über die aktuellen Themen zu informieren und sie an die Urne zu bringen. «Letztlich muss meine Generation mit den Konsequenzen von Energiestrategien oder Rentenreformen leben», sagt Walder.

Um die Wahlbeteiligung der Jungen wieder in die Höhe zu treiben, veranstalten die Freunde nicht nur Grillpläusche, sondern gehen auch in die Schulen. In Zusammenarbeit mit «Easyvote» haben sie die Kantonsschule Baden und die Alte Kantonsschule in Aarau besucht. «Als Erstes mussten wir ausgerechnet die Energiestrategie mit den Schülern behandeln. Das war eine grosse Challenge, denn die Thematik ist schon ein bisschen trocken», sagt Cera. Um das Interesse der Klasse zu wecken, wurden die Lektionen auf Schweizerdeutsch abgehalten. «So sind wir zugänglicher und können eine persönliche Beziehung aufbauen, die sehr wichtig ist», erklärt Walder. Die Energiethemen seien spielerisch behandelt worden, ohne dabei den Ernst der Sache aus den Augen zu verlieren. Dies hätten auch die Reaktionen der Klasse gezeigt. Cera berichtet, dass einige Schüler sogar in den Pausen weiterdiskutiert haben.

Es stellt sich natürlich die Frage, wie neutral die beiden Studenten sind. «Wir gehören keiner Partei an, ansonsten wäre dieses Projekt nie zustande gekommen», sagt Walder. Untereinander würden sie politische Themen kontrovers diskutieren, «aber niemals hitzig». Oft gehen die Meinungen weit auseinander. Walder: «Weil ich im ländlichen Dinhard aufgewachsen bin, habe ich ganz andere Werte vermittelt bekommen als Loris. Als Secondo mit italienischen Wurzeln hat er natürlich eine andere Sichtweise auf die Politik.»

Wie sie ihre Ideen jetzt professionalisieren wollen, wissen die beiden noch nicht genau. «Es ist denkbar, dass wir einen Verein gründen, um uns besser zu organisieren und von Stiftungen unterstützt zu werden», sagt Cera. Ein nächster Grillplausch in Baden ist in Planung und für den Herbst angedacht. Dann debattieren die Studenten im Hinblick auf die Rentenreform 2020 wohl darüber, wann sie in Pension gehen dürfen.