Gratiszeitungen
Blocher vergrössert seine Medienmacht – aber ist damit sein Hunger gestillt?

Der SVP-Stratege Christoph Blocher kauft 25 Gratis-Wochenzeitungen mit mehr als 700'000 Lesern. Ist sein Expansionshunger damit gestillt?

Dennis Bühler
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Vor allem in ländlichen Gebieten kann Christoph Blocher sein Medienimperium ausbauen.

Vor allem in ländlichen Gebieten kann Christoph Blocher sein Medienimperium ausbauen.

KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Über Monate wurde gemunkelt, alt Bundesrat Christoph Blocher wolle eine eigene Sonntagszeitung lancieren. Doch auch wenn er diesen Plan kurzzeitig tatsächlich hegte und ein Projekt durchrechnen liess: «Bald war die Sonntags-Idee bloss noch ein Ablenkungsmanöver, um unseren Coup, den Wochenzeitungsverlag der Familie Zehnder zu übernehmen, in Ruhe abwickeln zu können.» Dies sagt Rolf Bollmann, CEO und Verwaltungsratspräsident der «Basler Zeitung» (BaZ).

Auf einen Schlag kommt die BaZ Holding AG, an der Blocher, Bollmann und BaZ-Chefredaktor Markus Somm je einen Drittel besitzen, nun zu 25 Gratistiteln mit einer Gesamtauflage von 720'756 Exemplaren. Der Zehnder-Verlag ist heute mit insgesamt elf Büros in 16 Gebieten der Ost- und Zentralschweiz sowie in den Kantonen Aargau, Bern, Solothurn und Zürich präsent.

«Mit SVP-Kampfblatt chancenlos»

Politische Interessen stünden nicht im Vordergrund, behaupten Blocher und Bollmann unisono. «Wir befinden uns in einem Mediensegment, bei dem die politische Berichterstattung nur einen kleinen Stellenwert einnimmt», lässt sich der SVP-Strategiechef in einer Pressemappe zitieren, die der Zehnder-Verlag gestern an Journalisten mailte. «Das wird so bleiben und ist Teil des Erfolgs dieser Zeitungen.» Darüber hinaus wollte sich Blocher gestern nicht zum Kauf äussern. Bollmann seinerseits sagt: «Mein Job ist es, wirtschaftlich einträgliche Titel herauszugeben. Mit einem SVP-Kampfblatt aber hätten wir bei den Werbekunden keine Chance – unsere Einnahmen würden schmelzen wie Schnee an der Sonne.»

An der Ausrichtung der Gratisblätter müsse kaum etwas geändert werden, da regional verwurzelte Anzeiger auch im Internetzeitalter ein gutes Geschäftsmodell seien. «Das lokale Gewerbe will nach wie vor in lokalen Printzeitungen inserieren.»

Im rechten Teich gefischt

Was BaZ-Chef Bollmann verschweigt: Der Zehnder-Verlag fischte schon bisher in ähnlichem, rechtem Teich. So durfte etwa Kolumnist Charly Pichler regelmässig in allen Verlagszeitungen gegen Ausländer, Arbeitslose und Invalide wettern. Mehrfach wurde er dafür vom Schweizer Presserat gerügt. Einmal hegte das Ethikgremium der Journalistenzunft gar den «dringenden Verdacht einer konstruierten, rein fiktiven Geschichte». Auch Bollmann, der in Seuzach (ZH) wohnt und nach eigenen Angaben ab und zu in der «Winterthurer Zeitung» des Zehnder-Verlages blättert, hält die Kolumnen für «manchmal unter der Gürtellinie». Deren umstrittener Autor aber werde ohnehin bald pensioniert. Dass die Arbeit des Verlags freilich über Kolumnen hinaus für rote Köpfe sorgt, zeigt ein Anruf beim Verband Schweizer Gratiszeitungen. Zehnder sei nicht Mitglied, sagt Geschäftsführer Hannes Zaugg. «Die Einhaltung journalistischer Kriterien wäre hierfür zwingende Voraussetzung.»

Kooperation mit Walter Frey?

Bollmann streckt bereits die Fühler aus nach Kooperationspartnern. Ins Gespräch kommen möchte er beispielsweise mit der Lokalinfo AG, die alt SVP-Nationalrat Walter Frey gehört und im Raum Zürich verschiedene Quartier- und Lokalzeitungen herausgibt. Deren Verwaltungsrat Beat Rechsteiner ist einer Zusammenarbeit nicht abgeneigt: «Wir sind für alles offen, was uns nützen kann.»

Es könnte auch das Motto Blochers sein, der die Leserschaft der «Basler Zeitung» mit dem jüngsten Kauf fast verachtfachte. Szenekenner sind sich sicher, dass der SVP-Vordenker eben doch primär politische Ziele verfolgt. Das glaubt auch der «Südostschweiz»-Verleger und Ex-Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument. «Die Unabhängigkeit der Schweiz ist Blocher derart wichtig, dass er diesen Kampf auch publizistisch führt», erklärt er. Zwar werde Blocher wohl tatsächlich keine Parteizeitungen machen. «Aber wenn es bei Wahlen oder Abstimmungen um die Wurst geht, werden sie auf Linie sein», so Lebrument.

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