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Tier

Katzen lieben ihre Besitzer

Auch wenn es nicht immer ganz so offensichtlich ist (wie bei Hunden): Unsere Katzen lieben uns

«Lieben Katzen ihre Besitzer?», fragt sich die NZZ-Kolumnistin Birgit Schmid in ihrem Buch. Und eigentlich weiss sie die Antwort von Anfang an, aber ihre Beweisführung ist sehr rührend.
12.06.2016, 10:4112.06.2016, 11:13
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«Nelli, komm zurück». Dieser Gedanke begleitete mich quer durch die ganze Lektüre dieses liebevollen Buches. Mit Nelli bin ich gross geworden. Sie war vierfarbig gefleckt, alles wild durcheinander, nur die Beine waren schneeweiss. Sie sah aus wie ein Katzengeneral in weissen Armeestiefeln, wenn sie so elegant durch die Quartierstrassen stolzierte. Nelli schlug Hunde jeder Grösse mit ihrer Tatze mitten ins Gesicht – auch das mit einer Art brutaler Grazie – und wartete jeden Mittag auf der Mauer vor unserem Haus, bis ich vom Kindergarten zurückkam.

Nelli.
Nelli.
bild: watson

Meine drei Brüder und ich warfen sie uns zu im Garten, je höher desto besser. Wir drohten ihr damit, sie in den Backofen zu stecken. Sie hasste den Backofen. Aber uns liebte sie. Und am Samstag vor dem Fernseher, während Beni Thurnheer pausenlos telefonierte, um mit farbigen Kugeln ein paar Schweizer mit einer Million zu beglücken, ass auch sie wie wir Kinder nur von den Paprikachips und ganz sicher nicht vom langweiligen Salzpendant. 

Sie wurde immer älter, so alt, dass wir dachten, sie wäre unsterblich. Aber irgendwann hing ihr einst so seidiges Fell nur noch in verklebten Zotteln an ihrem dürr gewordenen Körper. Der Katzengeneral war zum Veteran geworden. Wenn Nelli ihr Maul öffnete, kam kein Miau mehr. Ihre linke Backe hatte ein Loch und aus diesem Loch ragte ein Zahn. Sie konnte kaum mehr fressen. Vielleicht darum griff sie ihren Napf an, stiess ihn um und rannte weg. Manchmal lachten wir noch über ihre Verrücktheit. Doch dann ging Nelli weg und kam nie wieder. 

«Die Hälfte der Freude, ein Haustier zu halten, besteht darin, über es zu reden.»
Birgit Schmid

Das ist wohl das, was allen Haustierbesitzern passiert, wenn sie von anderen Katzen- oder Hundegeschichten hören. Sie wollen sofort von ihrem eigenen Tier erzählen. In Birgit Schmids Buch geht es um ihren melancholischen Kater Fritz und Rosie, der Neugierigen. Und um die Suche nach dem Ja auf die Frage «Lieben Katzen ihre Besitzer?»

Birgit Schmid – «Lieben Katzen ihre Besitzer?»
Birgit Schmid ist Redaktorin und Kolumnistin bei der NZZ. In ihrem neuen Buch beweist sie anhand ihrer beiden Katzen und wissenschaftlichen Ausflügen, dass Katzen sehr wohl eine Beziehung zu ihren Besitzern aufbauen können. Das Buch ist im Echtzeit Verlag erschienen und hier erhältlich. 

Ein paar Wahr- und Weisheiten über Katzen und ihre Besitzer

«Um die Zuneigung von Katzen muss man kämpfen.»
Birgit Schmid
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gif: 4gifs
«Soldaten lieben Hunde, Künstler lieben Katzen.»
Birgit Schmid
Ein amerikanischer Soldat gibt seinem Nachrichtenhund Anweisungen, Iwojima 1945.
Ein amerikanischer Soldat gibt seinem Nachrichtenhund Anweisungen, Iwojima 1945.bild: historum
Marlon Brando mit seiner Katze.
Marlon Brando mit seiner Katze.
bild: alanakm
«Leute, die mit Katzen leben, müssen psychisch robust sein.»
Birgit Schmid
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gif: giphy

Katzen sind mehr als Wesen mit Appetit und Instinkten

Die Autorin wehrt sich gegen die Fütterungstheorie, die besagt, dass die Zuneigung der Katzen von der einen Hand zur nächsten springt, solange diese ihr was zu fressen gibt. BBC hat das in einer Studie mit 50 Tierchen zu beweisen versucht. Sie verfolgten die mit GPS und Mikrokameras ausgestatteten Katzen auf ihren Streifzügen und kamen zum Schluss: Sie fühlen sich beim Nachbarn genauso wohl, vorausgesetzt sie werden von diesem bewirtet.

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Das sei Schwachsinn, findet die Autorin. Und der berühmte Schweizer Katzenforscher Denis C. Turner gibt ihr recht: Wenn man eine Katze nur füttere und sie weder streichle noch mit ihr spreche, dann sei die Liebe nach zwei Wochen dahin. Katzen wählen sich ihre Lieblingsmenschen aus. Und deshalb ist ihre Beziehung zum Halter nicht austauschbar, sondern sehr individuell. Genauso wie es das Miauen jedes Tiers ist. 

Das zeigt eine Studie, in der das Miauen von zwölf Katzen in fünf Alltagssituationen aufgenommen und den Besitzern vorgespielt wurde. Jeder Besitzer konnte bloss diejenige Situation entschlüsseln, in der das Miauen seiner eigenen Katze aufgezeichnet wurde – ob die Katze gelangweilt war, fressen wollte oder Auslass forderte. Eine Universalkatzensprache gibt es nicht. Und vielleicht auch darum werden wir diese Wesen nie ganz verstehen. Sie sind einfach zu eigenwillig. 

Katzenlogik und warum wir sie nie verstehen werden

Brigit Schmid schreibt:

«Es wird nie einen Song geben mit der Zeile: Wer hat die Katze rausgelassen? Der Text wäre ein langweiliger Refrain, denn die Antwort lautet: derjenige, der sie vor einer Minute reingelassen hat. Wer hat die Katze reingelassen? Derjenige, der sie vor einer Minute rausgelassen hat.»
Birgit Schmid

Stimmt. Niemand begreift diese ungemein konfusen Motivationen einer Katze. 

Einfach nicht.

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bild: via boredpanda

Nie.

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Eben.

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Der amerikanische Philosoph Thomas Nagel hat mal versucht, sich in eine Fledermaus hineinzuversetzen. Er stellte sich vor, kopfüber an einem Ast zu hängen und sich wegen der fast blinden Augen nur über das Gehör orientieren zu können. Er schreibt: «Insoweit ich mir dies vorstellen kann, sagt es mir nur, wie es für mich wäre, mich so zu verhalten, wie sich eine Fledermaus verhält. Das aber ist nicht die Frage. Ich möchte wissen, wie es für eine Fledermaus ist, eine Fledermaus zu sein.» Der Mensch ist also auf sein Bewusstsein beschränkt. Er kann daraus nicht ausbrechen. Er kann niemals nicht Mensch sein.

Und wenn wir nicht mal in die Fledermaus hineinschauen können, wie sollen wir dann jemals das grösste aller Rätsel, die geheimnisvolle Chiffre Katze entschlüsseln? 

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bild: via earthporm

Katzen sind Mörder

«Jede Katze, die im Freien unterwegs ist, hat jährlich 200 Vögel auf dem Gewissen, das macht 2,4 Milliarden tote Vögel insgesamt. Katzen töten 12,3 Milliarden Säugetiere in einem Jahr, nicht nur Mäuse, auch Eichhörnchen, dazu ungefähr 650 Millionen Reptilien und Amphibien.»
Birgid Schmid
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bild: via boredpanda

Die Vorschläge der Katzenhasser reichen von Kastrierung über Hausarrest bis hin zum Abschuss. Irritierend ist aber nicht einfach die Tatsache, dass Katzen Amseln, Blindschleichen und Mäuse töten und damit deren Population teilweise drastisch dezimieren, sondern der Umstand, dass sie es tun, obwohl sie gefüttert werden. 

«Katzen sind dialektische Wesen, die uns auch an uns selbst erinnern. Sie täuschen Gezähmtheit vor und helfen beim Verdrängen der eigenen Brutalität.»
Birgid Schmid
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Ist das nun der höchste Grad der Dekadenz? Die domestizierte Katze, die keinen Hunger kennt und dennoch jagt? 

Nein. Es muss irgendwas tief in der Katze drin sein. Ein natürlicher Jagdinstinkt, der sich nicht abstellen lässt. Erschwerend kommt hinzu, dass sie das einzige Tier ist, das mit seiner Beute spielt, bevor sie es – wenn überhaupt – frisst. Und dieses Spiel ist Ausdruck ihrer Macht. Katzen wenden nicht einfach rohe Gewalt an: 

«Eine Beute wird ergriffen und mit Gewalt in den Mund geführt. Wenn die Gewalt sich mehr Zeit lässt, wird sie zur Macht.»
Elias Canetti, «Masse und Macht»

Das ist der Moment, in dem die Katze mit ihrem Spiel beginnt: Sie entlässt die gefangene Maus aus ihrer Gewalt, lässt ihr einen Augenblick der Hoffnung. Doch es steht in ihrer Macht, die Maus jederzeit zurückzuholen. 

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Ganz im Gegensatz zu Tom. Der kriegt Jerry trotzdem nie.gif: giphy

Warum tun die Tierchen so etwas Grauenhaftes? Wenn wir annehmen, dass allein der Mensch fähig ist, andere Lebewesen willentlich zu quälen, so muss es bei der Katze eine Art Spielinstinkt sein. Wissen tut man wie immer nichts Genaues darüber. Aber eine These besagt, dass ihre «Spielereien» in Wirklichkeit präzis platzierte Schläge seien, die es der Katze ermöglichen, grössere Beutetiere wie Ratten – die zurückbeissen können – zu zermürben. 

Ein bisschen Katzen-Kulturgeschichte: Vom Kornspeicher ins Internet

«Liebe und Hass, das wird Katzen bis heute entgegen gebracht.»
Birgit Schmid
Milch für die Bauernhofskatzen!
Milch für die Bauernhofskatzen!
bild: pinterest

Als die Menschen mit dem Ackerbau begannen, fand auch die Katze ihr perfektes Jagdrevier: Der Kornspeicher, in dem sie Mäusen und Ratten den Garaus machte und damit den Hunger der Menschen ein bisschen verringerte. 

Den Alten Ägyptern galt die Katze als heilig. Eine zu töten war ein Kapitalverbrechen. Nur die Priester durften die Tiere den Göttern opfern. Man erzählt sich sogar, dass beim Brand eines Hauses die Katze vor den eigenen Kindern gerettet wurde.

Bastet ist in der ägyptischen Mythologie die Katzengöttin und Tochter des Sonnengottes Re.
Bastet ist in der ägyptischen Mythologie die Katzengöttin und Tochter des Sonnengottes Re.
«Wenn in einem Hause eine Katze stirbt, scheren sich alle Hausbewohner die Augenbrauen ab. Die toten Katzen werden nach der Stadt Bubastis gebracht, einbalsamiert und in heiligen Grabkammern beigesetzt.»
Herodot, Historien

Im mittelalterlichen Europa war die Katze weniger beliebt. Die Kirche brachte sie mit heidnischen Bräuchen und Hexerei in Verbindung und erklärte sie, wenn auch nicht immer zum Teufel selbst, so doch zu dessen Gesandten. Katzen wurden vertrieben, in Körbe gesperrt und auf Scheiterhaufen verbrannt. In Frankreich war es Brauchtum, eine Katze ins Fundament einer Kirche einzubauen, um Satan und seine bösen Mächte zu begraben. Erst im 18. Jahrhundert wurde die Verfolgung der Katze durch Ludwig XV. von Frankreich verboten.

Katzen waren im Mittelalter verhasst.
Katzen waren im Mittelalter verhasst.
bild: bien-dans-ses-poils

Heute sind sie die Königinnen des Internets. Birgit Schmid sieht die Katzenmanie im Netz jedoch kritisch: 

«Ich bin mir nicht sicher, ob die Beliebtheit von Katzen im Netz Ausdruck unserer Liebe zu Katzen ist oder bloss der Ausdruck unserer Liebe zu uns selbst, die sich in Klicks und Likes ausdrückt.»
Birgit Schmid
Grumpy Cat ist eine Berühmtheit – und ihre Besitzerin ist durch sie reich geworden.
Grumpy Cat ist eine Berühmtheit – und ihre Besitzerin ist durch sie reich geworden.

Aber immerhin sagt die Wissenschaft, dass herzige Bilder dieselben Hirnregionen stimulieren würde wie Sex, gutes Essen oder Kokain.

Passend dazu: 63 Katzen, die einfach nur Katzen sind

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63 Katzen, die einfach nur Katzen sind
... das vielleicht? Hihi lustig.
Bild: imgur
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