São Paulo ist crazy. Über 15 Millionen Einwohner, eine überwältigend verspielte Architektur und eine chaotische Ansammlung tausender Gebäude, Strassen und Brücken. Im krassen Gegensatz zu der hohen Kriminalitätsrate und den Gang-Kriegen sind die Menschen hier sehr offenherzig, friedlich und zuvorkommend. Die portugiesische Sprache verzaubert jeden, der so mit ihr in Berührung kommt.
Die Red Bull Station ist ein pulsierender Kraftort mitten im Chaos. Die Energie des umgebauten ehemaligen Kraftwerks fliesst heute in Form von Kunst und Musik unerschöpflich in diesen Moloch von einer Stadt. Die Station ist Ausstellungsraum, Treffpunkt für Künstler verschiedener Richtungen und beherbergt ein Soundstudio erster Klasse. An diesem inspirierenden Ort, der schon von Pharrell Williams und anderen namhaften Künstlern beehrt wurde, durften auch Chocolococolo, Gudrun (mein Loopgerät) und ich eine Woche verbringen. Wir haben an den in Los Angeles angefangenen Songs weitergearbeitet, neue Sachen entworfen und mit Künstlern aus São Paulo gejammt.
Die Mitglieder der Indierockband Inky haben uns ins Musikviertel São Paulo entführt, in dem sich ein Musikladen an den anderen reiht. Nach einigen Abstechern in eher herkömmliche Instrumente-Shops entdeckten wir dicht beieinander zwei einladende Mikrokosmos-Läden. Der erste Laden widmet sich der indigenen Bevölkerung und ihrer Kultur und Musik. Hier fanden wir viele traditionelle Perkussionsinstrumente, von denen wir einige kauften, um sie dann zur Verfeinerung unserer Songskizzen zu gebrauchen. Beim zweiten Laden stiessen wir auf Hangtrommeln in spezieller Ausführung. Hangtrommeln sind eine Art Steel-Drum, die lustigerweise von einem Schweizer erfunden wurden. Eine Mischung aus Melodie- und Rhythmusinstrument. Wir kauften uns eine Abwandlung dieser Hangtrommeln und genau diese wurde später zum tragenden Element von fast allen Liedern, die für mein neues Album in São Paulo entstanden sind.
Parallel zum musikalischen Schaffen, schlossen wir Freundschaften, lauschten den Geschichten der Einheimischen, assen viele frittierte Teigtaschen und feierten Partys, wenn es die Zeit zuliess. Die brasilianische Musik war dabei sehr anregend. Im Gegensatz zur karibischen enthält sie viele Jazz-Elemente, was mir persönlich sehr gefällt.
Nicht nur die Musik, sondern auch die Sprache hat mich sehr inspiriert. Da ich als Kind fünf Jahre in Portugal gelebt habe, spreche ich noch immer bruchstückhaft Portugiesisch und hab in dieser kurzen Zeit so viel davon wieder aufgefrischt, dass ich mich sogar zu einer portugiesischen Ballade hinreissen liess. Ein Duett mit der Sängerin von Inky. Es handelt von einer flüchtigen Liebe in einem fernen Land, die kurz aufflammt, dann aber nie mehr in dieser Form weiterbesteht. Eine leidenschaftliche, fast kitschige Momentaufnahme mit einer verruchten Nuance – São Paulo eben.