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Lauter Szenis und eine Boyband, die mich zum Schreien brachte – watson am Lauter-Festival in Zürich

Bild: Lauter-Festival
Festival-Kritik

Lauter Szenis und eine Boyband, die mich zum Schreien brachte – watson am Lauter-Festival in Zürich

Vergangenen Samstag hat zum sechsten Mal das eintrittsfreie Lauter-Festival in der Zürcher Innenstadt stattgefunden. Ein verhältnismässig überschaubarer Event, der mit 24 Acts dennoch viel zu bieten hat. watson war vor Ort.
19.05.2014, 22:0820.05.2014, 11:59
Can Kgil
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Bereits zum sechsten Mal hat das Lauter-Festival stattgefunden. Der eintägige Event rund um die Zürcher Gessnerallee war einst als Plattform für Newcomer vorgesehen, ist mittlerweile aber längst darüber hinausgewachsen. Letztes Wochenende kamen 24 zum Teil internationale Bands in den Stall 6, in die Hafenkneipe und ins El Lokal und bezauberten vorwiegend Indie-Pop-Fans. Aber nicht nur. watson-Redaktor Can Kgil war vor Ort und erzählt von seinen persönlichen Eindrücken: 

Bild: Lauter-Festival/June Fischer

Stimmung und Bands

Zugegeben, über die Teeniband The Pixels hatte ich im Vorfeld nicht viel Gutes gehört. Deswegen wurde die Zürcher Band ohne schlechtes Gewissen von der Prioritätenliste gestrichen. Diese Entscheidung sollte ich später jedoch bereuen. Gegen alle Erwartungen protestierten diverse Festivalgänger vehement gegen meine Vorverurteilung und legten nahe, man müsse unbedingt den Tönen dieser jungen Leute lauschen. Nach langem Tamtam konnte ich mich dann beim besten Willen nicht widersetzen. So kam es, dass ich mich in die komplett überfüllte Hafenkneipe presste und zwischen all den zirka zehn Jahre jüngeren Teenies und ihren Eltern stand. 

Ehe die Band anstimmte, ging ein Gekreische los und ich fasste mir nachdenklich an den Kopf. Ich wollte gehen, konnte aber nicht – jegliche Flucht wurde durch das eng zusammengeraufte Publikum verunmöglicht. Doch dann, mit jedem neuen Song änderte sich meine Einstellung. Hey, diese Kids haben's drauf! Nicht nur musikalisch, sondern auch textlich: Sinnvoller Mundart halt, begleitet durch rhythmische Töne. Schliesslich wippte ich bei den Liedern mit und die einstige Ablehnung wandelte sich in Begeisterung. Der halbstündige Gig ging vorüber und ich schritt peinlich berührt und gequält durch meine Voreingenommenheit von dannen. Das ist mein Outing: Ich bin auch ein Pixel. 

Et voilà: The Pixels.
Et voilà: The Pixels.Bild: Lauter-Festival/June Fischer

Ein paar Häuser weiter wurden gerade die letzten drei Lieder von What Josephine Saw gespielt. 

What Josephine Saw und die Glühbirnen.
What Josephine Saw und die Glühbirnen.Bild: Lauter-Festival/June Fischer

Im Stall 6 streichelten die sechs Jungs mit melancholischen Klängen die zarten Gemüter des Publikums. In der taumelnden Masse fehlte eigentlich nur noch ein Feuerzeug-Flammenmeer. Die Lichttechnik mit alten Glühbirnen machte das stimmungs-technisch aber wieder wett. Alles in allem: Ein gelungener frühabendlicher Beitrag, der alteingesessene WJS-Fans mit Vertrautem beglückte und die Festivalstimmung der Neuentdecker nicht allzu fest herunter zog. Denn mehrheitlich war der Stall 6 von lustigen Auftritten geprägt.

What Josephine Saw 
What Josephine Saw Bild: Lauter-Festival/June Fischer

So sangen am Frühabend Lift Up über Hipster-Mädchen. Ganz im Sinn der Szene fühlte sich von all den Turnbeutel-Trägerinnen niemand wirklich angesprochen. Verständlich, wenn man bedenkt, dass der E-Gitarrist selbst mit einem Dreieck-gemusterten Tanktop auftrat. Man lässt sich ja auch nicht von einem Vegetarier als Veganer beschimpfen, oder so. Schon das Erscheinungsbild von Lift Up zauberte einigen Besuchern ein Lächeln ins Gesicht: Die vier Punkrocker könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Leadsänger könnte glatt als Rapper durchgehen, der E-Gitarrist als salonfähiger Szeni, der Bassist wiederum war eher ein unscheinbarer Zeitgenosse und der Drummer ein stets grinsender Typ, der schon nur durch die lustigen Grimassen hinter seinen Schlaginstrumenten das Publikum zu belustigen wusste.

Lift Up aus Deutschland: Der Szeni, der Rapper und der Unscheinbare.Bild: Lauter-Festival/June Fischer

Dann kamen aber Sizarr aus Deutschland (hier geht's zum Gespräch mit watson) und BRNS aus Belgien. Zweifelsfrei füllten diese zwei Acts den Stall am meisten. Kein Wunder irgendwie, denn der Mix aus lauthals gerufenen Gesängen und den schnellen und melodischen Klängen machten schlicht und einfach gute Laune. 

Marc ÜbelFabian Altstötter und Philipp Hülsenbeck von Sizarr.Bild: Lauter-Festival/June Fischer

Zwei wunderbare Bands, die ganz dem Publikumsgusto im Indie-Pop/Rock-Bermudadreieck am Samstag zu entsprechen schienen. Die Masse, am Ende der Konzertreihe von den holländischen De Staat erheitert, war dann bereit für die Party mit den Zürcher DJs Dragon Suplex und Nicolaj von Miteinandermusik. Dazwischen feierten die Festivalbesucher mit Parra For Cuva, einem DJ aus Berlin.

Leadsänger von den holländischen De Staat beim Cover von «Talk Dirty» von Jason Derulo (Zum Instagram-Video).Bild: Lauter-Festival/June Fischer

Publikum

Das Publikum war im Vergleich zu anderen Festivals gemischter. So flanierten am späten Nachmittag eher Familien und Teenager zwischen den drei Lokalitäten. Am Frühabend waren sogar vereinzelt Kinderwägen anzutreffen. Die Nacht gehörte dann aber doch den klassischen Festivalbesuchern im Alter zwischen 18 und 35.

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Bild: Lauter-Festival/Anna Caderas

Jutesäckchen und hochgekrempelte Jeans gehörten offenbar zum Pflichtdress der Lauter-Besucher. Und wer den Turnbeutel nicht gerade zur Hand hatte, konnte sich vor Ort beim Natasche-Stand einen besorgen. 

Bild: Lauter-Festival/Anna Caderas

Fressalien und Suff

Nicht nur das schöne Wetter lockte schaulustige Hipster mit Hornbrille und Co an. Auch kulinarisch wurde was geboten. Von Weltküche bis hin zum Grillbetrieb konnten die Lauter-Besucher allerlei Schmaus geniessen:

Tacos machen den Lauter froh ...Bild: Lauter-Festival/Anna Caderas 
... und Würste ebenso.Bild: Lauter-Festival/Anna Caderas 

Klassisch für musikgeprägte Anlässe wurde vermutlich am meisten Bier konsumiert. Aber nicht nur. Während der gepflegte Szeni sein Club Maté trank, ein koffeinhaltiges und alkoholfreies In-Getränk aus Deutschland, bevorzugten andere prickelnden Prosecco. Jedem das Seine. 

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Bier so weit das Auge reicht ...
Bier so weit das Auge reicht ...Bild: Lauter-Festival/Anna Caderas  
... aber auch Prosecco.Bild: Lauter-Festival/Anna Caderas  

Fazit

Obwohl der Eintritt auch dieses Jahr kostenlos war, schienen die Veranstalter an keiner für die Besucher bemerkbaren Stelle zu sparen. Die anfänglichen Bedenken, dass ein von Indie-Pop/Rock dominierendes Line-Up zu einseitig sein könnte, wurden aus meiner Sicht entschärft. So wurden melancholische Töne von What Josephine Saw schnell von diversen Gute-Laune-Melodien abgelöst, sodass den Festivalbesuchern einerseits viel Abwechslung, andererseits rasch neue Hörerlebnisse geboten wurden. Langeweile war also fehl am Platz. 

Bild
Bild: watson/can

Lediglich logistische Probleme, wie teilweise überfüllte Konzerte und lange Wartezeiten bei den Ein- und Ausgängen, könnte man den Organisatoren anlasten. Die Verpflegung war zwar gut, hatte aber auch ihren (zum Teil stolzen) Preis

26 Franken für einen Lammspiess mit Beilagen. Lecker war es allemal, aber auch teuer.
26 Franken für einen Lammspiess mit Beilagen. Lecker war es allemal, aber auch teuer.Bild: watson/can

Das Bier war mit 5 Franken im zahlbaren Bereich und somit mehr als fair. Mir imponierte, dass ein solcher Anlass ohne Zuschauereinnahmen auskommt – immerhin fand er dieses Jahr zum sechsten Mal statt. Falls es ein siebtes Mal geben sollte, bin ich sicher wieder mit von der Partie.

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