Seine Bombe lässt Louis Réard vor 70 Jahren im legendären Pariser Molitor-Schwimmbad platzen. Am 5. Juli 1946 führt eine Nackttänzerin am Rande eines Schönheitswettbewerbs einen unverschämt knapp geschnittenen Badeanzug vor: Stoffdreiecke verbunden durch dünne Bänder, so wenig Tuch ist ungeheuerlich für die damalige Zeit.
Es ist die Geburtsstunde des Bikinis – und eine Mode-Revolution. Bis der von Réard erfundene Mini-Zweiteiler seinen Siegeszug um die Welt antritt und Millionen Frauen im Bikini am Strand liegen, werden aber noch Jahrzehnte vergehen.
Denn der Bikini stösst bald auf Widerstand: Der Vatikan verurteilt das entblössende Kleidungsstück, in Spanien und Italien wird es verboten, in Frankreich kurioserweise an der Atlantikküste, nicht aber am Mittelmeer. Ohnehin würden sich die meisten Frauen im Nachkriegseuropa niemals so freizügig zeigen.
«Für die Zeit war das viel zu gewagt», sagt Ghislaine Rayer, Autorin des Buches «Bikini, die Legende», das zum 70. Geburtstag des Badeanzugs in Frankreich herausgekommen ist. «Aber selbst wenn der Bikini geschockt hat und die Frauen ihn nicht tragen wollten, weil er unzüchtig wirkte – Réard war ein Wegbereiter.»
Und um knallige Effekte nicht verlegen. Seinen Badeanzug benennt Réard nach dem Bikini-Atoll, wo die USA am 1. Juli 1946 eine Atombombe testen. Die Bilder des Atompilzes gehen um die Welt – und Réard greift sich den Namen des Atolls für seinen vier Tage später vorgestellten Badeanzug. Der Werbeslogan: «Der Bikini: Die erste anatomische Bombe».
Neu ist das Prinzip eines zweiteiligen Badeanzugs nicht. «Aber der Bikini zeigt zum ersten Mal, was die Frauen bislang nicht zu zeigen wagten – den Bauchnabel», sagt Rayer. «Das ist die wahre Revolution.» Viel nackte Haut ist auch am Po zu sehen, in gewisser Weise könnte Réard deswegen auch als Erfinder des Strings in die Geschichte eingehen.
Um den Bikini ranken sich zahlreiche Legenden – und viele davon sind falsch, sagt Rayer. Musste Réard wirklich auf die 19-jährige Nackttänzerin Micheline Bernardini zurückgreifen, weil kein Model den knappen Bikini tragen wollte?
Unsinn, meint die Bikini-Spezialistin. Vielmehr arbeitete Réard schon vorher gerne für die Präsentation seiner Entwürfe mit den Tänzerinnen des Clubs Casino de Paris zusammen, in dem Bernardini auftrat.
Und war der Bikini-Erfinder tatsächlich Autoingenieur, wie oft zu lesen ist? «Er hat nur nach dem Ersten Weltkrieg ein Praktikum bei Peugeot gemacht, ein paar Monate lang», sagt Rayer. Réard entstammt einer Familie von Kleiderfabrikanten und ist in den elterlichen Betrieb in Paris eingestiegen.
Sein Bikini setzt sich nur mühsam durch, erst mit der 68er-Bewegung wird er zum Massenprodukt. Zwei Filmschönheiten treiben die Entwicklung voran: 1953 posiert die erst 18-jährige Brigitte Bardot am Strand von Cannes in einem Bikini mit Blumenmuster für die Fotografen. «Eine neue Bombe ist geplatzt», schreibt Rayer, «und am nächsten Tag spricht die ganze Welt nur vom Bikini von BB.»
Zehn Jahre später steigt Ursula Andress in «James Bond jagt Dr. No» in einem weissen Bikini aus dem Meer und löst bei Kinobesuchern Herzrasen aus. «Dieser Bikini hat mich erfolgreich gemacht», sagt Andress später zu der legendären Filmszene. Legendär auch der US-Hit «Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polkadot Bikini» aus dem Jahr 1960.
Wirklich gealtert ist der Bikini nicht. «Es ist eines der wenigen Kleidungsstücke für Frauen, das sich praktisch nicht verändert hat», sagt Buchautorin Rayer. «Er ist eigentlich immer der gleiche geblieben.» (sda/afp)