Es beginnt mit einem Moment des puren Kino-Wunders: Die Kamera verharrt im Close-up auf dem Antlitz eines Schimpansen. Seine Augen sind klug und wach. Er schnaubt in die Stille des Waldes, dann gibt er ein kehliges Kommando, und seine Horde schwingt sich behände in den Wipfeln von Ast zu Ast, erpicht darauf, das flüchtende Rotwild zu erlegen. Die Jagdszene ist so virtuos inszeniert, dass sich gleich zu Beginn von «Dawn of the Planet of the Apes» (deutscher Titel: «Planet der Affen: Revolution») ein Kaleidoskop bedeutender Film-Referenzen entfaltet - von Stanley Kubricks Primaten-Sequenz in «2001» über Jean-Jacques Annauds Urzeit-Studie «Am Anfang war das Feuer» bis hin zu aktuellen 3D-Spektakeln wie «Gravity».
Hätte Regisseur Matt Reeves («Cloverfield») der Kraft dieser Bilder vertraut, hätte sich sein Blockbuster-Sequel vielleicht einen Platz in der Kino-Historie gesichert. Leider aber musste er ein von drei Autoren verfertigtes Skript verfilmen, das der revolutionären Technik, die hier ausgestellt wird, erzählerische Hollywood-Dutzendware entgegensetzt. Was für eine verpasste Chance!
Ausgangspunkt der Geschichte ist das Ende des Vorgängerfilms «Rise of the Planet of the Apes» (2011; deutscher Titel: «Planet der Affen: Prevolution»): Der mit einem experimentellen Alzheimer-Medikament zum hyperintelligenten Affen mutierte Schimpanse Caesar flüchtete mit einigen aus dem Versuchslabor befreiten Artgenossen in die nördlich von San Francisco gelegenen Wälder. Problem: Das Medikament wirkt bei Affen zerebrale Wunder, für Menschen ist es ein tödliches Virus, das zur globalen Apokalypse führt, während Caesar in den urwüchsigen Redwoods von Marin County seine eigene kleine Affen-Zivilisation aufbaut. Sein halbwüchsiger Sohn Blue Eyes ist ein draufgängerischer Teenager, sein ehemaliger Labor-Sidekick Koba, ein von Misshandlungsnarben versehrter Bonobo, dient ihm als zunächst treuer General, und Orang-Utan Maurice hat sogar leidlich schreiben gelernt: «Ape not kill Ape» hat er an eine Felswand gekritzelt, das Credo einer friedfertigen neuen Humanoiden-Art.
Caesar wird erneut von dem Schauspieler Andy Serkis verkörpert, der bereits den Gollum in Peter Jacksons «Lord of the Rings»-Trilogie zum Leben erweckte. Inzwischen sind die auch hier angewandte Motion-Capture- und CGI-Techniken so weit fortgeschritten, dass eine nahezu perfekte Synthese aus digitaler Kreatur und menschlichem Spiel entsteht. Es ist atemberaubend, wie nuanciert die Mimik von Serkis und den anderen Affen-Darstellern in Mienenspiel und Physis der animierten Figuren einfliesst. Selten wirkten künstlich erschaffene Kino-Charaktere glaubhafter als die Mitglieder dieser Primaten-Kommune. Folglich wäre es faszinierend gewesen, den ganzen Film nur mit ihnen zu gestalten.
Doch man muss in diesem Fall sagen: Leider haben ein paar Menschen in San Francisco die virale Ausrottung überlebt - und stossen auf der Suche nach einem alten Staukraftwerk auf die Affenhorde. Es kommt zu zaghaften diplomatischen Verhandlungen – Caesar beherrscht ein paar Brocken Englisch –, zu Annäherung und Vertrauen, schliesslich zu Verrat auf beiden Seiten und zur blutigen Auseinandersetzung.
Mit den Menschen, Jason Clarke als Klischee-humanistischem Ingenieur samt knuffiger Familie sowie Gary Oldman als bis zur Karikatur hartgesottenem Anführer der Überlebenden, halten nicht nur bis dato unbekannte Eigenschaften wie Niedertracht, Machtgier und Misstrauen Einzug in die knospende Affen-Zivilisation, sondern auch Ödnis und Langeweile, was das Filmgeschehen betrifft. Man mag es gar nicht im Detail ausbreiten, so uninspiriert ist der Plot, der letztlich nur noch als Folie für möglichst schauwertige Strassenkämpfe und Actionszenen dient.
Die schöne Anarchie, die leichtherzigen, teils geistreichen Pointen, über die «Prevolution» trotz seines blödsinnigen deutschen Verleihtitels verfügte, werden von Reeves und seinen Autoren mit der für aktuelle Dystopie-Blockbuster typischen düsternassen Unheilsatmosphäre, Charakter-Stereotypen und groben Schlägen mit der Moralkeule zunichte gemacht. Nur manchmal, etwa wenn der durchtriebene Bonobo Koba in brenzliger Situation den vergnügten Zirkusaffen gibt, um die misstrauischen Menschen zu täuschen, blitzt ein wenig Witz auf.
Klar, wie schon in Pierre Boulles Roman und dem Originalfilm von 1968 werden mit «Planet of the Apes» immer auch schwere, ernste Themen im Pulp-Format verhandelt: die philosophische Frage nach der Essenz von Menschlichkeit, dem inneren Zusammenhalt von Gemeinschaften, dem zivilisatorischen Funken und letztlich immer auch Rassismus. Aber das heisst ja nicht, dass man dabei nicht auch die Fantasie etwas mehr spielen lassen kann.
Den Erfolg an der Kinokasse behinderte die kreative Pleite auf erzählerischer Seite bisher nicht: Mit weltweit knapp 370 Millionen Dollar Umsatz ist «Dawn of the Planet of the Apes» als erste einer ganzen Reihe geplanter Fortsetzungen einer der bisher erfolgreichsten Filme der ansonsten eher umsatzschwachen Saison der Sommer-Blockbuster. Was angesichts komplett hirnloser Konkurrenz-Spektakel wie «Transformers 4» kein Wunder ist.
Einen filmhistorischen Moment könnte es abseits kommerzieller Erwägungen dann doch noch geben. Wenn Andy Serkis nicht nur endlich seine erste, unbedingt verdiente Oscar-Nominierung bekommt, sondern möglicherweise für seine kongeniale Darstellung eines digital animierten Affencharakters auch noch gewinnt - das wäre nicht nur ein Kino-Wunder, das wäre tatsächlich revolutionär.