Bei ihrer «Anti-Terror-Operation» gegen prorussische Separatisten hat die ukrainische Armee schwere Verluste hinnehmen müssen. Aufständische beschossen die Regierungstruppen bei Selenopolje im Raum Lugansk massiv mit Raketen und töteten mindestens 19 Soldaten.
Etwa 93 Armeeangehörige wurden verletzt. Auf Bildern waren völlig zerstörte Panzer und tiefe Bombentrichter zu sehen. Die Führung in Kiew sprach von einem der verlustreichsten Tage für die Armee seit Beginn der Kämpfe Mitte April und kündigte Vergeltung an.
«Für jedes Leben eines unserer Soldaten werden die Terroristen mit Dutzenden und Hunderten ihrer Leben bezahlen», sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko.
Bei einem Raketenwerferangriff bei Lugansk starben weitere vier Grenzsoldaten. Die Separatisten attackierten auch Sicherheitskräfte rund um die Flughäfen von Lugansk und Donezk. Dabei setzten sie Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge ein.
Die Armee beschoss ihrerseits die Stellungen der Aufständischen aus der Luft. Bis zu 100 Seperatisten seien in den vergangenen 24 Stunden getötet worden, sagte ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Kiew.
Die Zivilisten geraten derweil immer mehr zwischen die Fronten. Im Raum Lugansk starben vier Bergarbeiter, als ihr Bus von einer Granate der Separatisten getroffen wurde. Ebenfalls in Lugansk wurde eine Frau auf ihrem Balkon von einem Scharfschützen erschossen.
Immer mehr Menschen flüchten vor der Gewalt in der Ostukraine nach Russland. Nach Angaben von Behörden haben bereits Hunderttausende Ukrainer Zuflucht im Nachbarland gesucht.
Angesichts der neuen Gewalt in der Ostukraine forderte Präsident Poroschenko bei einem Telefonat mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ein baldiges Treffen der Konfliktparteien. Die Führung in Kiew sei bereit zu Gesprächen mit den Aufständischen über eine Waffenruhe, teilte das Präsidialamt mit. Es müsse sichergestellt werden, dass keine Waffen für die Aufständischen über die Grenze aus Russland einsickern.
Merkel mahnte Poroschenko laut Angaben der deutschen Regierung, «bei seinem legitimen Vorgehen gegen die Separatisten Verhältnismässigkeit zu wahren und die die Zivilbevölkerung zu schützen».
Russlands UNO-Botschafter Witali Tschurkin forderte die Führung in Kiew zu einer sofortigen Feuerpause auf. «Unter dem Deckmantel eines Friedensplans zieht Präsident Poroschenko unbarmherzig eine Militäraktion gegen die eigene Bevölkerung durch», sagte er.
Tschurkin machte Druck wegen einer Ukraine-Resolution des UNO-Sicherheitsrats. «Wir haben heute einige Elemente kommuniziert und erwarten bis Montag, 10 Uhr (Ortszeit), Antworten», sagte er in New York. Bisherige Vorstösse waren am Widerstand westlicher Staaten gescheitert, die Moskau vorwarfen, einseitig Kiew zu beschuldigen.
Laut einem Bericht von Amnesty International haben sich in dem Konflikt sowohl prorussische Separatisten als auch Soldaten «gravierende Menschenrechtsverletzungen» zuschulden kommen lassen. Aktivisten, Demonstranten und Geiseln seien auf «erschütternde» Weise behandelt worden, heisst es in dem am Freitag veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation.
Vor allem die Separatisten nahmen Amnesty zufolge zahlreiche Geiseln. Diese seien «oft brutal geschlagen und gefoltert» worden, hiess es. Allerdings seien auch auf Seiten der regierungstreuen Kräfte Menschenrechtsverletzungen dokumentiert.
Die OSZE-Vertreterin für Medienfreiheit, Dunja Mijatović, warnte ausserdem vor einer weiteren Einschränkung der Medienfreiheit und -vielfalt in der Region Lugansk und auf der Krim. «Ich bin sehr besorgt über die ständigen Attacken der separatistischen Kräfte gegen Fernsehsender in Lugansk und der Krim», wird sie in einer Medienmitteilung vom Freitag zitiert.
Diese Angriffe würden die Sicherheit von Journalisten gefährden und gegen das Recht der Menschen auf freie Information verstossen, sagte Mijatović. (dwi/sda/dpa/afp/reu)