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Wegen Einsprachen zur Aarauer Kunsteisbahn: Anwohner werden massiv bedroht

Wegen Einsprachen zur Aarauer Kunsteisbahn: Anwohner werden massiv bedroht

Die AZ beantwortet die zwölf wichtigsten Fragen rund um das Kunsteisbahn-Debakel. Erfahren Sie, was es mit den Beschimpfungen und Drohungen gegen Keba-Einsprecher auf sich hat, und warum die Polizei nun ermittelt.
21.02.2017, 10:5421.02.2017, 12:51
Nadja Rohner / az Aargauer Zeitung
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(Bild: Mario Heller/az) Eishalle Aarau Keba
Der Spass ist für viele Kinder und Jugendliche erstmals vorbei.

Seit einer Woche spricht die halbe Schweiz über die Aarauer Kunsteisbahn (Keba), die wegen eines Rechtsstreits ihre Öffnungszeiten massiv einschränken muss. Auslöser waren viel zu kurz beantragte Betriebszeiten und Anwohner, die Einsprache gegen eine Erweiterung erhoben haben. In Aarau gehen die Wogen hoch, Einsprecher werden bedroht, Politiker wollen Köpfe rollen sehen. Zeit für ein Innehalten. Was ist eigentlich passiert – und wie geht es weiter? Die AZ hat die wichtigsten Fragen aufgelistet.

Was hat es mit den Drohungen gegen Einsprecher auf sich?

Die AZ weiss von mindestens einem schwerwiegenden Fall: Am Freitagnachmittag wurde einer Einsprecherin von einem anonymen Anrufer gedroht, man werde ihr Haus «abfackeln», falls sie ihre Einsprache nicht zurückziehe. Die Kantonspolizei ermittelt. In weiteren Fällen wurden Einsprecher beschimpft oder auf der Strasse angepöbelt.

Wurden deswegen Einsprachen zurückgezogen?

Ja, mindestens einem Einsprecher ist der Rummel zu viel geworden. Der überwiegende Teil hält aber an seinem Recht fest.

Was haben die Einsprecher bisher erreicht?

Im Wesentlichen zwei Dinge. Erstens: Die Keba muss per sofort schon um 16.30 Uhr schliessen. Das finden zwar auch viele Einsprecher «schwachsinnig», wie einer von ihnen dem OT sagt – doch wenn sich die Keba nicht daran hält, riskiert sie einen Polizeieinsatz. Zweitens: Die Keba-Verantwortlichen haben die Einsprecher jetzt zum Gespräch geladen – fast ein Jahr nach Eingang der Einsprachen.

Wer redet wann mit wem?

Am Wochenende erhielten die Einsprecher eine schriftliche «Einladung zu einer Aussprache in Sachen Keba». Darin heisst es: «Wir alle haben in den letzten Tagen viel über die Situation in und um die neu renovierte Keba Region Aarau gehört und gelesen. Uns allen ist es wichtig, dass wir gemeinsam bald zu einer Einigung kommen.» Unterschrieben ist der Brief von Keba-Präsident Heinz Zaugg sowie dem zuständigen Stadtrat Hanspeter Hilfiker, von «Argovia Stars»-Sportchef Heinz Leuenberger und von Marianne Stocker, Vizepräsidentin des Eislaufclubs. Die Aussprache findet heute Dienstagabend in der Keba statt. «Die Medien sind bewusst nicht eingeladen», sagt Hilfiker zum OT. «Wir wollen im kleinen Kreis – ohne Gemeinden, nur zwischen Betreiber, Club-Nutzern und Einsprechenden – Lösungen suchen.»

«Für die Hälfte des Hockeyclubs heisst es Saisonende»: Gedrückte Stimmung beim letzten Training der Argovia Stars am 16.2.2017

«Tele M1» war am Donnerstagabend in der Keba vor Ort. Diese muss ab sofort um 16.30 Uhr ihre Tore schliessen. Video: © Tele M1

Was bringt die Aussprache?

Aus Sicht der Keba-Verantwortlichen ist es wohl eine vertrauensbildende Massnahme. Man versucht, bei den Einsprechern den Puls zu fühlen und herauszufinden, unter welchen Bedingungen sie ihre Einsprachen zurückziehen könnten. Die Einsprecher werden Gelegenheit erhalten, sich zu ihren Forderungen zu äussern.

Was fordern die Einsprecher?

Bezüglich Keba ist das zum Beispiel, dass auf dem Ausseneisfeld nur noch zwischen 8 Uhr und 20 Uhr laute Sportarten betrieben werden dürfen. Ab 20 bis 22 Uhr soll Eiskunstlauf oder normales Schlittschuhfahren noch erlaubt sein, lärmintensive Sportarten wie Hockey oder Eisstockschiessen jedoch nicht mehr.

Geht es nur um die Keba?

Theoretisch schon, faktisch nicht. Die Anwohner nehmen Keba, Brügglifeld und die umliegenden Fussballplätze als eine einzige Anlage wahr. Und sie stören sich mehr an den ganzjährig bespielten Fussballplätzen als an der Keba, die ja nur im Winter betrieben wird.

Was ist das Problem bei den Fussballplätzen?

In erster Linie scheint das die in den Augen der Anwohner übertriebene Rasenpflege zu sein, die mit Lärmemissionen verbunden ist (Rasenmäher, Rasenbelüftung und die Sprinkleranlage). Zudem gebe es einen FC-Aarau-Trainer, der «herumschreit wie ein Irrer», so ein Anwohner. Wenn man ihn bitte, etwas leiser zu sein, werde man ausgelacht. «Als vor 30 Jahren Ottmar Hitzfeld Trainer war», erinnert sich ein Anwohner, «war das Klima weniger vergiftet. Wenn es da mal zu laut wurde, ging man rüber und sagte ‹Hey Ottmar, mach ein bisschen leiser›. Und Hitzfeld hat's sofort eingesehen.»

Egoistische Einsprecher?

Einzelne Personen können ganze Grossprojekte wie die Keba blockieren. Aber wieso sind es oft genau Sportanlagen, die es nicht einfach haben? Video: © TeleM1

Und was fordern die Einsprecher punkto Fussballfelder?

Zwar sind die Betriebszeiten der Fussballfelder Gegenstand eines separaten Verfahrens, die Einsprecher wollen aber hier und heute Zugeständnisse von der Stadt Aarau und dem Suhrer Gemeinderat. Man fordere zum Beispiel schon seit fünf Jahren erfolglos ein Lärmgutachten, das wesentliche Lärmquellen wie die Rasenpflege mit einschliesse, sagt einer der Einsprecher. Darauf basierend sei die Nutzung der gesamten Anlage zu regeln. «Wir verlangen nichts Unverschämtes», stellt ein Einsprecher klar. «Und wir sind auch keine Querulanten. Aber die Behörden ignorieren uns seit Jahren. Die Einsprachen scheinen leider der einzige Weg zu sein, uns Gehör zu verschaffen. Es liegt auch in unserem Interesse, relativ schnell eine Lösung zu finden. Wir haben an der Situation keine Freude.»

Wie viele Einsprecher gibt es eigentlich und wie sind sie organisiert?

Die genaue Zahl ist nicht öffentlich, im Moment dürften es etwa zwei Dutzend sein. Es gibt einen Haupteinsprecher, der anwaltlich vertreten ist. Untereinander kennen sich die Einsprecher teilweise, eine eigentliche Organisation gibt es aber nicht.

Wie geht es nach der Aussprache weiter?

Bis am 10. März hat die Anwältin des Haupteinsprechers Zeit, eine Schlussstellungnahme einzureichen. Dann muss der Suhrer Gemeinderat über die von der Keba beantragten erweiterten Öffnungszeiten entscheiden. Das wird er wohl innert weniger Wochen erledigen. «Aus heutiger Sicht werden wir das Gesuch bewilligen», erklärte Gemeindepräsident Beat Rüetschi am Freitag. Danach steht den Einsprechern der Rechtsweg via Regierungsrat, Verwaltungsgericht und Bundesgericht offen.

Was sagt die Politik?

Die SP hat eine dringliche Anfrage eingereicht, mit der sie Klarheit über «Hintergründe und Folgen der Keba-Abendschliessung» erhalten will. SP-Einwohnerrätin Gabriela Suter hat sich im Quartier umgehört und die meisten Fragen ihrer Fraktion gleich selber beantwortet. Ihr Fazit tut sie via Facebook kund: «Es sollte doch möglich sein, hier eine aussergerichtliche Lösung zu finden. Wichtig: Es gibt auch Anwohner und Anwohnerinnen, die weniger lärmempfindlich zu sein scheinen und die Lärmbelastung relativieren.»

Die SVP Aarau-Rohr reagiert «mit grosser Bestürzung und Befremden», wie sie gestern in einer Medienmitteilung schrieb. «Dass Fehler passieren können, ist menschlich. Dass Fehler während Jahren nicht behoben werden, ist dumm und verantwortungslos.» Es gebe nur zwei mögliche Erklärungen: «Im Rathaus wurde wohl spekuliert, dass keiner der zu Einsprachen berechtigten Anwohner den Lapsus bemerken würde.» Oder: «Die Situation wurde derart sträflich naiv beurteilt, dass die Verantwortlichen es für undenkbar hielten, dass jemand allen Ernstes verlangen würde, die Keba um 16.30 Uhr zu schliessen.» Die falsch bewilligten Betriebszeiten seien «ein peinlicher Fehler». Die SVP fragt – nicht zum ersten Mal – ob «die Politik die Verwaltung führt oder umgekehrt». Zudem fordert sie «Transparenz und pro-aktive Kommunikation im Unteren Rathaus». «Nebst den politischen Konsequenzen müssten eventuell sogar personalrechtliche Schritte eingeleitet werden.»

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(aargauerzeitung.ch)

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49 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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JasCar
21.02.2017 11:14registriert Juli 2015
Dass die Einsprecher bedroht werden, geht natürlich zu weit, das stelle ich nicht in Frage. Trotzdem verstehe ich den Frust, und die Wut auf die Einsprecher! Denn auch hier, wie beim Fluglärm, die Frage: "wer war zuerst?"
Das Quartier war in den letzten ca 100 Jahren kein ruhiges Quartier! Die KEBA selbst gib es seit 1959, das Brügglifeld aber wurde schon 1924 eröffnet!!!
Wie bünzlig und gelangweilt muss man sein, um auf Formfehlern rumzureiten?
Ich taufe das Quartier um in Bünzlifeld.
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Namenloses Elend
21.02.2017 11:49registriert Oktober 2014
Bünzli Overkill!
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ostpol76
21.02.2017 11:22registriert November 2015
"Ab 20 bis 22 Uhr soll Eiskunstlauf oder normales Schlittschuhfahren noch erlaubt sein, lärmintensive Sportarten wie Hockey oder Eisstockschiessen jedoch nicht mehr."

Mir ist noch gar nie aufgefallen das Eishockeyaner bei Ausübung ihrer Sportart einen Gehörschutz tragen :-)
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