Eine Überwachungskamera hat diese Schlägertruppe nach ihrer Tat im Februar 2011 gefilmt. Zeugen erkannten sie. © Kapo AG
«Wegen Zivilcourage im Spital» lautete der Titel der Polizeimeldung vom 26. Februar 2011. Kurz nach Mitternacht war ein Anwalt in der Badener Altstadt von sechs Männern verprügelt worden. Das Opfer erlitt Schädel-Hirn-Trauma, Nasenbeinbruch, Prellungen. Der Anwalt, der mit einem Kollegen auf dem Heimweg war, hatte die jungen Männer aufgefordert, die Altpapierbündel wegzuräumen, die sie davor bei der Suche nach einem verlorenen Autoschlüssel auf die Weite Gasse geworfen hatten.
Die Täter wurden mithilfe von Aufnahmen einer Überwachungskamera überführt und im März 2015 vom Bezirksgericht Baden verurteilt. Zwei der sechs Männer sassen am Donnerstagvormittag wieder auf der Anklagebank, diesmal vor dem Obergericht; sie hatten Berufung eingelegt.
Der Haupttäter, inzwischen 24-jährig, erschien mit Verteidiger und Freundin am Prozess. Ihm droht eine 30-monatige Freiheitsstrafe – acht Monate davon unbedingt. Als das Opfer bereits von Faustschlägen getroffen am Boden lag, versetzte der Angeklagte ihm einen Tritt gegen den Hinterkopf, sodass dieser gegen eine Wand prallte. Bevor er mit seinen Kollegen davonrannte, verpasste er ihm zudem einen Faustschlag ins Gesicht. Nur durch «glückliche Fügung» sei es nicht zu einer schweren Körperverletzung gekommen, heisst es in der Anklageschrift.
Die jungen Männer waren bei der Gewalttat alkoholisiert. Bier, Wodka, Whisky – der Angeklagte zählte vor Obergericht auf, was sie in jener Nacht getrunken hatten. «Ich will aber nicht dem Alkohol die Schuld geben», sagte er. «Bis heute weiss ich nicht, warum ich das getan habe. Eine Riesendummheit.» Er sei nie «so ein Typ», nie aggressiv gewesen. «Das war meine erste Schlägerei», versicherte der nicht vorbestrafte Angeklagte. Auf die Frage, was sich seit dem Vorfall geändert habe, antwortete der Angeklagte: «Alles». Er habe seine Lehre beendet, den Kollegenkreis gewechselt, eine Weiterbildung begonnen – und sei «erwachsen geworden».
Es gehe darum, eine adäquate Strafe zu finden, begründete sein Verteidiger die Berufung und warnte vor den Folgen einer Gefängnisstrafe. «Dadurch würde er aus einem günstigen Umfeld gerissen.» Auch der Staatsanwalt attestierte dem Angeklagten eine positive Entwicklung. Dennoch hielt er am erstinstanzlichen Urteil fest, die Berufung der beiden Angeklagten sei abzuweisen. «Der Vorfall liegt schon lange zurück», sagte der Staatsanwalt. Doch obwohl das Opfer sich von den Verletzungen erholt habe, leide es noch heute unter den Folgen des «brutalen und feigen Angriffs». Der Anwalt habe zu den Menschen gezählt, die nicht einfach wegschauen, sondern eingreifen – «Zivilcourage nennt man das». Heute überlege er sich zweimal, ob er den Mund aufmache.
Der zweite Angeklagte wehrte sich vor Obergericht gegen den Schuldspruch wegen Angriffs und die bedingte Freiheitsstrafe von 12 Monaten, zu der ihn das Badener Bezirksgericht verurteilt hatte. «Die Versuchung ist gross, alle Beschuldigten in einen Topf zu werfen», sagte sein Verteidiger. Allerdings könne seinem Mandanten keine strafbare Handlung vorgeworfen werden. Er sei in die Auseinandersetzung hineingezogen worden. Der Angeklagte selbst sagte: «Ich schäme mich heute noch für die Tat. Schrecklich, was passiert ist.» Er habe das Opfer im Reflex getreten, nicht um den Mann zu schädigen. Das sah der Staatsanwalt anders und sprach von einem «willentlichen Fusstritt gegen ein am Boden liegendes Opfer».
Das Obergericht bestätigte die beiden Schuldsprüche. «Die Zivilcourage ist mit Füssen getreten worden. Das wollen wir hier nicht», sagte der Oberrichter. Dennoch wurden die beiden Berufungen teilweise gutgeheissen und das Strafmass verringert. Der Haupttäter muss nicht ins Gefängnis.
Das Urteil: 24 Monate bedingte Freiheitsstrafe statt 30 Monaten teilbedingt. «Sie haben mehr Schwein als Verstand gehabt», sagte der Oberrichter und erinnerte daran, wie leicht das Opfer deutlich schwerer hätte verletzt werden können. «Dann wären Sie nun im Gefängnis.» Zum milderen Urteil trugen die nicht vorhandenen Vorstrafen, die positiv zu würdigenden persönlichen Verhältnisse sowie die lange Dauer des Verfahrens bei.
Beim Mittäter entschied das Obergericht, der Schuldspruch wegen Angriffs sei zu Recht erfolgt. Sein Verschulden sei allerdings vergleichsweise leicht. Die bedingte Freiheitsstrafe wurde in eine bedingte Geldstrafe umgewandelt. Zum Schluss ermahnte der Oberrichter die beiden Angeklagten: «Sie sind nun vorbestraft, passiert nochmals etwas, wird es nur noch schlimmer.» (aargauerzeitung.ch)
Da wäre ich nicht mehr so nachsichtig bei so einer dämlichen Aussage.