Weder links noch rechts, parteilos, Investmentbanker, Senkrechtstarter, die 24 Jahre ältere Lehrerin geheiratet. Alles spannend. Aber wirklich staunenswert ist sein Alter. Mit zarten 39 wird Emmanuel Macron Präsident der Grande Nation.
In diesem Alter wurde ein gewisser Donald Trump bekannt, weil er seinen Trump-Tower an der Fifth Avenue baute und eine Airline kaufte. Staatschef wurde er erst als 70-Jähriger. Angela Merkel war mit 39 erst Landesparteichefin der CDU. Kanzlerin wurde sie 2005 mit 51 Jahren.Es gibt auch die anderen Beispiele wie Tony Blair und David Cameron, beide 44 Jahre alt beim Amtsantritt. Und dennoch: Macron übertrifft sie alle.
Auch im Vergleich mit seinen Vorgängern – Charles de Gaulle (69), Jacques Chirac (63) und seinem Vorgänger François Hollande (58) – ist er der Jungspund. Nur Napoleon krönte sich mit 35 zum Kaiser. Allerdings verstarb der Mensch zu dieser Zeit auch früher, der Kaiser mit 51. Also dann, als Merkel erst aufthronte.
Ist nun die Zeit gekommen, in der vermehrt junge Politiker an die Macht kommen? «Es gibt tatsächlich eine Veränderung in der Gesellschaft. Heute sind die Chancen für junge Menschen grösser, rasch auf so eine Position zu kommen», sagt Lukas Golder, Politikwissenschafter und Co-Leiter des Forschungsinstituts für Politik und Kommunikation GfS Bern. Das habe insbesondere mit der Digitalisierung zu tun. Sie helfe einem, aus dem Nichts zu kommen und möglichst schnell ein neues Profil zu erreichen und damit gerade Junge für die politische Arbeit zu motivieren. Macron hat erst knapp vor einem Jahr seine Bewegung «En Marche» in Gang gesetzt – die 200'000 Anhänger waren Klicks im Internet.
Macron ist also ein Einzelfall. Einzelfälle gibt es auch in der Schweiz. Sie lassen sich insbesondere unter den Berufsparlamentariern finden, die früh in die Politik gehen. Sehr jung in hohe Positionen kamen: Ruth Metzler, Alain Berset, Toni Brunner und Pascale Bruderer. Der inhaltliche Vorteil der jungen Politiker: Sie bringen neue Lösungsansätze, indem sie Strukturen neu bauen. Laut dem Politologen Golder sind sie oft herausragende Kommunikationstalente.
Doch es geht eben noch um mehr. Sie müssen Mehrheiten bauen, erst dann können sie gemäss Golder erfolgreich sein. Er nennt Barack Obama als Beispiel. Dieser habe zwar ein Talent, Massen zu bewegen. Doch bei der Bildung von Allianzen sei er nicht so stark gewesen. «Er hat vorher kein Netzwerk gehabt und hat es auch nicht geschafft, eines aufzubauen», sagt Golder.
Doch ohne Netzwerk ist es schwierig, in ein solch hohes Amt zu kommen. Macron und Trump jedoch haben es ohne geschafft. Sie hatten den Aussenseiterbonus und profitierten von der Unzufriedenheit gegenüber den etablierten Parteien. Auch Stefanie Bailer, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Basel, spricht von einer Anti-Establishment-Phase. Da sei die Jugend ein Bonus, doch fehle dabei wiederum die Erfahrung. «Das Alter wird nur unter bestimmten Bedingungen zum Vorteil», sagt Bailer.
Macron muss es als jungem Politiker nun gelingen, Mehrheiten zu zimmern. «Grosse Reden eines Verbesserers reichen nicht mehr», sagt Golder. Gleichzeitig warnt er: «Politik ist langwierig, man muss bereit sein, kleine Schritte zu gehen, man kann nicht bloss sagen: ‹Ich kann alles besser›.» Er spricht von «Politischer Naivität», die er aber mehr Trump als Macron unterstellt und somit zeigt, dass dies nichts mit dem Alter zu tun hat. Macron war Wirtschaftsminister, kennt das Gerüst der französischen Politik. Trump war Neuling.
Golder ist nicht nur für eine Verjüngung der Politiker. Er befürwortet eine Durchmischung mit allen Altersklassen. Auch die ganz Alten seien unterrepräsentiert. Wenn jemand im Alter noch Lust auf Politik habe, dann sei das lobenswert. Er hält nichts von einem Alterslimit. Auch Bailer winkt ab. Im Parlament sei eine Durchmischung wichtig. Gewisse Themen bekommen Aufwind, wenn sie von den Betroffenen vertreten würden (z. B. Junge, Frauen, Migrationshintergrund).
Macron spricht die Sprache der Jungen, Kein Wunder, er ist ja selber jung. Bräuchte nun die Schweiz nicht auch einen Macron? Derzeit, so Golder, ist das Schweizer Parlament im Schnitt älter als die Gesellschaft und bald ist jeder zweite Wählende älter als 60. So könnte man also sagen: Junge Politiker würden junge Wähler an die Urne locken.
(aargauerzeitung.ch)