Schweiz
Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE)

76.9 Prozent Nein: Bedingungsloses Grundeinkommen wuchtig abgelehnt

76.9 Prozent Nein: Bedingungsloses Grundeinkommen wuchtig abgelehnt

Die Schweizer Bevölkerung erhält kein staatliches Einkommen. 76.9 Prozent der Stimmenden haben am Sonntag die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen abgelehnt.
05.06.2016, 17:02
Mehr «Schweiz»

Den Initianten ging es in erster Linie darum, eine Diskussion anzustossen. Dass die Initiative keine Chance haben würde, stand von Beginn an fest. Das Resultat fiel nun noch etwas deutlicher aus als erwartet.

Insgesamt haben rund 569'000 Personen ein Ja in die Urne gelegt, 1'897'000 Personen lehnten die Initiative ab. Sämtliche Kantone sagten Nein. Am meisten Unterstützung erhielt die Initiative in den Kantonen Basel-Stadt und Jura mit einem Ja-Stimmen-Anteil von je 36 Prozent, gefolgt von Genf mit 35 Prozent sowie Zürich und Neuenburg mit 31 Prozent.

In der Stadt Zürich nahmen die Stimmenden in den Kreisen 4 und 5 die Initiative an. In den meisten Kantonen sagten aber mehr als 80 Prozent der Stimmenden Nein. Am wuchtigsten verworfen wurden das bedingungslose Grundeinkommen in Nidwalden und Appenzell-Innerrhoden mit 87 Prozent, gefolgt von Obwalden und Schwyz mit 86 Prozent.

Missbräuchlich oder zukunftsgerichtet?

Die Gegner hatten den Initianten im Abstimmungskampf vorgeworfen, die direkte Demokratie zu missbrauchen. Man dürfe darüber diskutieren, ob sich alles um Arbeit drehen müsse. Doch dafür gebe es andere Instrumente als Volksinitiativen, befanden sie.

Die Initianten – eine Gruppe von Intellektuellen, Künstlern und Publizisten – erwiderten, das Anliegen erscheine vielleicht auf den ersten Blick utopisch. Auf den zweiten Blick werde aber deutlich, dass es für immer mehr Menschen keine Arbeit gebe. Die digitale Revolution werde das Problem verschärfen.

Mehr freiwilliges Engagement

Das Grundeinkommen würde aus Sicht der Befürworter nicht nur das Problem der mangelnden Arbeit lösen, sondern mehr Lebensqualität bringen. Die Menschen könnten selbstbestimmter arbeiten, argumentierten sie. Auch hätten sie mehr Raum, sich freiwillig zu engagieren, was der Gesellschaft zugute käme.

Die Gegner zeigten sich ihrerseits überzeugt, dass ein Grundeinkommen das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem auf den Kopf stellen würde. Statt Leistung würde Faulheit belohnt. Wer das bezahlen solle, sei unklar.

2500 Franken pro Monat

Bei einem Ja zur Initiative hätten alle in der Schweiz lebenden Menschen unabhängig von einer Erwerbstätigkeit ein Einkommen erhalten. Dieses sollte ihnen ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Eine Zahl wurde im Initiativtext nicht genannt.

Die Initianten gaben aber bekannt, was sie für angemessen halten: 2500 Franken pro Monat für jeden Erwachsenen und 625 Franken für jedes Kind. Gemäss den Berechnungen des Bundes hätte das 208 Milliarden Franken gekostet.

Finanzierung offen

Ein Teil davon hätte durch Umlagerungen aus dem heutigen Sozialsystem finanziert werden können, ein anderer durch Beiträge der Erwerbstätigen. Wer mehr als 2500 Franken verdient, hätte unter dem Strich gleich viel erhalten wie heute. Wer heute eine Rente bezieht, hätte das Grundeinkommen und allenfalls zusätzliche Sozialleistungen erhalten.

So gerechnet wäre eine Finanzierungslücke von etwa 25 Milliarden Franken geblieben. Die Initianten waren sich nicht ganz einig, woher die Einnahmen kommen sollten. Als Möglichkeit nannten sie die Einführung einer Steuer auf Geldtransaktionen und eine höhere Mehrwertsteuer.

Nur die Grünen dafür

In der Politik kam die Idee schlecht an. Von den grossen Parteien fassten nur die Grünen die Ja-Parole. Im Parlament machten sich zwar auch einzelne Sozialdemokraten für die Initiative stark. Die Arbeitnehmenden könnten weniger ausgebeutet werden, argumentierten sie.

Die Mehrheit der Linken befürchtete jedoch, ein Ja könnte am Ende zu einem Abbau des Sozialstaats führen: Das Überleben würde zwar mit dem Grundeinkommen gesichert, darüber hinaus gäbe es aber keine staatlichen Leistungen mehr. Die bürgerlichen Redner wiederum warnten vor dem Ende der Eigenverantwortung.

Diskussionen auch im Ausland

Unterstützung kam aus dem Ausland, unter anderem vom ehemaligen US-Arbeitsminister Robert Reich und dem ehemaligen griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis. Ohne Grundeinkommen werde es früher oder später nicht mehr gehen, sagte Reich. In den nächsten 25 Jahren werde etwa die Hälfte der gut bezahlten Stellen verschwinden. Varoufakis stellte fest, die Schweiz eigne sich ideal für Experimente mit dem Grundeinkommen, weil es ihr so gut gehe.

Die Idee eines staatlichen Grundeinkommens ist nicht neu. Schon in den 1970er Jahren gab es Experimente in Kanada und in den USA. Finnland will das Grundeinkommen ab nächstem Jahr testen, als erstes europäisches Land. Die Mitte-Rechts-Regierung möchte damit das komplexe Sozialsystem vereinfachen und letztlich Ausgaben sparen. In der Schweiz stehen Experimente nach dem Nein vom Sonntag vorerst wohl nicht mehr zur Diskussion. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Nur 9 Monate im Amt: UBS-Boss Ermotti streicht Monster-Bonus für 2023 ein
UBS-Chef Sergio Ermotti hat mit seiner Rückkehr zur Grossbank ordentlich mehr Lohn kassiert. Für neun Monate 2023 verdiente er 14,4 Millionen Franken.

Für UBS-Chef Sergio Ermotti hat sich die Rückkehr zur Grossbank auch mit Blick auf den Gehaltscheck gelohnt. Überhaupt verdienten die Top-Kader und Verwaltungsräte der UBS deutlich mehr.

Zur Story