Der 18. Mai 2014 war ein schwarzer Tag für die Schweizer Armee. Das Stimmvolk lehnte mit 53,4 Prozent Nein den Kauf von 22 schwedischen Gripen-Kampfflugzeugen ab. Sie sollten die veralteten Jets des US-Typs F-5 Tiger ersetzen. Verteidigungsminister Ueli Maurer hatte es jedoch nicht geschafft, die Notwendigkeit dieses Geschäfts plausibel zu begründen.
Nun hat mit Guy Parmelin ein anderer SVP-Politiker das Verteidigungsdepartement VBS übernommen. Der Waadtländer ist anscheinend gewillt, in der leidigen Kampfjet-Frage durchzustarten. In der Bundesratssitzung vom Mittwoch wolle er einen Grundsatzentscheid «für eine vollständig neue Luftverteidigung» herbeiführen, berichtet der «Tages-Anzeiger».
Parmelin wolle einen Kostenrahmen von 9 Milliarden Franken beantragen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf «sehr verlässliche Informationen». Darin enthalten seien 30 bis 40 Kampfjets, die neben dem Tiger die F/A-18-Flotte ersetzen sollen. Auch ein neues Raketensystem für die Fliegerabwehr soll beschafft werden, als Ersatz für das vom VBS-Chef gestoppte Projekt Bodluv.
Die vom «Tages-Anzeiger» publik gemachten Pläne wirken plausibel. Guy Parmelin und die Armeeführung scheinen aus den Fehlern bei der Gripen-Beschaffung gelernt zu haben. Das erhöht die Erfolgschancen der strategisch wichtigen Vorlage.
Die Expertengruppe des Bundes hatte im Mai vier Varianten präsentiert. Die teuerste sah die Beschaffung von 55 bis 70 Jets für 15 bis 18 Milliarden Franken vor. Es ist kein Geheimnis, dass Armeeführung und Pilotenkorps diese «Luxusvariante» bevorzugt hätten. Nun ist das VBS offensichtlich zur Einsicht gelangt, dass ein «Mittelweg» mit 9 Milliarden und 30 bis 40 Jets vernünftig wäre. Die 18-Milliarden-Option hätte es schon im Parlament schwer gehabt.
Das VBS will laut «Tages-Anzeiger» fünf Flugzeugtypen zur Beschaffung vorschlagen. Darin enthalten soll auch der umstrittene und exorbitant teure US-Tarnkappenjet F-35 sein. Dies dürfte für Erstaunen sorgen, doch Parmelin will damit wohl in erster Linie seinen verwöhnten Piloten ein «Zückerchen» anbieten. Sie dürfen mit der «fliegenden Bestie» ein paar Testrunden drehen.
Für die Schweizer Bedürfnisse aber ist der F-35 mindestens eine Nummer zu gross. Eher in Frage kommt ein weiterer US-Jet, die F/A-18 Super Hornet. Das Nachfolgemodell des heutigen Schweizer Kampfflugzeugs könnte für Kontinuität sorgen. Daneben stehen erneut die drei Typen zur Wahl, die bereits für die Tiger-Nachfolge evaluiert wurden: Eurofighter, Rafale und Gripen.
Der Eurofighter Typhoon ist ein bewährter Kampfjet. Der französische Rafale hat die Evaluation 2011 «gewonnen» und sein Image als «Ladenhüter» abgelegt. Mehrere Länder haben ihn beschafft. Der Gripen E wurde vor der Abstimmung 2014 als «Papierflieger» verspottet. Das gilt nicht mehr. Er hat im Juni seinen Erstflug absolviert und mit Brasilien einen gewichtigen Besteller gefunden.
Seit dem Abstimmungsflop vor drei Jahren kursierten Planspiele, wonach das VBS den neuen Jet im Armeebudget «verstecken» und somit am Volk «vorbeischmuggeln» will. Es wäre demokratiepolitisch «sehr ungeschickt», die neuen Kampfjets nach der Klatsche von 2014 «am Volks vorbeizuschleusen», sagte der Politologe Maximilian Schubiger im Gespräch mit watson.
Guy Parmelin scheint dies beherzigt zu haben. Er will dem Parlament den Kostenrahmen von 9 Milliarden Franken in Form eines referendumsfähigen Planungsbeschlusses unterbreiten. Eine Volksabstimmung ist damit so gut wie sicher. Ein anderes Vorgehen hätte beim Vertreter einer Partei, die den Volkswillen über alles stellt, zumindest für Stirnrunzeln gesorgt.
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) kritisiert als Reaktion auf den «Tages-Anzeiger»-Bericht den Vorschlag als «pseudo-demokratisch» und stellt ein Referendum in Aussicht. Dieses Mal dürfte sie es schwer haben. In der breiten Bevölkerung ist die Notwendigkeit einer starken und eigenständigen Luftverteidigung kaum bestritten, erst recht in den heutigen, unsicheren Zeiten.
Mit seinem Vorgehen – falls die Enthüllungen zutreffen – erweist sich Guy Parmelin als geschickter Stratege. Sein Start als VBS-Chef verlief harzig. Der Waadtländer neigte zu irritierenden «Schnellschüssen», etwa bei der Suspendierung des Oberfeldarztes aufgrund dubioser Vorwürfe. Nun scheint sich der vor seiner Wahl als «Hinterbänkler» und «Leichtgewicht» belächelte Weinbauer in seinem Departement wie auch im Bundesrat immer besser zurechtzufinden.