Nach der Gripen-Abstimmung reiben sich viele noch immer die Augen. Erstmals in der Geschichte der Schweiz ist ein grosses Rüstungsgeschäft am Widerstand des Volkes gescheitert, und das Resultat war mit 53,4 Prozent Nein nicht einmal besonders knapp. Es ist eine böse Schlappe für die Armee, und das in einer Zeit, in der viele Menschen verunsichert und von den globalen Entwicklungen überfordert sind. Konservative Positionen sind im Trend – siehe Mindestlohn, Pädophilen-Initiative oder auch das Ja zur Zuwanderungs-Initiative am 9. Februar.
Wie kann in einem solchen Umfeld eine Armee-Vorlage durchfallen? Der Kontrast zum 6. Juni 1993 könnte kaum grösser sein. Damals stimmte das Volk über die Beschaffung von 34 F/A-18 als Ersatz für die Mirage III ab. Die Ausgangslage war weit weniger günstig: Der Kalte Krieg war zu Ende, es herrschte eine gewisse Friedenseuphorie. Gleichzeitig steckte die Schweiz in einer Rezession, es gab harte Verteilkämpfe um das knappe Geld.
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) sammelte in nur einem Monat fast 500'000 Unterschriften für eine Volksinitiative gegen den neuen Kampfjet. Doch bei der besagten Abstimmung 1993 erlitt sie mit 57,1 Prozent Nein eine herbe Niederlage. Bundesrat Kaspar Villiger, der damalige Vorsteher des Eidgenössischen Militärdepartements (EMD), hatte es geschafft, die 3,5 Milliarden Franken für die F/A-18 in ein Votum für oder gegen die Armee umzuwandeln.
Als «Mastermind» der Kampagne fungierte Villigers Kommunikationschef Daniel Eckmann. Ihn erstaunt es nicht, dass der Gripen gescheitert ist: «Eine solche Abstimmung lässt sich nur gewinnen, wenn man Einzelanliegen logisch in das Grosse und Ganze einbinden kann.» Wenn das Einsatzkonzept der Armee überzeuge, falle die Beschaffung der nötigen Instrumente leichter, so Eckmann gegenüber watson. «Diesmal stand aber weniger die Erneuerung der Luftwaffe im Vordergrund, sondern ständige Diskussionen um den richtigen Typ, die Finanzierung und den Kampagnenstil.»
Beim F/A-18 hätten die neue Sicherheitspolitik, das Armeeleitbild und die Doppelstrategie mit Friedenssicherung und Verteidigung den Boden für die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs gelegt. Beim Gripen dagegen sei die Grundsatzdiskussion in den Hintergrund geraten. Stattdessen kam es zu einer «monatelangen Konfetti-Schlacht von Nebenaspekten», sagt Eckmann, der heute als Strategie- und Kommunikationsberater tätig ist.
Ähnlich sieht es der Politologe Maximilian Schubiger von der Universität Bern: «Im Gegensatz zum F/A-18 haben es die Befürworter verpasst, eine Grundsatzdebatte für oder gegen die Armee zu führen.» Man habe es nicht geschafft, die Notwendigkeit des Gripen für eine glaubwürdige, starke Armee rüberzubringen. Was genau zur Ablehnung geführt habe, könne man jetzt noch nicht sagen. «Man muss die VOX-Analyse abwarten», sagt Schubiger.
Klar ist für ihn, dass die Mitte-Wählerschaft die Abstimmung entschieden hat. Die Grünliberalen als Leader der Nein-Kampagne hätten die Haltung vermittelt: «Es ist okay, bürgerlich und gegen den Gripen zu sein.» Dies habe in den eher bürgerlichen Kantonen Basel-Landschaft und Schaffhausen zum Umdenken geführt. Sie ergänzten das Nein-Lager mit der traditionell armeekritischen Romandie und der städtischen Deutschschweiz.
Auch Daniel Eckmann ortet in der «zersplitterten politischen Mitte» einen Grund für die Niederlage. Zur Rolle von Bundesrat Ueli Maurer will sich der frühere EMD-Kommunikationschef nicht äussern, oder höchstens indirekt: «Der Blick auf das Grundsätzliche entbindet vom permanenten Überreden. Man muss die Stimmbürger mit Information überzeugen, nicht überreden.»